Borussia Dortmund ist mit zwei 1:2-Niederlagen gegen Manchester City im Champions-League-Viertelfinale gescheitert. Die Thesen zum Aus des BVB.
Manchester City ist aktuell wohl die beste Mannschaft Europas, so dass es durchaus beachtlich ist, wie sich Borussia Dortmund in beiden Champions-League-Duellen aus der Affäre gezogen hat. Kurz nach der Auslosung hatte man aufgrund der holprigen BVB-Saison noch deutlich Schlimmeres erwartet.
Bitter für die Borussia ist, dass alle vier Gegentreffer nach vermeidbaren individuellen Fehlern gefallen sind. Daher hat Dortmunds Aus in diesen beiden Begegnungen durchaus auch etwas mit der eigenen Qualität zu tun. Und die sorgt zudem dafür, dass der BVB nun im fünften Pflichtspiel in Folge zwei Gegentore kassierte und nur zwei der vergangenen acht davon gewann.
Um ähnliche Unzulänglichkeiten drehen sich die Thesen zum Ausscheiden der Borussia - bis auf eine.
These 1: Der BVB benötigt eine neue Nummer eins
Dortmund und seine Torhüter sind und bleiben eines von vielen Kapiteln, die diese unzureichende BVB-Saison kennzeichnen. Mit dem Entscheid für Marwin Hitz und gegen Roman Bürki hat die Borussia die Qualität zwischen den Pfosten letztlich nicht erhöht. Hitz muss das zweite Tor von City halten, bereits am Wochenende in Stuttgart lag er bei der Berechnung des Kopfballes von Sasa Kalajdzic daneben.
Für die langjährige Nummer eins Bürki, der über die Jahre viel Licht und auch viel Schatten zeigte, ist die aktuelle Situation auf der Bank ein herber Schlag und wird ihn schwer beschäftigen. Ob der Schweizer unter dem kommenden Trainer Marco Rose eine neue Chance sucht oder sich nach den unsteten Jahren in Dortmund woanders neu versuchen wird, ist eine von vielen spannenden Personalien, die den BVB nach der Saison begleiten werden.
Hitz und Bürki fehlt es an hoher internationaler Klasse und gerade Bürki an der nötigen Konstanz. Dass es bereits seit längerem einige Gerüchte um neue Torhüter gibt und Dortmund Ende Februar mit Hitz bis 2023 verlängerte, könnte darauf hindeuten, dass Bürki den Verein verlässt. Auch er hat noch zwei Jahre Vertrag.
Doch unabhängig davon, wer der beiden Schweizer beim BVB bleiben wird: Dortmund benötigt eine neue unumstrittene Nummer eins, da es sich ein ambitionierter Verein wie die Borussia nicht leisten kann, derart viele Torhüterpatzer zu kompensieren. Es braucht einen Keeper, der stabiler ist und den Westfalen auch einmal ein Spiel gewinnt.
These 2: Emre Can patzt für einen Führungsspieler zu oft
Beim Thema individuelle Patzer muss mittlerweile auch Emre Can angeführt werden. Dessen Fehler, die zu Gegentoren führten, haben sich zuletzt enorm gehäuft.
Sein Handspiel gegen City war unnötig und brachte einen Bruch ins Dortmunder Spiel. Bereits in Manchester führte sein Ballverlust zum 0:1, in den beiden Achtelfinalduellen gegen Sevilla verschuldete er jeweils ein Gegentor - und beim DFB-Team hatte Can im Spiel gegen Nordmazedonien großes Glück, dass sein Handspiel im Strafraum nicht zu einem Elfmeter führte.
Es sind nicht nur zu viele Fehler für einen Spieler mit Führungsanspruch, sondern sie waren meist auch zu plump und sehr vermeidbar. Keine Frage: Cans Einsatzwille und seine vielzitierte Mentalität sind ein klarer Gewinn für Dortmunds Mannschaft, doch er muss schleunigst die Vielzahl an Unkonzentriertheiten ablegen, um sich auf Dauer einen festen Platz in der ersten Elf zu erspielen.
gettyDenn das gehört zu Cans bald eineinhalb Jahren beim BVB ja auch dazu: Wirklich unangefochtener Stammspieler ist er noch nicht.
Seine Vielseitigkeit ist zwar auf der einen Seite ein Segen, doch sie erschwerte ihm auch, sich auf einer Position festzuspielen - vor allem dann, wenn Dortmund personell aus dem Vollen schöpfen kann.
These 3: Diese Einsätze belegen verfehlte BVB-Kaderplanung
198 Minuten Profifußball hat Ansgar Knauff in seinem Leben bislang gespielt, 131 davon im CL-Viertelfinale gegen ManCity. Dass der 19-Jährige sehr talentiert ist und für den BVB noch ein Gewinn werden kann, hat sich am vergangenen Wochenende gezeigt, als Knauff das wichtige Siegtor in Stuttgart schoss.
Besonders sein exzellentes Tempo ist eine echte Waffe und war der Hauptgrund dafür, weshalb ihn Trainer Edin Terzic überraschend in Manchester in die Startelf beorderte. Doch die Nominierung Knauffs ist zugleich ein klarer Beleg für eine verfehlte Kaderplanung der Dortmunder Verantwortlichen.
Dass in einem solchen (Millionen-)Spiel ein gänzlich unerfahrener Akteur wie Knauff aufläuft, der zuvor ausschließlich in der Regionalliga zum Einsatz kam, kann bei aller Qualität des Spielers nicht der Anspruch des BVB sein. Es ist zugleich ein überdeutliches Ausrufezeichen an etablierte Spieler wie Julian Brandt und Thorgan Hazard, die Dortmund 50 Millionen Euro Ablöse kosteten.
Die Gründe für deren Bankplätze sind individuell verschieden und man könnte auch Giovanni Reyna nennen, dem als aufstrebender Youngster allerdings ein wenn auch nun schon länger andauerndes Formtief verziehen werden muss. Wenn Dortmund aber neben Erling Haaland und Marco Reus im Rückspiel Knauff ins Rennen schickt, um in der Offensive für Alarm zu sorgen, dann hat man bei der Zusammenstellung der Mannschaft Fehler begangen.
Knauff konnte in beiden Duellen gegen City fast gar nichts ausrichten, ihm fehlt es selbstverständlich noch an Reife auf diesem Niveau. Diese Partien waren schlicht zu groß für ihn - ein letztlich absehbares Urteil. Das gilt auch für einen Spieler wie Steffen Tigges, der in dieser Spielzeit ähnlich unverhofft auf 146 Profi-Minuten kam und nicht die Qualität mitbringt, um für Dortmund Bundesliga oder Champions League zu spielen.
Tigges ist im Angriff aber nach "Heilsbringer" Haaland der einzige echte Stürmer im Kader, wenn wie aktuell Youssoufa Moukoko - ein 16-Jähriger, der bis vergangenen November noch nicht einmal Seniorenfußball spielen durfte - verletzt fehlt. Diesen Mangel an Alternativen sollte Dortmund in der kommenden Saison dringend korrigieren und einen zweiten Stürmer von Format wie einst Adrian Ramos oder derzeit Eric Maxim Choupo-Moting beim FC Bayern verpflichten.
Es passt schließlich nicht wirklich zusammen, wenn Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke für die kommenden Jahre einen Platz unter den "zehn oder zwölf besten Klubs Europas" ausruft und der BVB dann zwei Regionalligaspieler in ein CL-Viertelfinale schicken muss.
These 4: Jude Bellingham ist das dritte Faustpfand des BVB
"Das haben wir vorher gewusst", sagte Sportdirektor Michael Zorc zu den Ruhr Nachrichten. Es ging dabei um den Formanstieg von Jude Bellingham, der besonders in den vergangenen Wochen bemerkenswert ist. Der 17-Jährige ist jetzt schon nach Haaland und Jadon Sancho das heißeste Eisen im Dortmunder Kader.
Dass Bellingham über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen muss, war schon im vergangenen Sommer klar, als ihn der BVB für 23 Millionen Euro verpflichtete und mehrere internationale Top-Klubs in die Röhre schauten. Geht die Entwicklung des Engländers einigermaßen so weiter wie bisher, wird die Borussia auch für ihn eines Tages einen dreistelligen Millionenbetrag einfordern können.
Gelingt es den Dortmundern, Bellingham langfristig zu halten, hat er aufgrund seiner Spielweise das Potential zur BVB-Legende. Der Mittelfeldakteur kickt so, wie man es im Ruhrgebiet am liebsten hat: mit viel Power, enormer Gier und großem Kämpferherz.
Zuletzt bestach Bellingham vor allem durch seine Routine und Präsenz, die ihn in Partien wie gegen Sevilla oder ManCity zu einem der besten Dortmunder machte. Die Selbstverständlichkeit in seinen Aktionen ist gerade nicht selbstverständlich für sein Alter, doch die bislang bereits 39 Pflichtspiele auf dem höheren Niveau als noch zuvor bei Birmingham City stehen für sich und tun ihm gut.
Fast folgerichtig erzielte er in den beiden vergangenen Partien seine ersten Treffer in Bundesliga und Champions League. Was ihn aber schon jetzt besonders wichtig macht, sind seine defensiven Stärken. Bellingham ist stabil in den direkten Duellen und verzeichnet viele Balleroberungen, er geht unnachgiebig den Bällen nach.
Dieses fußballerische Gesamtpaket wird von einer tadellosen Einstellung garniert, die die englische Zeitung Daily Mirror kürzlich zur Feststellung trieb, es sei "geradezu lächerlich, wie gut Bellingham ist". Ein gewichtigeres Lob erhielt er von City-Coach Pep Guardiola nach dem Ausscheiden: "17 Jahre alt. Und so eine unglaubliche fu**ing Persönlichkeit! Er ist so, so gut."
Bedenkt man, dass Bellingham nach einer sehr intensiven Vorsaison mit Birmingham in ein fremdes Land wechselte und dort ohne größere Sommerpause während einer Pandemie eine ähnlich atemlose Abfolge an Spielen abreißt, sind seine Leistungen nicht hoch genug zu bewerten.