Die Premier League ist die beste Fußball-Liga der Welt. Sie haben das meiste Geld, die besten Spieler, den intensivsten Konkurrenzkampf, die elitärsten Trainer. Dann kommt Real Madrid, besiegt in Folge den Dritten, Ersten und Zweiten der gerade abgelaufenen Premier-League-Saison und gewinnt die Champions League.
Die Rechnung ist daher einfach: Wer die besten Mannschaften der besten Liga der Welt nacheinander schlägt, ist die beste Mannschaft der Welt. "Wir spielen keine Endspiele, wir gewinnen Endspiele", twitterte Real Madrid nach dem 14. Triumph im 14. Endspiel der Landesmeister. Mehr Machtdemonstration geht wahrlich nicht.
Eine Demonstration, die Gegner verzweifeln lässt. Die Gemütslagen von Thomas Tuchel, Pep Guardiola und Jürgen Klopp nach ihren jeweiligen Niederlagen wiesen Parallelen auf. Es war eine Mischung aus Ratlosigkeit und Ohnmacht, denn ihre Mannschaften waren über weite Strecken überlegen, hatten genug Möglichkeiten, die Königlichen zu besiegen und mussten danach aber erklären, warum es nicht funktioniert hat.
Jürgen Klopp musste im ZDF spät in der Nacht eine lange Pause einlegen, als er nach den Gründen für das 0:1 gefragt wurde. Trainer erklären gerne im Detail, warum man ein Fußballspiel nicht gewonnen hat. So detailliert, dass es der Otto-Normal-Fan fast nicht mehr versteht. Aber Klopp hatte keine Lust auf eine Erklärung im fundierten Trainersprech.
Toni Kroos nach Real-Triumph: "Nicht damit gerechnet"
Er sagte lediglich: "Wir müssen halt den einen Ball reinschießen, das haben wir nicht gemacht. So einfach kann man das erklären. Es gibt immer Gründe, warum man verliert. Meistens ist es, wenn du keine Tore machst." Mehr muss man nicht sagen. Was soll man auch sagen, wenn man nach einer Saison mit vier Titeln und einer außergewöhnlichen Leistungsfähigkeit in 63 Pflichtspielen die beiden wichtigsten Pokale nicht gewinnt?
"In zwei Wettbewerben haben wir es jetzt ganz knapp nicht geschafft. Ansonsten ist uns natürlich nichts vorzuwerfen - was soll der Mist?", so Klopp. So blieb ihm lediglich, seinen in die Wiege gelegten Enthusiasmus auch in der schweren Stunde auszustrahlen und zu sagen, dass man es nächstes Jahr noch einmal versucht.
Wenn er es ins Finale von Istanbul 2023 schaffen sollte, würde man sich kaum wundern, dass man dort wieder auf Real Madrid trifft. Das mag ein Jahr im Voraus Kaffeesatzleserei zu sein, aber wer hätte schon gedacht, dass Real dieses Jahr im Finale steht, geschweige denn den Titel holt? "Ich hatte zu Saisonbeginn nicht damit gerechnet", gab Toni Kroos in einem Interview zu, das er nicht abbrach.
Ob zu Saisonbeginn oder nach dem 1:2 in der Gruppenphase gegen die Sheriffs aus Tiraspol, oder nach dem 0:4 gegen den FC Barcelona im März ... es gab genug Gründe und Momente, in denen man an den Chancen Reals zweifeln durfte, auch wenn die Konstanz in der Primera Division über alle Zweifel erhaben war.
Real Madrid: In der K.O.-Phase ist irgendetwas passiert
In der Champions League ist dann irgendetwas in der K.O.-Phase passiert, als die Königlichen aus schier unmöglichen Situationen ständig gestärkt und erfolgreich herauskamen. Hier eine magische Nacht von Luka Modric, dort eine von Karim Benzema. Dann die Gala-Auftritte von Thibaut Courtois oder Vinicius Junior.
Doch man würde Real unrecht tun, das Ganze auf individuelle Leistungen zu reduzieren. Wer gegen Paris Saint-Germain, den FC Chelsea und Manchester City zurückkommt, muss mehr haben als nur gute Spieler, die einen guten Tag erwischt hatten. Da ist das Sieger-Gen, das man gar nicht so einfach erklären kann, aber das ist auch die mannschaftliche Geschlossenheit, die ein großer Verdienst von Trainer Carlo Ancelotti ist.
"Er hat viermal die Champions League gewonnen, also muss es auch mit ihm etwas zu tun haben", sagte Real Madrids Präsident Florentino Perez in Paris. "Er ist ein guter Dirigent, der die Psychologie der Spieler kennt. Er kennt Real Madrid sehr gut und er kennt den Fußball sehr gut."
So eine Kombination aus Fähigkeiten macht einen dann zum Champions-League-Sieger. Besonders der Aspekt mit der Psychologie der Spieler ist ein wichtiger Faktor. Seit jeher ist Ancelotti als Spielerversteher bekannt. Nur beim FC Bayern hatten die Spieler offenbar ein anderes Verständnis, aber sonst überall fand er einen Draht.
Real Madrid: Entwicklungsexplosion bei Vinicius und Co.
Die Entwicklungsexplosion vieler Real-Spieler unter Ancelotti dürfte kein Zufall sein. Final-Torschütze Vinicius Junior ist unter dem Italiener zu einem der besten Spieler der Welt aufgestiegen, Eder Militao zu einem der besten Innenverteidiger. In einer Zeit, in der man bei Real laut über neue Stürmer dachte, ist man weltweit der Meinung, dass der Ballon d'Or nur an Karim Benzema gehen kann.
Die Liste lässt sich wunderbar fortführen. Über Rodrygo, über Federico Valverde, dem heimlichen Helden des Triumphs, bis hin zu Eduardo Camavinga. Jedes Mal kommt man bei Ancelotti raus und von daher gebührt ihm vielleicht die größte Anerkennung.
Der Erfolgscoach fasst es selbst am besten zusammen: "Ein Teil der individuellen Qualität der Spieler ist der Teamgedanke. Sie sind in der Lage mitzudenken. Natürlich ist die individuelle Klasse wichtig, aber sie ist nicht alles. Man muss auch Herz und Intelligenz auf dem Platz zeigen."
Das hat Real gemacht und der Welt gezeigt, dass man immer mit ihnen rechnen muss. Davon kann sich Liverpool nichts kaufen und wahrscheinlich wird sich der Schmerz erst in den kommenden Tagen zeigen, aber dann wird auch die Gewissheit aufkommen, dass man das Zeug hat, wieder um die wichtigsten Titel zu spielen.
UEFA nicht so stark wie Real Madrid: Was für ein Desaster
Und vielleicht bekommt es die UEFA bis dahin auch hin, ein Champions-League-Finale so zu organisieren, dass man nicht 36 Minuten auf den Anstoß warten muss und dass Fußball-Fans mit Ticket nicht mit Tränengas verdrängt werden, weil die Polizei die Kontrolle über das Geschehen verloren hat. 20 Minuten vor dem eigentlichen Start um 21 Uhr war das Stadion immer noch in vielen Bereichen leer, weil die Fans es entweder nicht rechtzeitig zum St. Denis geschafft oder am St. Denis nicht ins St. Denis geschafft haben.
Es ist nicht zum ersten Mal passiert, dass im Vorfeld eines UEFA-Endspiels so ein Chaos entsteht. Seit Jahren bekommt es der Europa-Verband im Verbund mit den örtlichen Kräften nicht hin, dass eine reibungslose Anfahrt und der Einlass funktioniert. In Sevilla beim Europa-League-Finale fehlten die Getränke, in Paris kam dann das Desaster.
Wie angeregt FIFA-Präsident Gianni Infantino und UEFA-Boss Aleksandar Ceferin vor dem Anpfiff vor laufenden Kameras diskutierten, war wohl nur ein Vorgeschmack darauf, was in den nächsten Tagen an internen Diskussionen stattfinden wird. Dass der Finalort "erst" im Februar von St. Petersburg auf Paris verlegt wurde, ist keine Entschuldigung. Zeit genug für die Vorbereitung war da. Dass bei den Feierlichkeiten vereinzelte Fans auf den Rasen sprangen, ohne aufgehalten zu werden, war da noch das kleinste Übel.
Klar ist nur, dass dieser großartige Wettbewerb bzw. der europäische Fußball eine bessere Organisation verdient. Vielleicht würde es dem Fußball guttun, künftig weniger auf NFL-kopierte Zeremonien zu setzen und sich wieder mehr auf den Fan zu konzentrieren, damit man den besten Fußballern der Welt auch reibungslos bei ihrer Arbeit zusehen kann.