"Wir wollen die Mannschaft sehen, wir wollen die Mannschaft sehen", sang die schwarz-rot-goldene Meute, während die frisch gebackenen EM-Finalisten einige Meter weiter den Journalisten fleißig ihre Erlebnisse und Emotionen in den Notizblock diktierten.
Euphorie auf dem Höhepunkt
Eine ganz neue Erfahrung für die 17-jährigen Talente, die in ihren Vereinen in Hamburg, Dortmund oder Bremen vor dreistelligen Zuschauerkulissen in der B-Junioren-Bundesliga kicken.
Doch bei der EM-Endrunde in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben Yabo, Götze und Co. eine Euphoriewelle in Gang gesetzt, die im Paul-Greifzu-Stadion in Dessau-Roßlau ihren bisherigen Höhepunkt fand.
Erstes EM-Endspiel der U 17
Die Mannschaft von Trainer Marco Pezzaiuoli hatte in den 80 Minuten zuvor etwas Einzigartiges geschafft. Etwas, das noch keine andere deutsche U-17-Nationalmannschaft vor ihr zustande gebracht hatte.
Noch nie stand eine DFB-Auswahl dieses Jahrgangs in einem Europameisterschafts-Endspiel. Noch nie dominierte eine deutsche U 17 derart eine EM-Endrunde.
Köln-Connection bricht den Bann
"Wir sind überglücklich, dass wir dem Druck stand gehalten und gewonnen haben", sagte Bienvenue Basala-Mazana, der mit dem 2:0, seinem ersten Länderspieltreffer für die U 17, den Sack zu machte. "Es war ein reines Konzentrationsspiel. Aber als Ray das 1:0 machte, da war der Bann gebrochen."
Ray, das ist Basala-Mazanas Kölner Vereinskollege Reinhold Yabo, zentrale Figur und Kapitän der deutschen Auswahl. Wie schon in den drei Partien zuvor bestimmte das Herz des deutschen Spiels den Rhythmus, variierte das Tempo und erzielte gegen die Italiener den wichtigen Führungstreffer.
Unberechenbarkeit im deutschen Angriff
Mit Basala-Mazana und Yabo haben sich bislang neun (!) verschiedene Spieler in die Torschützenliste der deutschen Mannschaft eingetragen. Eine beachtliche Anzahl, wenn man bedenkt, dass die DFB-Junioren dafür nur 320 Minuten lang Zeit hatten.
Die Unberechenbarkeit ist eine von mehreren großen Pluspunkten im Spiel der deutschen U 17. Das weiß auch Pezzaiuoli: "Wir haben eine ganze Reihe an Spielern, die Tore schießen können", sagt der 40-Jährige und fügt augenzwinkernd hinzu: "Aus diesem Grund habe ich sie ja nominiert."
Götze überragt in der Offensive
Einer dieser neun Torschützen ist Mario Götze, der seinen Beitrag zu den bislang elf deutschen Turniertreffern mit dem 4:0 im Gruppenspiel gegen England leistete. Doch der Dortmunder Offensivspieler kann nicht nur selbst Tore schießen.
Er fungiert als exzellenter Vorlagengeber, wie vor dem 2:0, als er die halbe italienische Abwehr austanzte und auf den freistehenden Basala-Mazana querlegte. Er steht bereit als Anspielstation, er bindet stets zwei oder mehr Gegenspieler, und er hat den gewissen Überraschungsmoment in seinem Spiel, der die Gegner im Eins-gegen-Eins alt aussehen lässt.
Prunkstück Defensive
Doch nicht nur in vorderster Linie bestach die deutsche Elf. Die Defensive bildete auch gegen die Azzurrini die Basis für den Erfolg der EM-Finalisten und bestätigte die Stabilität der Gruppenspiele.
Kaum einmal ließ das Innenverteidiger-Duo Mustafi/Labus die Spitzen der Südeuropäer zu Chancen kommen. Marvin Plattenhardt und Basala-Mazana machten die Außen konsequent dicht und haben zusammen mit Torwart Marc-Andre ter Stegen großen Anteil daran, dass ihr Team mit nur einem Gegentreffer in das Finale einzieht.
Salernos Prognose: Deutschland holt den Titel
Den vielleicht wichtigsten Vorteil Deutschlands im Vergleich zu allen anderen Teams stellte Italiens Trainer Pasquale Salerno auf der Pressekonferenz nach dem Spiel heraus: "Der Gegner war uns vor allem in der Schlussphase konditionell überlegen. In den letzten 15 Minuten hat uns einfach die Power gefehlt."
Ansonsten könne Salerno seiner Mannschaft überhaupt keinen Vorwurf machen: "Ich denke, wir haben ein gutes Turnier gespielt und sind heute gegen das Team ausgeschieden, dass am Ende wohl den Titel holen wird", prognostizierte der 45-Jährige.
Salerno: Deutscher Fußball weiter entwickelt als der italienische
Worte, die Pezzaiuoli mit Wohlwollen vernommen haben wird. Doch damit nicht genug. Darauf angesprochen, an welchen Faktoren die Niederlage der Italiener denn außerdem festzumachen sei, meinte er: "Es sind Kleinigkeiten, die am Ende den Ausschlag geben. Insgesamt denke ich aber, dass der italienische Fußball in dieser Altersklasse noch nicht so weit entwickelt ist wie der deutsche."
Musik in den Ohren von DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, der seit dem Beginn seiner Amtszeit im April 2006 die Nachwuchsförderung im deutschen Fußball kontinuierlich vorantreibt. Vor dem erneuten Aufeinandertreffen mit den Holländern warnt der Europameister von 1996 allerdings davor, das Finale als einen "Spaziergang" zu betrachten.
Pezzaiuoli: "Werden kurz genießen"
Dafür Sorge tragen wird Pezzaiuoli, der sich selbst als "Disziplinfanatiker" beschreibt. "Wir werden den Erfolg nun kurz genießen. Dann aber liegt der Fokus und unsere volle Konzentration auf dem Finale gegen die Niederlande."
Auch die Spieler haben diese Einstellung bereits verinnerlicht. Kurz vor der Abfahrt des Mannschaftsbusses hat Abwehrchef Mustafi das Endspiel schon voll im Visier: "Das wird ein völlig anderes Spiel als in der Gruppenphase. Es ist schließlich ein Finale." Sein Mitspieler Florian Trinks kann es kaum noch erwarten, am Montag in Magdeburg aufzulaufen: "Wir sind heiß, wir wollen gewinnen."
Sollte Trinks' Wunsch in Erfüllung gehen, dann stehen die Fans der deutschen Nachwuchskicker sicherlich auch nach dem Duell gegen die Niederlande wieder an der Absperrung und schreien "Wir wollen die Mannschaft sehen, wir wollen die Mannschaft sehen".
Die deutsche Aufstellung: ter Stegen - Basala-Mazana, Mustafi, Labus, Plattenhardt - Buchtmann, Yabo, Zimmermann - Götze (78. Janzer), Scheidhauer (67. Trinks), Thy (75. Nauber).