Im Interview spricht ter Stegen über einen Traum, der wahr geworden ist, seine Erlebnisse mit den Gladbacher Profis und die kuriose Vorbereitung auf die U-17-WM in Nigeria im Oktober.
SPOX: Glückwunsch Herr ter Stegen. Sie müssen sich um Ihre Zukunft ja keine Sorgen mehr machen.
Marc-Andre ter Stegen: Wie meinen Sie das?
SPOX: Laut Max Eberl sind Sie eines der größten Talente in Deutschland. Von Borussia Mönchengladbach haben Sie kürzlich einen Profivertrag bis zum 30. Juni 2014 erhalten.
Ter Stegen: Das stimmt. Der Vertrag ist schon seit dem 01.07.09 gültig und ich freue mich sehr auf die kommenden fünf Jahre bei der Borussia. Aber ein Grund, gedankenlos in die Zukunft zu blicken, ist das nicht. Ich stehe noch am Beginn meiner Karriere und weiß, dass ich an meine Leistungen, die mir den Vertrag beschert haben, anknüpfen muss. Ich will mich nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen, sondern mich kontinuierlich verbessern.
SPOX: Wer hat eigentlich das Papier unterzeichnet? Sie sind ja noch nicht volljährig.
Ter Stegen: Meine Mutter hat den Vertrag unterschrieben. Und meine Familie hilft mir dabei, immer weiter an mir zu arbeiten. Jetzt geht's ja erst richtig los mit der Fußball-Laufbahn.
SPOX: So richtig gestartet ist Ihr Fußballer-Leben am 12. September 2009. Erzählen Sie mal.
Ter Stegen: Ich habe beim Auswärtsspiel in Nürnberg zum ersten Mal bei den Profis auf der Bank gesessen. Das war ein super Gefühl, ins Stadion einzulaufen und sich vor über 30.000 Zuschauern warmzumachen. Die Atmosphäre war toll, ganz anders als bei unseren Spielen mit der U 19.
SPOX: Wie haben Sie davon erfahren, bei den Profis dabei zu sein?
Ter Stegen: Ich war bei einem Lehrgang der U-17-Nationalmannschaft. Durch einen Teamkollegen habe ich mitbekommen, dass Frederic Löhe bei der U 23 Rot bekommen hat, für zwei Wochen gesperrt wurde und ich im Profikader wäre. Logan Bailly war ja noch verletzt. Dann habe ich sofort im Internet auf borussia.de nachgeschaut und es stimmte. Zeitgleich bekam ich einen Anruf von Max Eberl und Roland Virkus (Nachwuchsdirektor bei Gladbach; Anm. d. Red.). Sie haben mir gesagt, dass ich dabei bin und mich dementsprechend darauf vorbereiten soll. Da wusste ich erst mal gar nicht, was ich sagen sollte.
SPOX: Vielleicht "super". Denn das ist es doch, worauf Sie die ganze Zeit hinarbeiten: im Kader der Profis zu stehen.
Ter Stegen: Ganz genau. Es war schon immer mein Traum, in der ersten Mannschaft zu spielen und die Nominierung gegen den Club war der erste Schritt.
SPOX: Mit welchem Spieler waren Sie vor dem Spiel im Hotelzimmer?
Ter Stegen: Mit Paul Stalteri. Ich kannte ihn vorher ja auch nur flüchtig vom Trainingsplatz. Durch die Gespräche auf dem Zimmer habe ich ihn besser kennengelernt. Er war supernett, hat mir einige Tipps gegeben und mir erzählt, wie es bei Auswärtsspielen so abläuft.
SPOX: Stalteri ist Kanadier. Wie haben Sie sich verständigt?
Ter Stegen: Das war ganz lustig. Er spricht zwar deutsch, englisch ist ihm aber viel lieber. Also haben wir auf Englisch kommuniziert. Das kam mir auch ganz gelegen, denn vom Unterricht in der Schule werde ich ja manchmal freigestellt. (lacht) Bei Stalteri konnte ich eine kostenlose Englischstunde nehmen.
SPOX: Also ein durchweg gelungenes Wochenende?
Ter Stegen: Ich habe viel gelernt, obwohl ich nicht gespielt habe. Natürlich wäre es schön gewesen, noch einige Male mehr im Kader zu stehen. Aber mit meinen 17 Jahren muss ich geduldig sein. Ich hoffe, dass ich in Zukunft immer mal wieder die Chance bekomme aufzurücken.
SPOX: Sie sind noch zwei Jahre lang für die A-Jugend spielberechtigt, trainieren aber schon regelmäßig bei den Profis. Logan Bailly ist als Nummer eins gesetzt, aber Christofer Heimeroths Vertrag läuft nach der Saison aus. Schielen Sie auf die Position als Nummer zwei?
Ter Stegen: Darauf schaue ich nicht. Es könnte ja auch sein, dass Christofer verlängert. Mein Ziel ist es, in der nächsten Saison näher an die Mannschaft heranzukommen.
SPOX: Was sagen eigentlich die Torhüter bei der U 23, Julien Jansen und Janis Blaswich, zu Ihrer Berufung in den Profikader? Fühlen sich die beiden übergangen?
Ter Stegen: Wir werden von den Trainern bewertet. Sie entscheiden, wer zum Einsatz kommt. Ich habe die ganze Saison gute Leistungen erbracht. Die Berufung in den Profikader war die Belohnung dafür. Ehrlich gesagt beschäftige ich mich nicht damit, ob sich Julien und Janis darüber ärgern.
SPOX: Erst der EM-Titel mit der U 17, dann die Berufung in Borussias A-Team, und bei der Wahl zum 'Nachwuchsspieler des Jahres' wurden Sie Dritter. Wo hängt die Medaille?
Ter Stegen: Ich habe Sie in meinem Zimmer gut aufbewahrt, genauso wie die anderen Pokale und Auszeichnungen. Mein schönstes Andenken hängt aber direkt über meinem Bett. Es ist mein Trikot von der Bundesliga. Eine nette Geste von unserem Zeugwart, der es mir nach dem Nürnberg-Spiel mitgegeben hat.
SPOX: Das nächste Highlight steht für Sie schon in Kürze an. Noch in diesem Monat beginnt die U-17-WM in Nigeria. Was erwarten Sie sich davon?
Ter Stegen: Ich möchte Weltmeister werden, ganz klar. Wir fahren dort als amtierender Europameister hin und sind einer der Turnier-Favoriten.
SPOX: Bestens vorbereitet für den Aufenthalt in Afrika sind Sie ja bereits. Im Vorfeld mussten Sie diverse Impfungen über sich ergehen lassen.
Ter Stegen: Das war ein anstrengender Akt. Wir wurden gleich mehrfach geimpft, erst kürzlich habe ich drei Spritzen auf einmal bekommen. Von Tollwut über Typhus bis hin zu den Grundimpfungen gegen Polio und Hepatitis war alles dabei. Bei der WM bekommen wir noch eine Malaria-Prophylaxe vor Ort. Dort müssen wir dann eine Tablette am Tag einnehmen. Aber wenn es zu einem erfolgreichen Abschneiden beiträgt, lasse ich das gerne über mich ergehen.
SPOX: Bei einem WM-Sieg hätten Sie etwas geschafft, was Ihr Vorbild Oliver Kahn nie erreichte. Kürzlich sagte er im SPOX-Interview, Deutschland hätte momentan keinen Weltklasse-Torhüter. Wie sehen Sie das?
Ter Stegen: Ich kann Oliver Kahn doch nicht widersprechen. Er war selbst einer der größten Torhüter. Er weiß, was in den Köpfen der Keeper vor sich geht und kann am besten einschätzen, ob sich jemand auf Weltklasse-Niveau bewegt oder nicht. Ich dagegen bin gerade mal 17 Jahre alt. Mir steht es nicht zu, Rene Adler oder Robert Enke zu bewerten.SPOX: Adler, Enke, Neuer, Wiese: Welchen der vier Keeper sehen Sie im Kampf um die Nummer eins beim DFB vorne?
Ter Stegen: Enke hat das Problem, dass er sich immer exakt in den Phasen verletzte, in denen er sich einen kleinen Vorsprung erarbeitet hatte und spielen sollte. Adler hat seine Sache gegen Südafrika, Aserbaidschan und Russland gut gemacht. Er hat Ruhe ausgestrahlt und wichtige Bälle gehalten. Momentan sieht es natürlich gut aus für Adler, aber bis nächsten Sommer kann noch viel passieren.
Rückblick U-17-EM: Marc-Andre ter Stegen und Reinhold Yabo im Doppelinterview