Bereits wenige Stunden nach dem 4:0 gegen Australien zum Turnier-Auftakt und dem beinahe schon überschwänglichen Lob aus aller Welt richtete Joachim Löw den Blick schon wieder Richtung Freitag.
Da wartet mit Serbien der nächste Gegner. "Ein gefährliches Spiel", wie der Bundestrainer sagt. Manche mögen darüber verwundert den Kopf schütteln, zu schwach zeigten sich die Serben am Sonntag beim 0:1 gegen Ghana, zu überlegen fegte Deutschland die gnadenlos unterlegenen Australier weg.
DFB-Team profitierte von australischer Taktik
Aber Löw hat sich vom Offensivspektakel nicht den Blick trüben lassen. Unmittelbar nach der Partie hatte er auf der Pressekonferenz schon erste Fehler angesprochen, die seine Spieler zeitgleich in der Mixed Zone quasi im selben Wortlaut wiedergaben.
Deutschland profitierte beim 4:0 sehr davon, dass sich Australiens Trainer Pim Verbeek nicht für die bedingungslose Defensive entschied, sondern den Deutschen mit Pressing zusetzen wollte.
Viel Platz für Özil
In den ersten Minuten funktionierte das auch ganz gut, dann aber liefen die drei offensiv orientierten Cahill, Garcia und Emerton immer wieder ohne Unterstützung aus dem Mittelfeld auf die deutsche Viererkette, die sich dadurch schnell befreien konnte und den Ball flach auf einen der beiden defensiven Mittelfeldspieler Schweinsteiger oder Khedira transportierte.
Im 4-4-2 der Aussies fehlte im Zentrum genau derjenige Spieler, der sich um Mesut Özil hätte kümmern können. Der Bremer hatte im deutschen 4-2-3-1 unheimlich viel Platz und Zeit, kam immer wieder in den Rücken von Grella und Valeri und hatte so genügend Möglichkeiten, die Bälle in die Gasse zu spielen.
Verbeek stellt erst nach dem 0:2 um
Australien lud die deutsche Mannschaft also quasi ein. Nach 20 Minuten wollte Verbeek schon reagieren, seine Formation stellte er aber erst nach dem 0:2 durch Miro Klose auf 4-3-3 um.
Özil hatte jetzt immer einen Gegenspieler in seinem Dunstkreis, das deutsche Spiel war kurz vor und vor allen Dingen in den ersten zehn Minuten nach der Pause längst nicht mehr so druckvoll. Da war Australien beinahe auf Augenhöhe, bis zur Roten Karte gegen Cahill.
Abhängig von Özil
Auch den Serben dürfte aufgefallen sein, wie abhängig Deutschland jetzt schon von Özil ist - und sie werden darauf anders reagieren als es die Australier vermochten.
Insgesamt zeigte Deutschland natürlich eine sehr reife, fintenreiche Offensivleistung. Allerdings litten wichtige Defensivaktionen darunter. Vor allem im defensiven Mittelfeld stimmte die Ordnung einige Male nicht.
"Die Ordnung hat gefehlt"
Khedira hatte offenbar die klare Anweisung, bei deutschem Ballbesitz schnell in die Tiefe zu starten. Gegen einen schwachen und langsamen Gegner wie Australien ein prima Rezept, das so gegen stärkere Kontrahenten in der Art aber nicht zu realisieren ist.
"Uns hat einige Male die Ordnung gefehlt. Das müssen wir in den kommenden Spielen noch besser machen", sagte Schweinsteiger nach dem Spiel. In der Tat mussten er und Khedira einige Male dem Ball hinterherrennen, statt ihn - wie im Idealfall - vor sich zu haben.
Wenig Hinterarbeit der Außen
Die Sechser sind in erster Linie für die Ordnung im Spiel verantwortlich. Da gab es noch ein paar Lücken im System.
Dazu kam, dass die beiden Flügelspieler Thomas Müller und vor allen Dingen Lukas Podolski verhältnismäßig wenig nach hinten gearbeitet haben. Müller steigerte sich dabei in der zweiten Halbzeit.
Podolski aber verlor seine Seite öfter aus den Augen, nur konnte der Gegner dieses Mal keinen Vorteil daraus schlagen.
Feintuning in den verbleibenden Spielen
Gleich nach dem Spiel wies Löw seine Viererkette an, nicht zu tief zu stehen. Zwar stimmten die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen fast immer, der ganze Block verschob aber zehn Meter zu nah am deutschen Tor.
Gegen die harmlosen Aussies war das kein Problem, weil hinter dem einen angedeuteten Stürmer so schnell kein Mittelfeldspieler mit in die Spitze stoßen konnte, um dort für Gefahr zu sorgen.
Gegen einen Gegner mit einem oder sogar zwei Stürmern dürfte das aber schnell zu einem echten Problem werden. Die beiden verbleibenden Vorrundenspiele sollten - ohne überheblich zu klingen - als Chance gesehen werden, um das Feintuning zu justieren.
Mannschaft braucht Steigerungskurve
Es sind nicht viele Kritikpunkte, die Löw bis zum nächsten Spiel zu besprechen und trainieren hat. Zumal der Bundestrainer clever genug sein wird, um seine Mannschaft auch auf die Serben perfekt einzustellen. Aber es gibt sie eben noch. Und daran gilt es zu arbeiten.
Denn für den ganz großen Wurf gilt auch bei dieser WM: Eine Mannschaft braucht in einem Turnier, in diesen vier Wochen, auf die die Planungen von mehr als zwei Jahren gerichtet sind, eine Steigerungskurve.
Zum richtigen Zeitpunkt die bestmögliche Leistung abzurufen, unterscheidet talentierte von großen Mannschaften.