Das 0:1 gegen Serbien sorgt für "Wut und Enttäuschung" im Lager des DFB-Teams, wie es Bastian Schweinsteiger ausdrückt. Die Emotionen beziehen sich aber nicht nur auf die unnötige Niederlage und die Leistung, sondern auch auf den Schiedsrichter aus Spanien, der mit seiner kleinlichen Linie viel Kritik erntete. Aber auch sportlich gibt es einiges zu bereden.
Es kommt nicht zu oft vor, dass Joachim Löw ein bisschen austickt. Dass er wild fuchtelnd mit den Armen rudert, auf den vierten Offiziellen losgeht oder seine Trinkflasche zornig zu Boden schleudert.
Das Spiel seiner Mannschaft gegen Serbien wühlte den Bundestrainer aber auf. So sehr, dass er sich zu völlig fremden Gemütsäußerungen hinreißen ließ.
Nachdem Lukas Podolski mit seinem Elfmeterfehlschuss die große Chance auf das Remis vergeben hatte, stellte sich Löw fast trotzig einige Momente mit dem Rücken zum Spielfeld und schüttelte fassungslos den Kopf.
Wie ein enttäuschter Vater, dessen Söhne sich nicht an seine Regeln gehalten haben.
In diesen Momenten hatte sich der sonst so bedachte Löw nicht im Griff, hier kehrte er sein Innenleben deutlich sichtbar nach außen.
Klose gegen Undiano
Es war aber auch wirklich nicht der Tag der deutschen Mannschaft gewesen im Stadium Nelson Mandela Bay in Port Elizabeth. Und es war nicht Joachim Löws Tag. Aber es war ein Tag der vielen kleinen Geschichten rund um ein handelsübliches Vorrundenspiel bei einer WM.
Da ist die Geschichte von Miroslav Klose, die gleichzeitig auch die Geschichte von Alberto Undiano ist und eine Grundsatzdebatte auslösen könnte. Er wollte sich "von Beginn an Respekt verschaffen", hatte sich der Unparteiische vor dem Spiel vorgenommen.
In der 37. Minute sah Klose nach einem eher harmlosen Foul vom übereifrigen Spanier die Gelb-Rote Karte.
"Es war kein böses Foul. Der Schiedsrichter hätte mich auch nochmal ermahnen können, statt Gelb zu zeigen", sagte Klose und erinnerte an die rustikalen Wurzeln des Spiels: "Fußball ist ein Kampfsport, dazu gehören nunmal auch Zweikämpfe."
Debatte um kleinliche Spielleitung
Undiano trieb die pedantisch kleinliche Linie seiner Kollegen bei der WM auf die Spitze, verteilte satte neun Gelbe Karten in einem Spiel, das weder rüpelhaft noch übermäßig aggressiv geführt wurde, sondern nur ein ganz normales Fußballspiel war.
Noch unsinniger erscheint die Kartenausbeute beim Blick auf die Gesamtheit aller Vergehen im Spiel. Nur 29 Fouls zählten die fleißigen Statistiker der FIFA, das macht eine Verwarnung für rund jedes dritte Foulspiel. Lediglich Nemanja Vidic' Handspiel fiel da aus der Reihe.
Bastian Schweinsteiger eröffnete danach eine grundsätzliche Diskussion über die Unparteiischen der Titelkämpfe und ihren überkorrekten Stil. Sie wird die nächsten Spiele noch überdauern, auch andere Spieler haben sich darüber bereits beschwert.
Einige Serien purzeln
Eine andere Geschichte schreiben die vielen historischen Fußnoten. Lukas Podolskis Fehlschuss beim Elfmeter in der zweiten Halbzeit war der erste eines deutschen Spielers aus dem Spiel heraus bei einer Weltmeisterschaft seit 1974, die Vorrunden-Niederlage die erste seit 24 Jahren (damals 0:2 gegen Dänemark).
Für die glückseligen Serben, die sich aus dem Off wieder ganz dick ins Rennen um den Einzug ins Achtelfinale gespielt haben, war es der erste Sieg über Deutschland seit 37 Jahren. Damals gewann Jugoslawien mit 1:0 in einem Freundschaftsspiel in München und es war der erste Pflichtspielsieg seit dem 1:0 im WM-Viertelfinale von Chile 1962.
Serbien einfach cleverer
Die Serben hatten es bestens verstanden, der deutschen Mannschaft mit relativ einfachen Mitteln beizukommen. Coach Radomir Antic machte einen großen Schwachpunkt im Spiel des Gegners aus und ließ den von seinen Spielern penetrant bearbeiten.
Milos Krasic wirbelte der Notlösung Holger Badstuber auf der linken Abwehrseite nur so um die Ohren. Immer wieder wanderte der Ball rüber zu Krasic, immer wieder wurde es gefährlich. Hier hatten die Serben ihrem Gegner deutlich etwas voraus.
Nach nur 19 Minuten waren beide serbischen Außenverteidiger mit Gelb bedacht. Aber anders als der Gegner verstand es Deutschland nicht, diese noralgischen Punkte so zu bespielen, um entweder Gefahr zu entwickeln oder aber einen Platzverweis zu provozieren.
Wie groß der Schnelligkeitsunterschied zwischen Badstuber und Krasic war, verdeutlicht die Statistik: Der Maximal-Speed des Bayern lag bei rund 22,5 km/h. Krasic erreichte in der Spitze 30 km/h.
Löws Wechsel ohne Wirkung
Vielleicht hätte Joachim Löw da früher reagieren müssen. Aber mit seinen Wechseln - und das ist die letzte Geschichte dieser Partie - lag er leider ziemlich daneben.
Als er Marko Marin und Cacau in der 70. Minute aufs Feld schickte, nahm er dafür Thomas Müller und Mesut Özil vom Platz. Und damit seinen Passspieler. Özil erwischte zwar einen schwachen Tag, war aber in vereinzelten Szenen doch immer noch für einen Geistesblitz gut.
Da sich Schweinsteiger bis dahin schon fast restlos verausgabt hatte, fehlte es Deutschland plötzlich an der ordnenden Hand im Mittelfeld, der Druck der Minuten zuvor war wie verflogen. Wenig später kam auch noch Mario Gomez ins Spiel und von da an sollte der Stürmer Cacau die Aufgabe des Passgebers erfüllen, scheiterte aber grandios.
"Wut und Enttäuschung"
Immerhin bleibt Deutschland noch die Chance auf Wiedergutmachung und eine veritable Möglichkeit, das Achtelfinale noch aus eigener Kraft zu erreichen. Helfen soll dabei eine Mischung aus Trotz und Zorn.
"Das Spiel dürfen wir nicht verlieren, auch nicht mit zehn Mann. Mir fehlen fast die Worte. Ich verspüre Wut und Enttäuschung", sagte Schweinsteiger nach dem Spiel. Ghana soll diese Wut am kommenden Mittwoch zu spüren bekommen.
Joachim Löw wird dann wieder gelassen am Spielfeldrand stehen. Zumindest wird er es sich so vornehmen.
Schweinsteiger im Interview: "So macht es keinen Spaß mehr!"