Der 11. Februar 2009 war ein wichtiger Tag für die deutsche Nationalmannschaft. Nicht, weil die Auswahl von Joachim Löw nach dem Testspiel gegen Norwegen und einem 0:1 aus der Arena in Düsseldorf gepfiffen wurde - was derzeit sogar schon bei 4:0-Siegen der Fall zu sein scheint.
Und auch nicht, weil Torsten Frings in jenem farblosen Spiel seine letzten Atemzüge im DFB-Dress gemacht hat. Dem Bundestrainer kam kurz vor dem Ende die fixe Idee, einen jungen Bremer einzuwechseln und damit unwissentlich den Grundstein für eine Entwicklung zu legen, mit der es die Mannschaft endgültig wieder zurück in die Weltspitze geschafft hat.
Mesut Özil gab sein Debüt auf der linken Seite im deutschen Mittelfeld, in einem klassischen 4-4-2. Weil dieses System vom Bundestrainer noch immer bevorzugt wurde. Auch wenn einige Highlight-Spiele bereits mit nur einer Spitze gestaltet wurden, unter anderem der Sieg gegen Portugal bei der EM 2008.
Die Trendwende kam mit Özil
Mit Özil hielten aber plötzlich auch neue Möglichkeiten Einzug. Einen ersten Hinweis sollte das 2:0 im Testspiel gegen Südafrika geben, in dem Özil zum ersten Mal zentral hinter einer Spitze agierte und groß aufspielte. Die Trendwende war dann rund einen Monat später das 1:0 von Moskau im Oktober 2009. Die Qualifikation für die Welttitelkämpfe, die Erfindung des deutschen 4-2-3-1.
Seitdem ist die alte DFB-Logik im Spitzenbereich in der Schublade verschwunden. Das Dogma von der U 15 bis hinauf in den Seniorenbereich hieß 4-4-2. Je höher die Altersstufe aber wird, desto schwammiger wird die alte Regelung angewandt.
Die U 21 ist nicht erst seit gestern der wichtigste Unterbau der Nationalmannschaft, gut zwei Drittel des aktuellen Kaders speist sich aus Spielern, die aus der U 21 in die Mannschaft gerückt sind. Letzten Freitag spielte die deutsche Nachwuchsauswahl gegen die Niederlande. Mit nur einem nominellen zentralen Stürmer, in einem 4-2-3-1.
Es war zumindest bemerkenswert, dass Jogi Löw am vergangenen Samstag mit der Einwechslung von Mario Gomez wieder einmal in die fast schon vergessene Schublade griff und die Mannschaft gegen einen klar unterlegenen Gegner eine halbe Stunde lang im beinahe ausgedienten System spielen ließ.
Völlig neu formierte Mannschaft gegen Australien
Wenn am Dienstagabend (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) dann in Mönchengladbach eine völlig neu formierte deutsche Mannschaft auf Australien trifft, wird der Bundestrainer vermutlich nicht nur frisches Personal, sondern zwischen durch mal wieder eine gut abgehangene Formation testen.
"Wir haben mehrere Optionen", sagte Co-Trainer Hansi Flick am Montag. "Wir müssen uns noch genau überlegen, wie wir das angehen werden. Wir haben die Australier genau analysiert. Es könnte sein, dass wir unser System umstellen." Löw will sich auf jeden Fall eine gewisse Flexibilität oder zumindest eine Art doppelten Boden bewahren.
In bestimmten Spielsituationen muss man sich auch umorientieren können und das gewünschte Ergebnis auf einem anderen Weg erzielen. Vor gut zwei Wochen sind die Bayern in der Champions League an Inter Mailand gescheitert. Die Bayern-Offensive war nach einem Feuerwerk in der ersten Halbzeit im zweiten Durchgang quasi nicht mehr existent.
Bayern ohne zweites System
Als dann auch noch Arjen Robben verletzt vom Feld musste, wechselte Trainer Louis van Gaal positionsbezogen mit Hamit Altintop. Es gab nicht wenige, die sich bei einem Zwei-Tore-Vorsprung eine zusätzliche defensive Absicherung gewünscht hätten.
Das hätte allerdings einer Systemumstellung bedurft. Und die hätte die Mannschaft derzeit nicht einstudiert, wie van Gaal in einem Pressegespräch wenige Tage später indirekt zugab. Insofern wäre der Schritt hin zu einem doppelten Test, mit schwer rotierendem Personal und einem ungewohnten System, gegen die Australier nachvollziehbar.
Zumal sich einem Bundestrainer deutlich weniger Gelegenheiten zum Experimentieren bieten als jedem Vereinstrainer der Welt. Nur ginge er damit auch das kalkulierte Risiko, die offenbar sehr verwöhnten oder bei saftigen Ticketpreisen eben auch erwartungsfrohen Fans erneut zu enttäuschen.
Am Montagnachmittag waren von rund 45.000 Tickets im Borussia Park lediglich 25.000 verkauft. "Die 30.000 wollen wir schon knacken. Andere Länder wären froh, wenn sie 30.000 Fans bei so einem Spiel hätten", sagt Flick. Aber selbst dann bliebe ein zu einem Drittel leeres Stadion.
Pfiffe werden in Kauf genommen
Nach den überzogenen Pfiffen von Kaiserslautern wird Löw im schlimmsten Fall auch jene in Mönchengladbach in Kauf nehmen. Die Testzwecke werden voll ausgeschöpft. So richtig verstehen kann die Mannschaft die Unmutsbekundungen auch einige Tage nach dem Kasachstan-Spiel nicht.
"Wir wissen auch, dass wir schon besser gespielt haben. Aber wenn es Leute gibt, die die negativen Dinge sehen wollen, dann ist es halt so", sagt Arne Friedrich: "Aber einige sollten einfach mal auf die Tabelle schauen. Wir sind bisher schließlich astrein durch die Qualifikation gekommen."
Er muss es wissen. Friedrich ist nach Miroslav Klose der Dienstälteste im Kader. Seit 2002 ist er dabei. Damals spielte die deutsche Nationalmannschaft noch mit Libero.
Die deutsche EM-Qualifikationstabelle im Überblick