Eigentlich könnte Mano Menezes ein paar schöne Tage im Ländle verbringen: Entspannte Flugreise nach Stuttgart, Genuss der schwäbischen Küche, dann ein sportlich eher wertloser Test beim deutschen Lieblingsgegner, gegen den Brasilien in 20 Spielen nur dreimal verlor, zuletzt vor knapp 18 Jahren. Und Ende der Woche dann wieder zurück an den Zuckerhut.
Ein schönes Szenario, das es nur leider für den brasilianischen Nationaltrainer in dieser Form nicht geben wird. Denn Menezes steht mächtig unter Druck. Manch einer spricht gar schon von einer letzten Chance.
Steigendes Misstrauen gegen den Trainer
Dabei hatte vor einem Jahr alles so gut begonnen: Nach der tristen Ära Dunga sollte Menezes für eine Blutauffrischung der Selecao sorgen. Offensiver Fußball, neue Talente - den brasilianischen Fans sollte endlich wieder etwas fürs Auge geboten werden.
DFB-PK vor dem Länderspiel gegen Brasilien
Seinem neuen Coach versprach der sonst so unberechenbare Verbandspräsident Ricardo Teixeira langjährige Treue und Zeit für den Neuaufbau der Mannschaft. Es folgte ein lockeres 2:0 gegen die USA mit einem Tor von Talent Neymar nach einer ordentlichen Vorstellung mit Offensivfußball - Texeiras Rechnung schien aufzugehen.
Im August 2011, ein Jahr nach Menezes' Einstand, stellt sich die Situation anders dar. Ein vorzeitiges Aus bei der Copa America und eine schlimme Bilanz gegen große Gegner stehen zu Buche - ein Unentschieden gegen Holland sowie Niederlagen gegen Argentinien und Frankreich. Dies sind die Hauptmotive für das steigende Misstrauen gegen den Nationaltrainer, der zuvor so erfolgreich bei Gremio Porto Alegre und Corinthians Sao Paulo gearbeitet hatte.
Neymar vor Wechsel zu Real Madrid
Und so übernahm der Nationaltrainer selbst die Initiative und ergriff die Flucht nach vorn. Drei Testspiele innerhalb kurzer Zeit stehen an. Gegner: Deutschland, Italien und Spanien.
"Die jungen Spieler müssen reifen und das können sie am besten in solchen Spielen", sagt Menezes, der seine beiden Supertechniker Neymar und Ganso trotz eines wichtigen Spiels am Mittwoch mit dem FC Santos für die Europareise abgezogen hat. Beide waren zuletzt in die Kritik geraten, weil sie im Trikot der Selecao nicht solch starke Leistungen wie im Verein gebracht hatten.
"International haben sie nicht den Spielraum wie in Brasilien. Deshalb müssen sie jetzt damit umgehen lernen, und das können sie nur, wenn sie gefordert werden", sagt Menezes. Das könnte zumindest im Falle von Neymar ohnehin bald auch auf Klubebene der Fall sein. Der 19-Jährige wird nach Informationen der spanischen Sportzeitung "Marca" nach der Klubweltmeisterschaft der Vereine im Dezember vom FC Santos zu Real Madrid wechseln. Dann könnte er sich wöchentlich mit den besten Fußballern Europas messen. In Kürze soll der Transfer offiziell gemacht werden.
Die Medien bringen andere Namen ins Spiel
Insgesamt aber ist die Gewöhnung der Spieler an den hohen Druck ein Prozess, der Zeit erfordert. Die Medien allerdings drängen bereits und beginnen an den Fähigkeiten des brasilianischen Trainers zu zweifeln. Andere Namen werden ins Spiel gebracht, etwa von Luis Felipe Scolari, der mit Brasilien 2002 in Japan Weltmeister wurde und derzeit bei Palmeiras arbeitet. Auch der Name von Muricy Ramalho, Trainer des FC Santos, fällt häufig. Ramalho hätte ursprünglich an Menezes' Stelle verpflichtet werden sollen, sagte jedoch ab. Und diese Absage dürfte auch gegen eine mögliche Verpflichtung sprechen.
Mittlerweile zweifelt Brasilien aber nicht nur am Trainer, sondern auch an der Belastbarkeit der Mannschaft drei Jahre vor der WM im eigenen Land. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mannschaft diesem Druck standhalten kann", sagt Leandro Quesada, Reporter von "Radio Bandeirantes" und 2014 zum fünften Mal bei einer WM dabei.
"Welchen Topspieler haben wir in Europa?"
Mauro Naves, Reporter von "TV Globo" und am Mittwoch in Stuttgart, sieht es ähnlich: "Welchen Topspieler haben wir denn derzeit in Europa? Mir fällt kein Name ein. Vor einigen Jahren hatten wir Ronaldo, Rivaldo, Adriano, Kaka oder Ronaldinho. Heute haben wir mit Ganso, Pato, Neymar und Lucas lediglich Hoffnungsträger", sagt Naves, der trotzdem davon überzeugt ist, dass Brasilien 2014 eine starke Mannschaft präsentieren wird. Ob der Trainer dann aber noch Mano Menezes heißen wird, mag er nicht vorhersagen.
Und so könnte der Vergleich am Mittwoch mit Deutschland (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) aus brasilianischer Sicht äußerst interessant werden.
"Es wird sehr schwer für uns", sagt Mano Menezes, der möglicherweise zunächst etwas defensiver beginnen wird als zuletzt, vielleicht sogar mit Neuling Ralf auf der Sechserposition. Zur Aufstellung will sich der Trainer erst am Dienstag äußern und bis dahin an einer Strategie basteln, mit der er Deutschland das Leben schwer machen will.
Und wer weiß, vielleicht kann sich Menezes nach seinem ersten Sieg gegen ein Topteam dann doch noch den schönen Seiten des Schwabenlands zuwenden.
Mano Menezes im Steckbrief