Der Boulevard war mal wieder schnell bei der Hand mit der Kreation des neuen Rufnamens: "Götzil" taufte die Berliner "BZ" das angebliche neue Wundertandem Mesut Özil und Mario Götze.
Ohne dass beide bisher je im zentralen Mittelfeld miteinander gespielt hätten.
Und offenbar auch ein wenig voreilig, wenn man den Ausführungen von Bundestrainer Joachim Löw am Donnerstag folgte: Im EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich am Freitag in Gelsenkirchen (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) wird die Dortmunder Hoffnung beim Anpfiff die Bank wärmen und mit Özil nur die eine Hälfte der neuen deutschen Verheißung starten.Auf 58 Minuten beschränkt sich das gemeinsame Treiben der beiden im DFB-Dress, zuletzt hatte Götze in Abwesenheit Özils eine Art Durchbruch beim Brasilien-Spiel.
Aber auch wenn der 19-Jährige gegen Österreich nicht in der Startelf stehen wird, stellt sich dem Bundestrainer bereits in naher Zukunft die Frage, ob er sein Mittelfeld neu ausrichten muss - oder will.
Kein starres System
An der grundsätzlichen Anordnung will sich Löw dabei nicht reiben. Hier ist eine gewisse Flexibilität und Interpretationsgabe seiner Spieler gefordert. Im letzten Test in Stuttgart variierte das Mittelfeld zwischen dem gewohnten 4-2-3-1 und einem verkappten 4-1-4-1, mit Bastian Schweinsteiger oder bei Bedarf Toni Kroos als alleinigem Sechser vor der Abwehr.
Die jeweilige Spielsituation ist dabei der Regulator, der die abstrakten Zahlenkombinationen auf den Rasen projiziert - und nicht eine strikte Vorgabe des Bundestrainers.
"Für mich sind das minimale Unterschiede. Unsere Anordnung im Mittelfeld gibt uns die Möglichkeit, mit drei Mittelfeldspieler völlig variabel zu spielen. Dabei wollen wir gar nicht immer die Sechserposition doppelt besetzt haben", sagt Löw. "Es ist Variabilität gefragt. Ich lege mich nicht fest auf ein 4-2-3-1 oder was auch immer..."
Warum nicht Özil und Götze?
Diese neue Freiheit speist sich aus dem Fundus an Spielern, der Löw mittlerweile zur Verfügung steht. Und der den Bundestrainer quasi nötigt, die Formation im Herzen des Spiels wandelbar zu organisieren.
Die Frage, ob Özil und Götze gemeinsam im Zentrum spielen können, ist da nur eine von vielen. Wobei der Bundestrainer mit seinen Überlegungen in dieser Richtung schon recht weit ist. "Selbstverständlich können die beiden zusammen spielen. Ein spielstarkes Mittelfeld, das aber auch defensive Aufgaben erledigt, ist immer vorstellbar."
Kroos bedrängt Khedira
Bei den bislang sieben Länderspielen in diesem Jahr war das defensive Mittelfeld personell genau zweimal gleich besetzt: Gegen Italien und gleich danach im Quali-Spiel gegen Kasachstan begannen Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger. In den anderen fünf Partien würfelten Verletzungen, Testzwecke und Verschnaufpausen die Formation durcheinander.
Khedira hat stand bisher nur gut ein Drittel der möglichen 630 Spielminuten auf dem Feld, jetzt fehlt er gegen Österreich und am kommenden Dienstag in Polen erneut. Dem Madrilenen ist in Person von Toni Kroos bereits große Konkurrenz erwachsen. Auffällig oft fand Löw in den letzten Tagen lobende Worte für den Bayern.
"Ich bin sehr von Toni überzeugt. Wenn er gespielt hat, war unser Spiel immer sehr kreativ, lauf- und ballstark. Toni verarbeitet die Bälle gut, kann zwischen den Linien torgefährlich sein. Er hat als Zwischenspieler zwischen der Sechser- und Zehnerposition immer überzeugt, er hat dort immer viele gute Aktionen und findet Lösungen."
Kroos, dessen SPOX-Notenschnitt in diesem Jahr bei der Nationalmannschaft bei 2,9 liegt (vier Bewertungen), ist offensiv die bessere Alternative als Khedira. Der wird von Real-Trainer Jose Mourinho vor allen Dingen in den engen Spielen als reiner Abräumer missbraucht, Khediras ehemals beeindruckende Torgefahr ist in Madrids Spiel kaum ein Faktor.
Schwankungen bei Podolski
Dazu kann Kroos wirklich jede Position im Mittelfeld bekleiden, im Verein wechselt er sich vornehmlich mit Thomas Müller rechts in der Offensive oder in der Zentrale ab, zu seiner Zeit bei Bayer Leverkusen war er als linker offensiver Mittelfeldspieler einer der gefährlichsten der gesamten Liga.
Was unweigerlich die Rolle von Lukas Podolski ins Spiel bringt. "Er hat zuletzt seine enormen Qualitäten nicht immer zuverlässig abgerufen. Da waren mir zu viele Schwankungen drin", sagt der Bundestrainer, der mit dem Kölner das Gespräch suchen wird.Denn, das weiß Löw nur zu gut: "Der Lukas hat Fähigkeiten, die nur wenige haben. Wenn er die wieder einbringen kann, ist er nur schwer zu stoppen." Die nächsten Partien spielt der Kölner also auch unter besonderer Beobachtung.
Schweinsteiger als Aufpasser
Dass es in Zukunft mit vier offensiv orientierten Mittelfeldspielern weitergehen wird, erscheint auf Grund der großen Auswahl bei Spielern wie Thomas Müller, Andre Schürrle oder Marco Reus nur konsequent und ist auch der Tatsache geschuldet, dass Deutschland in Bestbesetzung jedem Gegner der Welt spielerisch beikommen kann. Spanien (noch) ausgenommen.
Löws Andeutung am Donnerstag unterstützt diese These: "Mario Götze ist für mich ein zentraler Mittelfeldspieler, ich sehe ihn auf Dauer klar im Zentrum. Die Außenbahnen sind eher für Spieler, die mit Tempo tief gehen und in die Schnittstellen kreuzen können. Götze aber muss das Spiel in seiner gesamten Breite und Tiefe vor sich haben."
Bastian Schweinsteiger wäre dann oft die Instanz vor der Abwehr. "Wenn man offensiv spielen will, ist das eine Option. Die Abstimmung muss dann eben passen", sagt er.
Seine eigenen Vorstöße dürften sich dann allerdings auf ein überschaubares Maß reduzieren. "Wenn zwei Spieler direkt vor mir sind, renne ich nicht auch noch weiter nach vorne." Dafür wären dann ja aber andere vorgesehen.
EM-Quali: Die deutsche Gruppe A