"Wir wissen, dass es ein hartes Stück Arbeit wird", sagt Bundestrainer Joachim Löw. Bei einem Sieg wäre das Wunsch-Viertelfinale im Danziger Stadion, nur rund 11 Kilometer entfernt vom Hotel, perfekt. Zugleich hätte eine deutsche Nationalelf erstmals bei einer EM eine Gruppe mit drei Siegen in drei Spielen abgeschlossen, was selbst bei den Titelgewinnen 1980 und 1996 nicht gelang.
Alles ist angerichtet für einen Erfolg im Duell mit den Dänen am Sonntag im ukrainischen Spielort Lwiw (20.45 Uhr). Doch die heile Welt bekommt Risse. Gegen das Gebot, öffentlich keine Kritik und keinen Frust zu äußern, hat Toni Kroos verstoßen. Der Münchner, der es beim FC Bayern München gegen starke Konkurrenz zum Stammspieler geschafft hat, ließ Dampf ab in einem Interview nach dem 2:1 gegen Niederlande.
Die Enttäuschung, dass er beim 1:0 gegen Portugal und dem 2:1 gegen die Niederlande jeweils nur in der Schlussphase eingewechselt wurde, sitzt tief. "Befriedigend ist das alles nicht. Gerade nach der Saison, die ich gespielt habe, ist es doch logisch, dass ich spielen will", sagte der 22-Jährige.
Kroos gibt Löw Aufstellungstipps
Dies zu äußern ist gerade noch legitim, obwohl in der Teamleitung erwartet wird, dass das Dasein eines Einwechselspielers geduldiger hingenommen wird. Die Kritik an der Leistung des Teams, am bisher eher defensiven Spielstil, dürfte Löw und der Teamführung aber gar nicht gefallen.
"Wir haben jetzt zweimal geführt, ich sehe es jetzt nicht ganz so, dass wir überragenden Fußball spielen. Sieht das für Sie so aus?", sagte Kroos in dem Gespräch mit einem Reporter der Münchner Zeitung "TZ".
Auf den Einwand, die erste Halbzeit gegen Holland wäre doch gut gewesen, sagte Kroos: "Nun gut, da sind wir dann etwas anderer Meinung. Ich finde, da geht noch immer was nach oben." Löw bekam von dem gebürtigen Rostocker sogar handfeste Aufstellungstipps: "Er hätte mich auch an diesem Abend gegen Holland bringen können. Oder eben im nächsten Spiel. Ich bin jederzeit bereit."
Seine Stellung dürfte der Mittelfeldspieler damit kaum verbessern. An Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger auf den beiden defensiven Positionen kommt er momentan nicht vorbei. Ob er als vielseitig einsetzbarer Spieler einen Thomas Müller oder einen Lukas Podolski verdrängen kann, ist sehr unwahrscheinlich.
Löw möchte nicht viel ändern. Mehrere personelle Alternativen zu testen, weil auch nur ein Punkt für den Gruppensieg reichen würde, wäre ein schlechtes Signal. Dass Podolski, der gegen die Dänen als jüngster Spieler Europas die Grenze von 100 Länderspieleinsätzen erreichen wird, unter Beobachtung steht, könnte erst ab nächster Woche in der K.o.-Runde ein wirkliches Thema werden.
Prozess des "Einspielens" dauert an
Grundsätzlich soll die Leistung der DFB-Elf attraktiver werden. Kroos hat nur geäußert, was viele denken. Die EM-Siege fühlen sich gut an. Doch der Fußball der deutschen Mannschaft war von der WM 2010 in besserer Erinnerung. "Aber auch da haben wir Spiele gegen Ghana und Serbien gemacht, in denen es nicht so lief", sagte Löw vor dem Holland-Spiel, das ein Fortschritt war.
Er sieht seine Mannschaft noch immer im Prozess des "Einspielens" und hofft auf den Durchbruch. Torreich ins Viertelfinale zu stürmen, würde dem 52-Jährigen gefallen. Am Sonntagabend die Millionen Fans in Deutschland richtig zu verzücken, vielleicht Zauber-Fußball zu bieten, ist aber nur bedingt planbar. Es wird wohl beim Motto "Safety First" bleiben.
Bender erste Wahl als Boateng-Ersatz
Löw und seine Assistenten halten die Dänen wirklich für einen unangenehmen Konkurrenten. Das Schlagwort vom "danish dynamite", das aktuell war, als Löw selbst noch spielte, griff der Bundestrainer kürzlich auf. "Mit Morten Olsen haben sie einen sehr guten Trainer. Die Mannschaft interpretiert das System 4-2-3-1 sehr gut. Das spielen sie stoisch 90 Minuten hinweg", sagte Löw-Assistent Hansi Flick.
Die eigenen taktischen Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Ersatz gefunden werden muss für den gesperrten Rechtsverteidiger Jerome Boateng. Lars Bender könnte die erste Wahl sein, aber Philipp Lahm kann von der linken auf die rechte Seite rücken und Marcel Schmelzer als linker Außenverteidiger auflaufen.
Als dritte Variante nannte Löw einen "System-Umbau" von einer Vierer- auf eine Dreierkette, womit eventuell ein weiterer Mittelfeldspieler aufgeboten würde. Kritiker Kroos dürfte hoffen. Wenn er sich mit seinen Aussagen nicht schon verdribbelt hat.
Toni Kroos im Steckbrief