Die deutsche A-Nationalmannschaft testet im Trainingslager in Südtirol erstmals gegen die eigene U 20. Deren Trainer Frank Wormuth zeigt sich im SPOX-Interview erfreut über die Erfahrung und den Austausch mit Bundestrainer Joachim Löw.
Frage: Herr Wormuth, erstmals spielt die deutsche Nationalmannschaft während der Vorbereitung auf ein Turnier nicht gegen eine Regionalauswahl, sondern gegen eine U-Mannschaft des eigenen Verbands. Wie kam diese Idee zustande, gab es da irgendwelche Vorbilder?
Frank Wormuth: Ich weiß, dass das Spanien schon seit drei Jahren macht, auch die Argentinier nahmen bereits ihre Junioren-Nationalmannschaft mit ins Trainingslager. Hansi Flick und Joachim Löw haben mich bei einem Abendessen während der U-Trainertagung angesprochen und fragten, ob ich mir das vorstellen könne. Und ich habe sofort zugesagt!
Frage: Worin liegt in dieser Konstellation der größte Vorteil?
Wormuth: Es ist einfach effektiver, als gegen eine Regionalauswahl zu spielen, die die Niederlage so gering wie möglich halten möchte und sich nur hinten rein stellt. Und es ist auch besser, als wenn die A-Elf zwei Mannschaften bildet und gegeneinander spielt. Unsere U 20 hat neben ihrer technischen und taktischen Klasse auch einen gewissen Ehrgeiz, die Teams kennen sich nicht gegenseitig. Dadurch ist der Wettkampfcharakter deutlich höher.
Frage: Gibt es auch einen Vorteil für Sie als Trainer?
Wormuth: Wenn man den Fußballlehrerlehrgang drei Jahre lang aufbaut, verkommt man irgendwann zum Theoretiker - auch wenn ich zuvor schon 20 Jahre als Trainer tätig war. Durch meine vier Jahre bei der U 20 erkenne ich: Das eine ist Theorie, das andere Praxis. Wenn ich jetzt mit den angehenden Fußballlehrern diskutiere, kann ich gewisse Themen zur U 20 mitnehmen, sie austesten und dann im Lehrgang mit Bildern demonstrieren. Das hilft mir sowohl als Coach, als auch als Dozent vor der Gruppe.
Frage: Das erste Testspiel, das über vier Mal 20 Minuten ging, verlor Ihr Team mit 1:7. Frustrierend, oder?
Wormuth: Nein, frustrierend ist das überhaupt nicht. Wir sind hier Trainingspartner - und nicht Gegner. Wichtig für uns ist: Wir werden von der A-Nationalmannschaft gebrieft, wie wir zu spielen haben. Dadurch öffnen wir manchmal auch Tor und Tür. Das Ergebnis ist bei allem Ehrgeiz doch eher unwichtig, sondern dass wir die A-Elf in den festgelegten Schwerpunkt hineinbekommen.
Frage: Was meinen Sie damit?
Wormuth: Wir sollten vorne attackieren und dort dann ein bisschen so wie Chile Eins-gegen-eins spielen. Dazu mussten wir tief stehen und nach Ballgewinn ein Konterspiel aufziehen. Und um noch einmal auf das deutliche Ergebnis zurück zu kommen: Wenn wir also im Angriffspressingverhalten Eins-gegen-eins über den ganzen Platz spielen sollen, dann ergeben sich automatisch Tormöglichkeiten für den Gegner - zumal wir ja nicht gegen irgendjemanden spielen.
Frage: Ist es schwer, die Spieler auf die unterschiedlichen Herangehensweisen einzustellen?
Wormuth: Nein, das ist kein Problem. Ich sage ihnen, was wir zu tun haben, wir schauen uns dazu ein paar beispielhafte Szenen an und dann wird das trainiert.
Frage: Wie sprechen Sie sich mit dem Bundestrainer genau ab?
Wormuth: Das ist gänzlich unkompliziert. Entweder wir telefonieren oder ich fahre rüber ins Mannschaftshotel der A-Elf und dann klären wir das dort beim Mittagessen. Dieses Vorgehen ist an sich auch nichts Weltbewegendes, das gibt es im Vereinsfußball ja auch ständig: Die B-Mannschaft versucht, die A-Mannschaft in vorher festgelegte Situationen zu bringen, um diese zu trainieren.
Seite 1: "Trainingspartner und nicht Gegner"
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Frage: Was würde denn für das nächste Spiel vereinbart?
Wormuth: Da geht es beim A-Team um Mittelfeldpressing und schnelles Kontern nach Balleroberung. Für uns heißt das: Wir sind am Ball, eröffnen das Spiel und versuchen, das Mittelfeldpressing auszuspielen und ins letzte Drittel zu kommen. Aber nicht mit langen Bällen, sondern flach und vertikal - auch mit dem Risiko, den Ball zu verlieren. Verlieren wir auf diesem Weg den Ball, müssen wir entweder ganz schnell umschalten oder den Gegner situativ sofort unter Druck setzen, damit er nicht ins Konterspiel kommt. Grundsätzlich gilt: Wir konzentrieren uns nicht darauf, eine spezifische Mannschaft, sondern vielmehr taktische Verhaltensweisen zu imitieren, die viele Mannschaften auf den Platz bringen.
Frage: Darf die U 20 überhaupt gewinnen? Sonst würde es doch hinterher nur heißen, die A-Elf schlägt nicht einmal eine Jugendmannschaft.
Wormuth: Glauben Sie, die Jungs wollen nicht siegen? Natürlich dürfen wir gewinnen. Das Team ist total motiviert. Ich habe ihnen aber gesagt, dass sie nur einen kleinen Rahmen haben, um Tore zu erzielen. Vor dem letzten Spiel gab ich ihnen mit auf den Weg, dass wenn wir Kontersituationen bekommen, die auch innerhalb von zehn bis zwölf Sekunden abgeschlossen werden müssen. Ich wollte nicht, dass sie den Ball erobern und dann hinten rumspielen, sonst bringt es ja für die A-Elf nichts. In diesen wenigen Angriffen besteht für sie aber die Chance, das Spiel zu gewinnen.
Frage: In den ersten 40 der 80 Minuten, die die Medienvertreter sehen durften, hatte die U 20 immerhin einige ordentliche Möglichkeiten.
Wormuth: Und dafür hat sich Jogi Löw auch bedankt - weil er Hinweise bekommen hat und damit nun arbeiten kann. Wir haben Situationen geschaffen, in denen Jogi sehen konnte, woran er mit seiner Mannschaft noch zu feilen hat. Das macht uns auch stolz. Die U 20 hat in diesem kleinen Zeitfenster von zehn, zwölf Sekunden der A-Nationalelf gezeigt: Daran müsst ihr noch arbeiten. Und damit haben wir unsere Aufgabe erfüllt.
Frage: Wie fangen Sie als Trainer die Emotionen Ihrer Spieler ein, damit sie nicht über die Stränge schlagen?
Wormuth: Wir lassen den Emotionen freien Lauf. Es wäre Quatsch, diese minimieren zu wollen. Die Spieler sollen ja engagiert sein. Wir bekommen als Schwerpunkt zwar taktische Hinweise, müssen uns als Gegner aber so verhalten, dass die A-Elf gefordert wird. Wir würden unsere Aufgabe also verfehlen, wenn wir uns zurücknehmen und nicht vernünftig in die Zweikämpfe gehen würden.
Frage: Es wäre doch aber der Super-GAU, wenn sich ein A-Nationalspieler bei einer dieser Partien verletzen und für die WM ausfallen würde.
Wormuth: Natürlich gibt es Situationen, in denen wir den Fuß zurückziehen und dadurch dem Gegner vielleicht auch eine Torchance einräumen. Es darf keine Grätschen von hinten oder von der Seite geben, aber frontal soll der Körper schon eingesetzt werden. Eine gesunde Härte ist erlaubt, mehr aber nicht.
Frage: Welches Feedback haben Sie denn von Ihren Spielern bekommen? Die meisten davon sind ja noch nicht auf solche qualitativ hochwertigen Kontrahenten getroffen.
Wormuth: Wir saßen nach dem ersten Spiel zusammen und haben genau darüber diskutiert. Die Jungs fanden es unglaublich, wie sich die A-Nationalspieler auf engstem Raum behaupten können. Gerade die Leichtigkeit, mit der sie sich aus einer Umklammerung im Zweikampf lösen können, war für sie faszinierend. Sie haben zwar ständig versucht, dem Ballführenden die Kugel abzunehmen, es aber kaum geschafft. Der Unterschied allein in der Technik war für sie beeindruckend und ein gutes Lehrbeispiel.
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