Die kuriose Karriere des Jerome Polenz und wie er fast zur WM nach Brasilien gefahren wäre. Der Ex-Bremer über Algerien, deren Nationaltrainer Vahid Halilhodzic und sein Australien-Abenteuer in der A-League.
SPOX: Herr Polenz, Ihre Zeit in Deutschland verlief nach einem vielversprechenden Start bei Werder Bremen, wo Ihr Weg über die Jugend bis in den Bundesligakader führte, nicht wirklich rund. Neben einer schweren Knieverletzung bei Alemannia Aachen blieb vor allem der Streit mit Union-Berlin-Trainer Uwe Neuhaus in Erinnerung. War Ihr Weg in Deutschland verbaut?
Jerome Polenz: Die ersten beiden Jahre in Aachen waren vollkommen in Ordnung, im dritten habe ich mir dann allerdings einen Kreuzbandriss zugezogen. Bei der Problematik in Berlin kann und will ich mich nicht gänzlich freisprechen. Beide Seiten haben die Situation nicht optimal gelöst, so etwas passiert im Fußball jedoch nicht selten. Für mich ist die Sache endgültig abgehakt.
SPOX: Ein Tapetenwechsel war dennoch notwendig.
Polenz: Ich konnte die ganze Geschichte im Nachhinein schnell abschütteln und habe mich neu orientiert. Nicht zuletzt deshalb konnte ich die letzten beiden Jahre auf einem sehr hohen Niveau spielen. Jeder, der die australische Liga verfolgt, konnte dies sehen.
SPOX: Ein Sprung ans andere Ende der Welt ist jedoch auch immer mit einem großen Risiko verbunden. Gab es keine reizvollen Angebote aus deutschen oder europäischen Ligen?
Polenz: Natürlich gab es auch einige Angebote aus Europa, allerdings habe ich mich bewusst für eine Veränderung und damit für Australien entschieden. Ich wollte nach den zwei mental sehr fordernden Jahren in Berlin einfach raus, eine komplett neue Erfahrung machen. Dafür war die Möglichkeit bei den Western Sydney Wanderers einfach perfekt.
SPOX: Ein Verein, der erst kurze Zeit zuvor gegründet wurde und zu diesem Zeitpunkt nur über eine Handvoll Spieler verfügte...
Polenz: Das stimmt, allerdings hatte die australische Liga auf mich eine enorme Anziehungskraft und zu verlieren hatte ich schließlich auch nicht wirklich etwas. Das Risiko war sicher da, rückblickend hat es sich gelohnt.
SPOX: Hatte die Dokumentation "Tom meets Zizou - kein Sommermärchen", in der auch der Wechsel von Thomas Broich nach Australien thematisiert wurde, einen Einfluss auf Ihre Entscheidung?
Polenz: Wirklich groß war der Einfluss zwar nicht, allerdings muss ich zugeben, dass er durchaus vorhanden war. Die Dokumentation hat den Reiz verstärkt, nicht geschaffen. Vor allem die Entwicklung der Liga, das stetig steigende Niveau und die wachsende Anerkennung der gesamten Sportart waren für mich sehr aufschlussreich.
SPOX: Gab es in diesem Zusammenhang vor oder nach dem Transfer Kontakt zwischen Ihnen und Broich?
Polenz: Nicht wirklich. Da er bei Brisbane Roar spielt und die Distanzen in Australien sehr groß sind, hat sich außer dem normalen Kontakt im Umfeld einer Partie nichts ergeben.
SPOX: Welche Bedingungen haben Sie eigentlich bei Ihrem Antritt vorgefunden? Waren die Rahmenplanungen weiter fortgeschritten, als die des Kaders?
Polenz: Am Anfang war es eine Katastrophe. Wir hatten beispielsweise nicht mal eine Umkleidekabine, haben uns in den Büroräumen umgezogen. Während wir uns auf das Training vorbereiteten, haben die anderen Mitarbeiter um uns herum normal an administrativen Dingen weitergearbeitet.
SPOX: Einen Trainingsplatz gab es aber schon, oder?
Polenz: Ja und der war in einem sehr guten Zustand. Wir waren alle fokussiert, denn es waren nur vier Monate bis zum Start der Liga. Da im Hintergrund jedoch eine gut durchdachte Planung vorlag, hat sich alles sehr schnell gebessert. Manchmal muss man einfach aus der Komfortzone raus, um sich zu entwickeln. Als Spieler und als Mensch.
Seite 1: "Am Anfang war es eine Katastrophe"
Seite 2: "Duell gegen Deutschland wäre reizvoll gewesen"
SPOX: Direkt die erste Saison konnten sie auf Platz eins beenden, unterlagen jedoch im Finale der anschließenden Playoffs den Central Coast Mariners. Im zweiten Jahr stand nach der Finalniederlage gegen Brisbane Roar das gleiche Resultat. Haben Sie mit einer solchen Entwicklung gerechnet?
Polenz: Nicht im Ansatz. Rückblickend betrachtet kann man es schon als ein kleines Wunder bezeichnen. Die Entwicklung der Mannschaft, vor allem mit dieser Geschwindigkeit, war so sicherlich nicht zu erwarten. Wir waren vom ersten Spieltag an wettbewerbsfähig und kamen in der Saison immer besser in Tritt. Vor allem die zweite Saisonhälfte war überragend.
SPOX: Eine unbeschreibliche Erfolgsgeschichte...
Polenz: Das kann man wohl so sagen. Eine solche Geschichte habe ich bisher noch nie erlebt. Weder im Fußball, noch in einer anderen Sportart. Und ich bin stolz ein Teil davon gewesen zu sein.
SPOX: Der Liga heftet zuweilen noch stark das "Sonne, Strand und Meer"-Image an. Die ideale Station um eine lange Karriere in angenehmem Klima ausklingen zu lassen.
Polenz: Das ist längst überholt. Es gibt in Australien nicht umsonst einen riesigen Boom, die Zuschauerzahlen explodieren und auch das Niveau steigt rapide an, ist bereits sehr hoch. Die Vereine arbeiten zudem allesamt auch wirtschaftlich seriös, Trainer und Spieler sind top ausgebildet. Das Bild wird definitiv nicht von in die Jahre gekommenen Stars bestimmt, die ihre Karriere ausklingen lassen wollen. Die Qualität ist da, auch wenn natürlich Luft nach oben ist.
SPOX: Sie selbst waren ein Garant für den Erfolg. Die starken Leistungen sowie die Tatsache, dass Sie über algerische Wurzeln verfügen, weckten das Interesse der Nationalmannschaft Algeriens. Warum hat es für Brasilien im Endeffekt nicht gereicht?
Polenz: Nachdem ich im ersten Jahr zum besten Rechtsverteidiger der Liga gewählt wurde und auch im zweiten auf Platz zwei landen konnte, gab es natürlich ein Interesse Algeriens. Es folgten sehr gute Gespräche mit Trainer Vehad Halilhodzic. Er beobachtete mich intensiv, allerdings scheiterte eine mögliche WM-Teilnahme letztlich daran, dass er die Stärke der Liga nicht wirklich einschätzen konnte. Er hat mir dann zu einem Wechsel zurück nach Europa geraten. Sollte es dort ähnlich gut klappen, sollte in Zukunft eine Einladung Realität werden. Dass es für die WM nicht gereicht hat, ist natürlich schade. Dennoch richte ich meinen Blick nach vorne, lebe nicht in der Vergangenheit.
SPOX: Aber ein bisschen Wehmut über die verpasste Chance existiert.
Polenz: Natürlich. Ich denke, dass dies jedem Spieler, der eine solche Chance vor Augen hatte, ähnlich ergehen würde. Im Hinblick auf meine Vergangenheit wäre gerade das Duell gegen Deutschland sehr reizvoll gewesen. Man darf verpassten Chancen allerdings nur dann nachtrauern, wenn man es nicht wenigstens versucht hat. Und dies kann ich mir nun wirklich nicht vorwerfen. Deshalb denke ich positiv, freue mich für die Mannschaft und vielleicht bietet sich in nicht all zu ferner Zukunft ja erneut die Möglichkeit.
SPOX: Bleiben wir direkt beim Trainer. Wirklich unumstritten ist Halilhodzic in Algerien bekanntlich nicht. Dennoch steht er nun für den größten sportlichen Erfolg des Landes. Wie haben Sie ihn persönlich als Trainer, aber auch als Mensch wahrgenommen?
Polenz: Er weiß, was er will und hat immer eine klare Linie vor Augen. Darüber hinaus formt er die Mannschaft nach seinen Vorstellungen und ist somit zu Recht einer der Garanten des Erfolgs. Ich denke, dass seine Art genau richtig ist. Man darf sich nicht zum Spielball der Medien machen, von diesen beeinflussen lassen. Vor allem da vor solch einem großen Turnier auf einmal wirklich jeder alles besser weiß. Das gilt übrigens nicht nur für Algerien, ist in den afrikanischen Ländern jedoch äußerst ausgeprägt. Es ist ein großer Vorteil, sich in diesen Momenten nicht ablenken zu lassen.
SPOX: Ist er dabei wirklich komplett er selbst oder zieht er auch absichtlich den Fokus etwas von der Mannschaft?
Polenz: Ich denke, dass ein guter Trainer für alles, was er tut, einen Plan hat. Und genau dies ist bei Halilhodzic der Fall. Ich kann mir deshalb sehr gut vorstellen, dass auch dies in gewissem Maß zu seinem Plan gehört.
SPOX: Hinzu kommt, dass er sich innerhalb der Mannschaft großer Beliebtheit erfreut.
Polenz: Die Spieler wissen einfach, was sie an ihm haben. Man sieht, dass die Mannschaft voll und ganz hinter ihrem Trainer steht. Nur weil sie als Einheit agiert, kann sie so erfolgreich spielen. Er hat sich das Vertrauen redlich verdient. Die Mannschaft ist fit, spielt guten Fußball. Natürlich hat sie auch einige Schwachstellen, allerdings muss gegen Deutschland deshalb noch lange nicht Schluss sein.
SPOX: Mit welchen Mitteln kann die algerische Nationalmannschaft die DFB-Elf unter Druck setzen?
Polenz: Vor allem die Offensive hat bisher sehr ansprechend gespielt. Deutschland muss aufpassen, auch wenn sie natürlich als klarer Favorit in das Spiel gehen. Man darf nie vergessen, dass bei einer WM alles möglich ist - es handelt sich schließlich um ein einziges Spiel. Der Druck liegt zudem klar bei der deutschen Elf. Was passiert, wenn Algerien beispielsweise die Führung gelingt? Kleinigkeiten entscheiden große Spiele.
SPOX: Ist auch bei Ihnen alles möglich? Sie haben Ihren auslaufenden Vertrag in Sydney nicht verlängert. Folgt der von Halilhodzic geforderte Sprung?
Polenz: Primär habe ich für mich entschieden, dass ich nach zwei sehr erfolgreichen Jahren nochmals etwas Neues machen will. Die Chance auf die Nationalmannschaft spielt dabei natürlich ebenfalls eine Rolle. Einen Traum, welchen ich mir in Zukunft erfüllen möchte.
SPOX: Führt Sie dieser Weg zurück nach Deutschland?
Polenz: Durchaus möglich. Ich bin mit einem Verein aus der 2. Liga bereits sehr weit. Gut möglich, dass ich bald wieder in Deutschland spiele.