Der Hochglanz-Profi

Jahrhunderttalent im Duell mit dem Weltfußballer: Mario Götze gegen Cristiano Ronaldo
© getty

Mario Götze gilt als deutsches Jahrhunderttalent. Seine erste Saison beim FC Bayern München war ordentlich, sein Start in die WM ebenfalls. Aber reicht das? Er muss aufpassen, dass der Hype um seine Person nicht zu einer Blase wird.

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Artur Yedigaryan fühlte sich in einer guten Position im Mittelfeld. Er hatte den Ball und hielt nach einem Mitspieler Ausschau. Mit der Schnelligkeit seines Gegners hatte er offenbar nicht gerechnet.

Der schob sich dazwischen und spitzelte den Ball weg. Yedigaryan stocherte hinterher, traf seinen Gegenspieler am Bein. Nichts Wildes eigentlich. Aber der unglückliche Kontakt reichte, um das WM-Aus von Marco Reus zu besiegeln.

Seitdem ist Mario Götze allein. Er muss ohne seinen besten Kumpel im Team auskommen. Unzertrennlich waren Götze und Reus im Trainingslager in Südtirol, sie waren immer nur als Einheit zu sehen. Nur im Spiel trennten sich ihre Wege - zumindest im wegweisenden letzten Vorbereitungsspiel gegen Armenien. Reus ging auf den Platz, Götze auf die Bank.

Podolski? Schürrle? Götze!

Der Dortmunder war in überragender Form, er galt als gesetzt im System von Joachim Löw. Der Bayer war höchstens eine Alternative als Stürmer im neuen 4-3-3. Vor dem ersten WM-Spiel gegen Portugal wurde die Frage nach Götze kaum gestellt, Lukas Podolski oder Andre Schürrle waren die heißesten Kandidaten für den Posten des Linksaußen. Götze spielte.

Er bewegte sich gut in den Räumen, arbeitete diszipliniert nach hinten, holte den Elfmeter vor dem 1:0 heraus, vergab aber seine Chancen auch wieder etwas zu leichtfertig. Götze startete mit einem gelungen Auftritt ins Turnier, stand aber natürlich im Schatten des dreifachen Torschützen Thomas Müller.

Götze profitiert von Reus-Verletzung

Es ist eine bittere Note, dass Götze ausgerechnet von der Verletzung seines besten Kumpels Reus profitierte. Die sportlichen Perspektiven Götzes haben sich dadurch schlagartig verbessert.

Götze gilt als Jahrhunderttalent im deutschen Fußball, seine Anlagen sind in vielen Bereichen fantastisch. Der Hype war enorm, als er in der Bundesliga seine ersten Schritte bei Borussia Dortmund machte. Aber er muss aufpassen, dass der Hype um seine Person nicht zu einer Blase wird, er sportlich auf hohem Niveau stagniert und andere Spieler wie Reus an ihm vorbeiziehen.

"Ich bin gerade 22 geworden und habe schon sieben Titel gewonnen - ich verstehe die Dis­kussionen nicht", sagte Götze dem "Kicker" auf die Frage nach der großen Konkurrenz beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft.

Bisher nur Mitläufer

Die Anzahl der Titel spricht für ihn, aber bei einem Spieler seiner Qualität wird auch immer die Frage nach seiner Bedeutung bei den Titelgewinnen gestellt - und die ist noch überschaubar.

Bei den Dortmunder Meistertiteln standen andere Akteure wie Nuri Sahin oder Shinji Kagawa im Fokus, Götze fehlte 2012 ein halbes Jahr verletzt. Beim Pokalfinale saß er 90 Minuten auf der Bank. Und in seiner ersten Saison beim FC Bayern, in der er vier Trophäen gewann, war er nur Mitläufer.

Es ist nicht die Summe an Titeln, sondern die Relation, die die Diskussionen um seine Person füttern. Götze ist beim FC Bayern sofort in die Kategorie der Top-Verdiener aufgestiegen. Die prägenden Figuren auf dem Platz sind aber nach wie vor Arjen Robben und Franck Ribery.

Götzes erste Saison war solide, er hatte seine Momente: das Tor in Dortmund, ein klasse Solo in Moskau, eine Gala in Hamburg, in den wichtigen Spielen gegen Real Madrid saß er aber auf der Bank.

Enormes Selbstbewusstsein

Die Ansprüche an ihn, aber auch seine eigenen sind so hoch, dass er damit nicht zufrieden sein kann. Er muss in der Hierarchie an Ribery oder Robben vorbei und nicht als deren Ersatz gelten. Götze wird mit diesem Bild leben müssen. Er ist ein Typ, der sicher nicht mit zu wenig Selbstvertrauen durchs Leben geht und so auch bei den Leuten ankommt.

"Du musst als junger Spieler von dir überzeugt und enorm selbstbewusst sein. Zweifel gibt's nicht. Sonst setzt du dich nicht durch", sagte Götze mal in einem Interview mit der "Zeit". Mittlerweile habe er aber gelernt, sich nicht mehr so wichtig zu nehmen.

Eine Marke ohne Nähe

Götze hat sich früh in seiner Karriere zu einer Marke gemacht, die er aber weiter bedienen muss. Er will ein Superstar werden, sein Sponsor will ihn zum Weltstar machen. Götze ist auf allen Social-Media-Kanälen präsent. Der Fußballer Mario Götze ist ein Hochglanzprodukt. Es passt ins Bild, dass er beim Abspielen der Hymne den Kopf in den Nacken legt und gen Himmel blickt.

Götze spricht in zu erwartenden Strickmustern, er bedient sich aus dem Steckkasten der standardisierten Fußballersprache. Da geht es um Luft nach oben, harte Arbeit und den Erfolg des Teams, der im Vordergrund steht. Sein Umgang mit den Medien wirkt oft lustlos, wie bei seinem Auftritt während des Trainingslagers, als er mit Reus eine bizarre Komödie aufführte.

Die Leute fragen sich: Warum jubelt er nicht nach Toren? Wo ist seine jugendliche Euphorie geblieben? Es ist nicht leicht für einen Spieler, der so früh in seiner Karriere so gefeiert wird. Jeder geht anders damit um. Götze hat sich dazu entschieden, kaum Nähe zuzulassen. Das ist sein Schutzmechanismus.

Sehnsucht nach Anonymität

Damit geht aber auch einher, dass er glatt wirkt, manche sagen abgehoben. "Natürlich freuen wir uns immer, Fußball spielen zu können. Aber es gibt auch Momente, wo jeder Fußballer sich nichts sehnlicher wünscht, als einmal unbeobachtet zu sein oder Zeit für sich allein zu haben. Ständig aufpassen zu müssen, in der Öffentlichkeit nicht über die Stränge zu schlagen, ist das eine", sagt Götze.

Das andere: "Jeder Mensch, dem du dich näherst, lernt dich als Promi kennen. Da können kaum neue echte Freundschaften entstehen. Es sind eben zwei Seiten unseres Berufs, eine, die man liebt, und eine, die man hasst."

Es ist selten, dass Götze solche Einblicke gewährt. Auch in Brasilien wirkt er bisher sehr entspannt und gelöst. Nach dem Spiel gegen Portugal in Salvador blieb er für seine Verhältnisse ungewöhnlich lange in der Mixed-Zone, um Fragen der Journalisten zu beantworten.

Er weiß, dass die Weltmeisterschaft eine Plattform ist, die seiner Karriere einen weiteren Schub geben könnte. "Für mich ist es wichtig, dass ich spielen kann", sagt Götze. Wie schnell einen das Aus ereilen kann, hat er bei Reus gesehen.

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