Wenn sich Götzes Kreis wieder schließt

Von Benedikt Treuer
Felix Passlack hat bei Dortmund einen Profi-Vertrag unterschrieben
© getty

Die deutschen U17-Junioren stehen im Finale der Europameisterschaft in Bulgarien gegen Frankreich (19 Uhr im LIVE-TICKER). Mit mannschaftlicher Geschlossenheit und dem nötigen Selbstbewusstsein kämpfte sich das Team bisher durch das Turnier - ohne ein einziges Gegentor. Großen Anteil daran hat auch ein Dortmunder Trio, das unabhängig voneinander und doch gemeinsam seine Entwicklung nimmt. Es ist ein Weg, der bereits 2009 begann.

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Und dann stand er da: Grinsend, schon auch irgendwie stolz, aber vor allem schüchtern. Mario Götze präsentierte sich etwas flapsig der versammelten Fotografen-Schar, nachdem er zum besten Spieler des Turniers ausgezeichnet worden war. Wenige Momente zuvor hatte er die deutsche U17 mit einer überragenden Leistung zum EM-Titel geführt.

Das war 2009 - der erste und bislang letzte EM-Triumph der U17 des DFB, als man in Magdeburg die Niederlande mit 2:1 nach Verlängerung bezwang. Götze war der Fokus im deutschen Offensivspiel. Tempo und Kreativität gehörten ebenso zu seinen herausstechenden Fähigkeiten wie die Ballbehandlung.

Mittlerweile hat Götze den Durchbruch längst geschafft. Vierfacher Deutscher Meister, Siegtorschütze im WM-Finale in Brasilien: Bayerns Mittelfeldmann hat sich in die Geschichtsbücher eingetragen.

Dortmunder Trio betreibt Eigenwerbung

Heute sind es andere Namen, die sich darum bemühen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. 20 Spieler hat U17-Coach Christian Wück mit nach Bulgarien genommen. Auf stolze 13 Vereine verteilt sich dieser Kader - Ausdruck der herausragenden Jugendarbeit in den deutschen Fußballverbänden.

Wenn die DFB-Junioren am Freitagabend im EM-Finale auf Frankreich treffen, ruht ein großer Teil der deutschen Hoffnungen aber vor allem auf einem Dortmunder Trio: Felix Passlack, Dzenis Burnic und Janni Serra haben sich im Verlauf des Turniers aufgedrängt und nicht nur Werbung in eigener Sache betrieben, sondern insbesondere auch für das Nachwuchsleistungszentrum des BVB.

Denn bis auf den VfL Bochum stellt kein anderer Verein so viele Spieler wie die Borussia, deren B-Junioren in dieser Saison auch Staffelmeister in der Bundesliga West wurden und im Juni um die Deutsche Meisterschaft spielen. Betrachtet man zudem den bisherigen Turnierverlauf, sieht man, welch großen Einfluss Passlack, Burnic und Serra auf die Nationalmannschaft haben.

Serra geht seinen eigenen Königsweg

Am überraschendsten ist sicherlich die Entwicklung von Janni Serra. Er beweist aktuell, dass es in Sachen Werdegang "nicht den einen Königsweg gibt", wie Sportdirektor Hansi Flick zuletzt wieder betonte: "Spieler sind individuell zu betrachten und zu begleiten. Man kann keine Schablone über die Ausbildung legen und eine ganze Mannschaft darunter pressen."

Im Fall Serra passt diese Aussage wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. "Anders als Dzenis und Felix bin ich noch nicht so lange dabei. Klar wünsche ich mir auch Einsatzzeiten", hatte Serra gegenüber Ruhrnachrichten vor der WM klargestellt, dass er sich in einer unterordneten Rolle im Team sehe.

Die Bescheidenheit kam nicht von ungefähr: Erst Anfang des Jahres beim Algarve Cup in Portugal bestritt der Dortmunder Stürmer sein erstes Spiel für den DFB. Das hat er seiner Umschulung von Abwehr auf Angriff zu verdanken: Jahrelang agierte der großgewachsene Serra in Hannover als Innenverteidiger, ehe man ihn in Dortmund diese Saison in den Sturm stellte. Dort gelangen ihm in 23 Spielen 17 Tore und elf Vorlagen.

Wiedergeburt des klassischen Stoßstürmers

"Das ist schon eine krasse Story. Erst falle ich bei den DFB-Sichtern als Innenverteidiger durchs Raster, dann starte ich als Stürmer durch. Das konnte niemand vorhersehen", erklärte Serra ungläubig gegenüber DFB.de. Dass er innerhalb der EM aber zum deutschen Stürmer Nummer eins aufsteigt, hatte kaum einer erwartet - am wenigsten er selbst.

"Ich konnte es zuerst gar nicht richtig glauben. EM-Halbfinale, und ich mache das Tor zum 1:0", platzte es nach dem Russland-Spiel aus Serra heraus. Als Backup nominiert, hat der Angreifer sein Standing im Team und bei den Trainern weiter schlagartig verbessert - gegen Slowenien und Spanien wurde er eingewechselt, gegen Tschechien und Russland stand er sogar in der Startelf.

Selbst Johannes Eggestein, der in seinem ersten A-Junioren-Spiel für Werder Bremen einen Fünferpack erzielte und vor der EM als Deutschlands große Sturmhoffnung galt, hat seinen Platz im Team nicht mehr sicher - vor allem wegen Serra. Der 1,93 Meter große und 86 Kilogramm schwere Borusse hat den klassischen Stoßstürmer wieder in aller Munde gebracht.

EM als Bewährungsprobe

Auch Burnic steht in Dortmund unter den Fittichen von U17-Trainer Hannes Wolf. Auch er kam in Bulgarien bisher zu vier Einsätzen, wenngleich die große Leistungsexplosion bei ihm bisher noch ausblieb. Dennoch stellt er aufgrund seiner unheimlichen Flexibilität eine wichtige Stütze in Wücks Verbund dar.

Burnic ist technisch begnadet und durch seine Dynamik ein gefährlicher Flügelspieler, der sowohl gegen den Ball als auch in der Offensive ackert. Seit seiner Sichtung in der U15 gehört er zum Kader des DFB, in dem er durch konstant gute Leistungen überzeugte. Auch für ihn ist die EM eine große Bewährungsprobe, bevor es im Oktober nach Chile zur WM geht.

Die Aus- und Weiterbildung findet aber im Verein statt. Dort hat Burnic einen klaren Weg vor Augen: "Ich gehe mal davon aus - und da spreche ich für uns drei -, dass wir gemeinsam mit unserem Trainer Hannes Wolf in die U19 hochgehen und im ersten Jahr auch dort spielen. Dann wird man weitersehen", so der 16-Jährige gegenüber Ruhrnachrichten.

Sonderfall Passlack

Wie lange Felix Passlack dort verweilen wird, ist jedenfalls fragwürdig. Er hat einen anderen Status als seine beiden Team-Kollegen, eine andere Wahrnehmung als wohl fast alle Spieler der EM-Endrunde.

Passlack ist der unumstrittene Star der deutschen Mannschaft. Daraus macht nicht einmal Trainer Wück ein Geheimnis: "Felix geht vorweg - nicht nur, weil er die Binde am Arm hat, sondern weil er charakterlich einfach ein Führungsspieler ist. Er hat nicht von ungefähr gerade einen Profivertrag in Dortmund unterschrieben", so der DFB-Coach gegenüber SPOX.

"Er ist schon sehr weit und gefestigt. Er weiß, was noch vor ihm liegt und was er dafür investieren muss. Die Chancen stehen gut, dass er den Durchbruch irgendwann einmal schaffen wird", ist sich Wück sicher.

Wie Götze, nur anders

"Mein großes Vorbild ist Mario Götze, ich liebe seine Dribblings, seine Technik und sein Kombinationsspiel", sagt Passlack. Nicht wenige rechnen damit, dass der U17-Kapitän einen ebenso erfolgreichen Weg gehen wird.

Auch wenn die Stärke des deutschen Teams in der Breite liegt, steht und fällt ein möglicher EM-Titel allem voran mit Felix Passlack: "Er ist mein verlängerter Arm auf dem Platz. Wenn Felix gut spielt, ist die Chance groß, dass wir sehr weit kommen", gestand Wück gegenüber DFB.de. Passlack ist der Motor der U17 - der Antreiber und Leader.

Und genau das unterscheidet ihn von Götze - im positiven Sinne. Passlack hat nicht nur eine außergewöhnliche Ballbehandlung, sondern auch die mentale Stärke und die Physis, für ein ganzes Team geradezustehen. Auch wenn sich die Werdegänge der beiden Top-Talente auf dem Papier in vielerlei Hinsicht ähneln: Passlack scheint in Teilen schon weiter zu sein als sein Idol. Er hat das Update, nach dem man sich bei den Bayern in Sachen Götze schon länger sehnt.

Schließt sich Götzes Kreis?

Die Richtung ist vorgegeben. Dortmunds Youngster sind auf dem besten Weg, ihr vereinsinternes Image schon in jungen Jahren auf internationaler Bühne zu bewerben. Der Schritt in den Signal Iduna Park ist aktuell noch weit, aber in jedem Fall möglich: "Das ist ein Traum, den wir leben und von dem wir hoffen, dass er einmal in Erfüllung geht", sagt Burnic stellvertretend.

Immerhin durfte das U17-Trio schon bei den Profis reinschnuppern: "Unter Jürgen Klopp kann man eine Menge lernen. Man sieht, dass er sich richtig freut, wenn junge Spieler sich gut entwickeln", schwärmte Serra unlängst. Nachfolger Tuchel ist ein ähnlicher Trainertyp, dessen Augenmerk auch auf der Jugend liegt - die Voraussetzungen werden also nicht schlechter.

Außerdem soll die Dortmunder Erfolgs-Story ein neues Kapitel erhalten: Nur etwa sechs Monate nach dem U17-Endspiel stand Mario Götze das erste Mal für die Bundesliga-Mannschaft des BVB auf dem Platz. Im Jahr darauf wurde er mit Klopp und Co. Meister. Vielleicht schließt sich dieser Kreis, der 2009 geöffnet wurde, nicht allzu lange nach dem EM-Finale 2015.

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