"Es ist eine unglückliche Aktion, bei der sich die Spieler der Bedeutung der Situation hätten bewusst sein müssen." Gleichzeitig müsse man "auch verstehen, wie Türken in dieser Sache ticken", sagte Bierhoff. "Gerade so ein Foto hat eine Symbolwirkung, die gerade nicht gewünscht ist. Das wird uns auch weiter begleiten, wir werden weiter mit den Spielern sprechen, mit allen Spielern."
Auf Nachfrage eines Reporters äußerte sich auch Bundestrainer Joachim Löw: "Wir waren gestern mitten in unserer Diskussion und in der Vorbereitung für den Kader. Vonseiten des Verbandes haben wir den beiden Spielern zu verstehen gegeben, dass es keine glückliche Aktion war, das was da passiert ist. Wenn man für Deutschland spielt, dann vertritt man das Land und die deutschen Werte."
Ein "bisschen Verständnis" zeige er aber dennoch, "weil ich auch weiß, dass in der Brust von Menschen mit Migrationshintergrund auch zwei Herzen schlagen und es nicht immer ganz einfach ist, das unter einen Hut zu bringen. Beide haben uns zu verstehen gegeben, dass sie damit keine politische Botschaft abgeben wollten. Beide haben für die Integration in Deutschland sehr viel getan, ich glaube, es ist eine Lehre für sie, sie werden darüber nachdenken und wir werden uns im Trainingslager nochmal darüber unterhalten."
Auf die Frage, ob der Gedanke aufgekommen sei, Özil und Gündogan aufgrund der Geschehnisse nicht für die WM zu nominieren, war Löws Ansage unmissverständlich: "Selbstverständlich nicht. Daran habe ich nicht gedacht, in keiner Sekunde."
Grindel mahnt - und fordert Besonnenheit
Grindel äußerte sich ebenfalls nochmals zu der Situation: "Ich möchte eines sagen: Menschen können Fehler machen und wir müssen das Maß wahren. Ich glaube, dass beiden bewusst ist, dass sie einen Fehler gemacht haben und ich werbe darum, mit beiden auch maßvoll umzugehen. Manches, was ich in den digitalen Medien gelesen habe, erscheint mir doch übertrieben."
Wichtig sei, dass man von der Idee der Integration nicht abweiche. Bei der Veranstaltung in London sei "nicht das Miteinander, sondern das Trennende hochgekommen".
Gündogan, Özil, Erdogan: Kritik von allen Seiten
Erdogans Partei AKP hatte am Montag Fotos des Treffens im Londoner Hotel Four Seasons, an dem auch der deutsch-türkische Profi Cenk Tosun vom FC Everton teilnahm, bei Twitter veröffentlicht. Auf Gündogans Trikot mit der Nummer acht stand: "Mit großem Respekt für meinen Präsidenten."
Es folgte eine Welle der Kritik. "Der Bundespräsident eines deutschen Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag. Es sitzt in Berlin, nicht in Ankara. Anstatt Erdogan diese geschmacklose Wahlkampfhilfe zu leisten, wünsche ich mir von den Spielern, dass sie sich aufs Fußballspielen konzentrieren", erklärte etwa der türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir von den Grünen.
Grindel betonte ebenfalls schon vor der Kader-Nominierung via Twitter: "Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund. Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden." Aus diesem Grund sei es nicht gut, "dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen".
Erdogan-Kritik: Gündogan wehrt sich öffentlich
Wenige Stunden später meldete sich auch Gündogan zu Wort. Gegenüber der Bild betonte er, dass man mit diesem Bild kein politisches Statement abgeben und auch keinen Wahlkampf machen wolle.
"Bei aller berechtigten Kritik haben wir uns aus Respekt vor dem Amt des Präsidenten und unseren türkischen Wurzeln - auch als deutsche Staatsbürger - für die Geste der Höflichkeit entschieden", gab Gündogan zu Protokoll. "Sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten?"