DFB-Team: Mesut Özils Erklärungen zum Rücktritt und Erdogan-Foto im Wortlaut

Von SPOX
Mesut Özil hat sich zu seinem Treffen mit Erdogan geäußert.
© getty
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"Ich bin ein Fußballer, der in den drei vermutlich härtesten Ligen der Welt gespielt hat. Glücklicherweise habe ich große Unterstützung von meinen Mitspielern und Trainern erfahren auf meinen Stationen in der Bundesliga, La Liga und der Premier League. Im Laufe meiner Karriere habe ich dabei gelernt, mit den Medien umzugehen.

Viele Leute reden über meine Leistungen, sie spenden mir Beifall, sie üben Kritik. Wenn Zeitungen oder Fernsehexperten Fehler finden, dann kann ich das akzeptieren - ich bin kein perfekter Fußballer und Kritik spornt mich an, noch härter zu arbeiten und zu trainieren. Was ich aber nicht akzeptieren kann, sind deutsche Medien, die wiederholt meine doppelte Herkunft und ein einfaches Foto für das Abschneiden einer ganzen Mannschaft bei der Weltmeisterschaft verantwortlich machen.

Gewisse deutsche Zeitungen instrumentalisieren meinen Background und das Foto mit Präsident Erdogan als rechte Propaganda, um ihre politische Anschauung voranzutreiben. Warum sonst benutzen sie Bilder und Überschriften mit meinem Namen als direkte Erklärung für die Niederlage in Russland? Sie haben nicht meine Leistungen kritisiert, sie haben nicht die Leistungen der Mannschaft kritisiert, sie haben meine türkische Abstammung und meinen Respekt gegenüber meiner Herkunft kritisiert. Eine Linie wurde überschritten, die niemals überschritten werden sollte, indem Zeitungen versuchen, Deutschland gegen mich aufzubringen.

Die Doppelmoral der Medien finde ich ebenso enttäuschend. Lothar Matthäus (ein DFB-Ehrenspielführer) traf sich vor ein paar Tagen mit einem anderen hochrangigen Politiker und musste dafür kaum Kritik einstecken. Trotz seiner Rolle beim DFB (deutsche Nationalmannschaft) wurde er nicht aufgefordert, sich öffentlich zu rechtfertigen, und darf ohne jede Zurechtweisung weiter den deutschen Fußball repräsentieren. Wenn die deutschen Medien denken, dass ich nicht zum WM-Aufgebot hätte zählen dürfen, hätte er dann nicht seine Ehrenspielführerbinde abgeben müssen? Macht mich meine türkische Herkunft zu einer lohnenderen Zielscheibe?

Ich habe immer gedacht, zu einer Partnerschaft gehört Unterstützung, sowohl in guten Zeiten, aber auch in schwereren Momenten. Kürzlich habe ich den Plan gefasst, meiner alten Schule Berger-Feld in Gelsenkirchen zusammen mit zwei meiner Charity-Partner einen Besuch abzustatten. Ich hatte mir ein Projekt überlegt für die Dauer eines Jahres, das es Kindern von Immigranten, Kindern von benachteiligten Familien, aber auch allen anderen Kindern ermöglicht, zusammen Fußball zu spielen und die Regeln für den sozialen Umgang miteinander zu lernen. Leider jedoch wurde ich ein paar Tage, bevor es losgehen sollte, von meinen sogenannten Partnern im Stich gelassen, weil sie nicht mehr mit mir zusammenarbeiten wollten. Dazu kommt noch, dass die Schule mein Management darüber informierte, dass sie mich nicht mehr dort sehen wollten, weil sie "Angst vor den Medien" hätten im Zuge meines Fotos mit Erdogan und dem "Aufstieg der rechten Partei in Gelsenkirchen". Ganz ehrlich, das hat richtig weh getan. Obwohl ich dort früher ein Schüler war, gab man mir das Gefühl, unerwünscht und ihrer Zeit nicht wert zu sein.

Darüber hinaus hat sich ein weiterer Partner von mir losgesagt. Da es sich dabei auch um einen Partner des DFB handelt, wurde ich um meine Mitwirkung bei Werbedrehs für die WM gebeten. Doch als mein Bild mit Erdogan erschienen war, flog ich aus allen Kampagnen und alle weiteren Termine wurden abgesagt. Für sie war es nicht mehr in Ordnung, mit mir in Verbindung gebracht zu werden und sie nannten ihr Vorgehen "Krisenmanagement". Das ist schon die blanke Ironie, weil ein deutsches Ministerium erklärte, deren Produkte würden illegale und nicht genehmigte Bauteile enthalten, die die Käufer gefährden. Hunderttausende ihrer Produkte wurden zurückgerufen. Während ich kritisiert und vom DFB aufgefordert wurde, mich für meine Handlungen zu rechtfertigen, gab es keine Forderung nach solch einer öffentlichen Stellungnahme des DFB-Sponsors. Warum? Gehe ich richtig in der Annahme, dass das schlimmer ist als ein Bild mit dem Präsidenten des Landes meiner Familie? Was hat der DFB zu all dem zu sagen?

Wie ich schon sagte: Partner sollten zu dir halten, egal in welcher Situation. Adidas, Beats und BigShoe waren sehr loyal und es war fantastisch mit ihnen zu arbeiten in all der Zeit. Sie erheben sich über den Unsinn, den die deutschen Medien erfinden, und wir gehen unseren Projekten in professioneller Art und Weise nach, was mir sehr viel Freude macht. Während der WM habe ich in Zusammenarbeit mit BigShoe dabei geholfen, 23 Kindern in Russland lebensnotwendige Operationen zu ermöglichen, etwas das ich früher schon in Brasilien und Afrika getan habe. Für mich ist das das Wichtigste, was ich als Fußballer tun kann, doch die Medien haben keinen Platz, um die Aufmerksamkeit auf solche Themen zu lenken. Für sie ist es wichtiger, dass ich ausgebuht werde, als dass ich Kindern auf der ganzen Welt helfe, Operationen zu bekommen. Sie verfügen über die Plattform, um Aufmerksamkeit zu erregen oder Spendengelder zu sammeln, aber sie entscheiden sich, es nicht zu tun."