Timo Werner im Interview: "Es tut weh, von den eigenen Fans ausgepfiffen zu werden"

Timo Werner
© getty

Die deutsche Nationalmannschaft trifft am Donnerstag im ersten Spiel nach der verpatzten WM in Russland auf den neuen Weltmeister Frankreich (20.45 Uhr im LIVETICKER). Vor dem Spiel sprach SPOX mit Angreifer Timo Werner über Grüppchenbildung im Kader, die Pfiffe gegen Mesut Özil und Ilkay Gündogan, sowie seine zukünftige Rolle im Team. Außerdem äußerte sich der 22-Jährige zum neuen Spielstil der Mannschaft, Deutschland in der Rolle des Jägers und dem Druck während der Weltmeisterschaft.

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SPOX: Herr Werner, über das WM-Aus ist viel gesprochen und geschrieben worden. Ist zu dem Thema in Ihren Augen mittlerweile alles gesagt?

Timo Werner: Der Bundestrainer hat auf seiner Pressekonferenz vieles aufgearbeitet. Sehr offen und ehrlich, das hat mir imponiert. Einiges wurde auch schon direkt nach der WM angesprochen, aus allen möglichen Richtungen: Manche waren näher dran, andere nicht. Es war viel Richtiges dabei, ein paar Dinge waren aber auch an den Haaren herbeigezogen. Man muss die Mischung finden zwischen berechtigter Kritik und Realität: Dinge, die 2014 genauso waren, waren damals noch supertoll und jetzt plötzlich nicht mehr.

SPOX: Wurden die Ergebnisse der WM-Analyse von Joachim Löw und Oliver Bierhoff schon im Vorfeld an die Spieler kommuniziert?

Werner: Mögliche neue Trainingsinhalte lernen wir in diesen Tagen erst kennen. Wir haben intern über vieles gesprochen, zuerst vom Mannschaftsrat mit den Trainern, dann mit dem Rest des Teams. Aber ob wir nun ein neues System spielen oder nicht: Wir als Spieler sind jetzt gefordert, Gas zu geben und mit Stolz und Freude für die Nationalmannschaft aufzulaufen.

Timo Werner über die Aufarbeitung der WM 2018

SPOX: Der Trainerstab hat die WM aufgearbeitet. Gab es einen ähnlichen Prozess bei den Spielern, in dem man sich über begangene Fehler ausgetauscht hat?

Werner: Wir Spieler haben uns relativ schnell in den Urlaub verabschiedet, jeder hat auch erst mal Abstand gebraucht, um die Dinge für sich einzuordnen. Ein paar Wochen später fing bei den meisten schon wieder die Vorbereitung an, danach der Ligabetrieb. Ich bin sicher, dass jeder Einzelne sich kritisch hinterfragt hat. Wir alle wissen, dass sowas der Fußballnation Deutschland nicht passieren darf.

SPOX: Tat es weh, den Rest der WM am Fernseher zu verfolgen?

Werner: Ja, total. Sich die Spiele im Urlaub anzuschauen, war, als würde man Salz in offene Wunden streuen. Man weiß genau, was man verpasst hat, und hatte viel Zeit, um mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Aber spätestens zum Ligastart musste man sich wieder auf den Verein und auf die neuen Aufgaben dort konzentrieren. Das hat geholfen.

SPOX: Gibt es eine Szene, die Ihnen bis heute nicht aus dem Kopf geht? Vielleicht eine vergebene Chance?

Werner: Das Turnier lief über alle drei Spiele nicht so gut für uns. Wir hatten alle genügend Chancen, um mehr Tore zu machen.

Timo Werner über die angebliche Grüppchenbildung im DFB-Team

SPOX: Zuletzt wurde viel über die Grüppchenbildung im Team geschrieben. Wie haben Sie es in Russland erlebt, gerade im Vergleich zum Confed Cup 2017?

Werner: Was heißt "Grüppchenbildung"? Verschiedene Tische bei den Mahlzeiten hatten wir auch schon beim Confed Cup, man kann eben nicht mit dem gesamten Team an einer Tafel sitzen. Damals war es kein Thema, bei der WM schon. Es ist auch vollkommen normal, dass nicht alle 23 Spieler wie eine Touristentruppe immer alles zusammen machen. Das gibt es nicht, auch bei Frankreich nicht. Wir sind ja im Liga-Alltag auch über ganz Europa verteilt. Dann unternimmt man eben eher etwas mit den Spielern aus dem gleichen Verein oder mit denen, die man schon aus der Jugend kennt.

SPOX: Der DFB will sich in Zukunft gegenüber den Fans anders präsentieren, mit öffentlichen Trainingseinheiten, mehr Autogrammen und dergleichen. Hatten Sie bisher das Gefühl, dass sich das Team gegenüber den Fans distanzierter zeigt als etwa Ihr Verein RB Leipzig?

Werner: Man kann den DFB nicht mit einer Vereinsmannschaft vergleichen. Dort gibt es einen Kern von Fans, der ins Stadion geht, zum Training kommt oder zu den Auswärtsspielen fährt. Deutschland hat 80 Millionen Fans, da kann man nicht immer alle gleichzeitig zufriedenstellen. Aber wir sollten uns für die Fans mehr Zeit nehmen. Kleine Dinge, worüber sich die kleinen Kinder und ihre Eltern freuen. Das ist ein guter erster Schritt.

SPOX: Und das öffentliche Training?

Werner: Das ist leider nicht immer möglich. Nehmen wir diese Woche als Beispiel: Wir kamen jetzt am Montag zusammen, am Dienstag war Taktiktraining, am Mittwoch wird schon wieder heruntergefahren, damit man für das Spiel am Donnerstag fit ist. So bleibt nicht viel Zeit, um etwas einzustudieren. Deshalb kann man nicht immer die Wünsche der Fans nach einem offenen Training erfüllen. Vielleicht bekommen wir es aber im Oktober oder November mal hin, auch wir würden uns darüber freuen, uns bei den Fans für die Unterstützung zu bedanken.

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