Idiotisch wäre wohl noch untertrieben, um das zu beschreiben, was sich jene beschämende Schar von Rassisten da am Mittwochabend in der Wolfsburger Volkswagen Arena erlaubte. Drei mittlerweile der Polizei bekannte Männer beschimpften Leroy Sane nach Angaben des Journalisten Andre Voigt unter anderem als "Affenmensch", "Bimbo" und "Neger".
Ein peinlicher Angriff auf die Würde des Menschen Sane. Der Sportler Sane, der Fußballer, durfte diesen Angriff auf den zweiten Blick aber durchaus als Gewinn für sich verbuchen. Wenn man seinen Hatern mit seiner Leistung auf dem Platz keine Argumente für Kritik mehr bietet, begeben sie nun einmal auf die persönliche Ebene, um ihrer Abneigung freien Lauf zu lassen. Zu teuer das Outfit, zu dunkel die Hautfarbe. So wird Sane dieser Tage von den Menschen bewertet, die sich an ihm stören. Nicht mehr als zu schwacher, zu unpassender Spieler für die Nationalmannschaft.
Leroy Sane entgeht schwerer Verletzung
Eine Erkenntnis, die ebenfalls am Mittwochabend deutlich wurde, als Joachim Löw nach dem 1:1 gegen Serbien sichtlich besorgt in die Katakomben schritt. "Das", fluchte der Bundestrainer wenig später auf der Pressekonferenz, "war ein ganz, ganz übles Foul. Da kann er ihm auch den Fuß brechen."
Das unverantwortliche Einsteigen des Serben Milan Pavkov in der dritten Minute der Nachspielzeit gegen Sane hatte die Alarmglocken bei Löw für einen kurzen Moment gehörig schrillen lassen. Sane aber gab zur Überraschung aller Beteiligten nur fünf Minuten nach dem Abpfiff Entwarnung.
"Mit dem Sprunggelenk ist alles okay", erklärte der Angreifer von Manchester City am RTL-Mikrofon beinahe so lässig wie sein Kleidungsstil, "es sah schlimmer aus, als es war." Der mit Glattrot geahndete Tritt von Pavkov hätte in den meisten anderen Fällen wohl eine schwere Verletzung nach sich gezogen. Sane hatte Glück im Unglück. Und Löw atmete auf.
Leroy Sane: Vom Aussortierten zum Hoffnungsträger
Vor einem Jahr wäre ein Ausfall von Sane für den 59-Jährigen vermutlich gar nicht mal so schlimm gewesen. Damals war Sane einer von vielen guten Offensivspielern. Ein Kann-, kein Muss-Spieler. Ein Streichkandidat. Das offenbarte letztlich auch der Entscheid von Löw, den früheren Schalker aus seinem Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Russland zu streichen.
Viele Außenstehende, gerade in Sanes Wahlheimat England, konnten die Ausbootung des Linksfußes nicht nachvollziehen. Zu gut, zu auffällig agierte er zum damaligen Zeitpunkt schon bei den Citizens von Pep Guardiola. Im DFB-Team hingegen brauchte er nach Ansicht von Löw aber noch Zeit, um sich zu etablieren. Eine Fehleinschätzung, die sich in Russland erschreckend bemerkbar machte.
Den zu ideenlosen Deutschen fehlte vieles, vor allem aber ein Unterschiedsspieler, der die letzte gegnerische Linie durchbrach. Sane ist ein solcher Spieler. Das demonstriert er inzwischen nicht nur mehr in Manchester, wo sich selbst Guardiola kaum noch mit Lobeshymnen auf den gebürtigen Essener zurückhalten kann, sondern eben auch in der sich im Wandel befindenden Nationalmannschaft.
DFB-Team: Leroy Sane glänzt gegen Serbien
Vor dem heiklen Auftaktspiel in der EM-Qualifikation bei den wieder erstarkten Niederländer (Sonntag, 20.45 Uhr im LIVETICKER) ruhen die Hoffnungen von Löw in erster Linie auf Sane. Zumindest, wenn man den Test gegen die Serben als Maßstab nimmt.
Der Linksfuß war neben dem zum Start der zweiten Hälfte eingewechselten Marco Reus der auffälligste Offensivspieler. Er bestritt die meisten Zweikämpfe (22) und gab die meisten Schüsse auf das serbische Tor ab (3).
Von diesen Schüssen hätte der ein oder andere zwar gut und gerne im Netz landen können, wenn nicht sogar müssen, aber Sane hinterließ mit all seiner Kreativität und Schnelligkeit im Eins-gegen-Eins auch so einen bleibenden positiven Eindruck in der Wolfsburger Volkswagen Arena. Auch bei drei seiner Kritiker auf den Rängen. Deshalb sprachen sie nicht über seine sportliche Leistung, sondern über seine Hautfarbe.