Joachim Löws offene Botschaft an Julian Draxler kam überraschend - und war doch unmissverständlich. "Es wäre wichtig, einen Schritt (zu einem Verein) zu machen, wo er regelmäßig spielt", sagte der Bundestrainer nach einem "längeren Gespräch" mit dem 26-Jährigen: "Für Julian wäre es gut, wenn er Woche für Woche im Einsatz ist." Also: Nichts wie weg von Thomas Tuchel und Paris Saint-Germain!
Dort kommt Draxler nicht über die Rolle des Edelreservisten hinaus. In der vergangenen Saison brachte es Draxler - auch wegen einer Fußverletzung und einer Viruserkrankung - auf nur 22 Pflichtspiele (kein Tor), lediglich zwölf bestritt er von Beginn an. Im Champions-League-Finale gegen Bayern München (0:1) wechselte Tuchel den Offensivspieler erst spät ein (72.).
"Neymar, Mbappe - Thomas Tuchel setzt logischerweise auf diese Spieler", sagte Löw. Deshalb würde Draxler ein Abschied aus der französischen Hauptstadt "wahrscheinlich entscheidend helfen". Vor allem mit Blick auf seine Position in der DFB-Auswahl, wo die Konkurrenz kaum weniger groß ist.
Die Frage sei nun, meinte Löw, ob Paris den 52-maligen Nationalspieler (sechs Tore), dessen Vertrag bis 2021 läuft, gehen lasse. Die Antwort darauf lautet nach Informationen von L'Equipe offenbar ja. Demnach soll Draxler den Verein verlassen, sei aber selbst bestrebt, seinen Vertrag zu erfüllen, weil er sich in Paris auch privat wohlfühle. Als Interessenten werden Ex-Klub Wolfsburg sowie Hertha BSC genannt.
Julian Draxler überzeugt beim Nationalteam
Er werde sich in diesen Tagen "auf den DFB konzentrieren, und danach wird man sehen, wie es weitergeht in Sachen Klub", sagte Draxler nach dem 1:1 in der Nations League gegen Spanien. Beim Neustart der Nationalmannschaft hatte er nach über einem Jahr sein Comeback in der DFB-Elf gegeben.
Etwas höher als Toni Kroos und Ilkay Gündogan behauptete sich Draxler immer wieder auf engem Raum (63,3 Prozent Zweikampfquote) und beging kaum Abspielfehler (80 Prozent Passquote). Dennoch, gerade im letzten Angriffsdrittel, fehlte es dem Mittelfeldspieler sichtlich an Dynamik und am Timing - oder vereinfacht: an Spielpraxis.
"Ich wusste vor dem Spiel ja selbst gar nicht, wo ich stehe", sagte der Weltmeister von 2014 nach der Partie. "Dafür, dass ich so lange nicht 90 Minuten gespielt habe, bin ich eigentlich zufrieden." Zufrieden war auch Löw mit der Leistung von Draxler.
Julian Draxlers Statistiken aus dem Spanien-Spiel
Ballaktionen | 50 |
Zweikämpfe | 11 |
Zweikampfquote | 63,6 Prozent |
Pässe | 35 |
Passquote | 80 Prozent |
Torschüsse | 1 |
Torschussvorlagen | 0 |
Balleroberungen | 7 |
Ballverluste | 9 |
"Er hat das sehr gut gemacht und seine große Klasse gezeigt", lobte Löw und betrieb Werbung für seinen Schützling: "2017 war er beim Confed Cup der Spieler des Turniers. Dass er viel kann, weiß man."
Julian Draxler: "Ich bin ein ganz anderer Spieler geworden"
Auch Tuchel weiß das. "Er ist für mich sehr wichtig, ich mag es, mit ihm zu arbeiten", sagte Tuchel vor dem Finalturnier der Königsklasse und versprach: "Ich werde in den nächsten Wochen auf ihn zählen." Danach aber, so kündigte Tuchel an, "müssen wir reden und uns über die Situation unterhalten". Dieses Gespräch dürfte Draxler bei seiner Rückkehr nach dem Nations-League-Spiel in Basel gegen die Schweiz umgehend suchen.
Er könnte mit seiner neuen Vielseitigkeit für sich werben, Draxler sieht sich längst nicht mehr nur als Mann für die Offensive. "Ich bin inzwischen ein Achter und habe in der vergangenen Saison teilweise auf der Sechs neben Marco Verratti gespielt", sagte er unlängst: "Ich bin bei PSG ein ganz anderer Spieler geworden."
Dennoch: Der feine Techniker steht am Scheideweg seiner Karriere. Gibt er sich weiter mit der Rolle als erster Vertreter der Topstars zufrieden? Oder wagt er einen Neuanfang, um woanders zur tragenden Säule zu werden? Wer Löw genau zuhörte, verstand: Will Draxler im kommenden Sommer zum fünften Mal nacheinander bei einem großen Turnier dabei sein, muss er wechseln.