Fußball-Kolumne - Löw-Nachfolge: Warum Oliver Bierhoff Hansi Flick statt Ralf Rangnick als neuen Bundestrainer bevorzugen würde

Favorit auf die Löw-Nachfolge? Bayern-Trainer Hansi Flick könnte für Oliver Bierhoff der Top-Kandidat für die ab Sommer vakante Bundestrainer-Stelle werden.
© IMAGO / Hartenfelser

Nach dem Abschied von Bundestrainer Jogi Löw nach der EM könnte Ralf Rangnick für Aufbruchstimmung und Innovationen sorgen. Trotzdem hat der beim DFB für die Nachfolgesuche zuständige Oliver Bierhoff anscheinend andere Pläne - und Rangnick könnte womöglich auch woanders unterschreiben. Die Fußball-Kolumne.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Sein grundsätzliches Interesse am Bundestrainer-Posten hat Ralf Rangnick bereits in den vergangenen Monaten nicht verhehlt. Allerdings mit einer Einschränkung: Solange Jogi Löw im Amt sei, verbiete sich jegliche öffentliche Bewerbung.

Diese Situation hat sich seit Dienstag schlagartig geändert, als Löw seinen Abschied nach 15 Jahren für den Sommer ankündigte.

Auch wenn die seitdem zuständige Ein-Mann-Trainerfindungskomission namens Oliver Bierhoff am Donnerstag mit Verweis auf die ersten Post-Löw-Länderspiele im September erklärte, man wolle sich Zeit lassen: Die Nachfolgediskussion ist bereits in vollem Gange.

Die Frage ist nun, ob der DFB tatsächlich bis zum Sommer warten will, weil dann vielleicht doch die noch langfristig gebundenen Jürgen Klopp (FC Liverpool) und Hansi Flick (FC Bayern) plötzlich zur Verfügung stehen könnten.

Löw-Nachfolge: Rangnick steht für das, was DFB braucht

Stand jetzt müsste eigentlich Rangnick der Favorit sein, denn er ist mit Abstand der kompetenteste und erfahrenste aller aktuell verfügbaren Kandidaten - und derzeit ohne Job. Wie lange das noch der Fall sein wird, ist aber eine andere Frage, denn aktuell führt sein Berater Gespräche über eine Rückkehr zu Schalke 04.

Doch vor allem der DFB könnte den "Fußball-Professor" nach den zahlreichen Rückschlägen der vergangenen Jahre und der Stagnation der Nationalmannschaft dringend gebrauchen: Als Gesicht eines Neuanfangs mit Schwung, frischen Ideen und neuer Identifikation.

Rangnick hat in seiner bald drei Jahrzehnte dauernden Karriere mehrfach bewiesen, dass er dafür der richtige Bundestrainer wäre. Er kann sowohl mit Stars als auch mit jungen Talenten arbeiten und diese zu Topspielern entwickeln. Er hat innovative Ideen, verfügt über eine eigene Philosophie und Visionen und ist klar erfolgsorientiert.

Sogar so unterschiedliche Charaktere wie Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus, dessen eigene Rolle als Bundestrainerkandidat Insider als mediale Erfindung bezeichnen, und Klopp sprachen sich für den 62-Jährigen aus. "Ralf Rangnick würde dem DFB auch guttun", meinte Liverpools Coach. "Das wäre meine erste Lösung."

Löw-Nachfolge: DFB reagiert reserviert auf Rangnick

Hoffenheim und Leipzig führte der Schwabe, natürlich auch dank der großzügigen Budgetierung durch die Geldgeber, aus der Unterklassigkeit an die Bundesligaspitze und etablierte beide Teams dort nachhaltig. Er könnte also genau der Mann sein, der wieder für die verlorengegangene Identifikation der Fans mit dem DFB und neue Perspektiven sorgt.

Und zwar nicht nur bei der Nationalmannschaft, sondern auch im unterhalb der U 21 seit Jahren erfolglosen Juniorenbereich, in dem das Potenzial an Toptalenten nach dem Jahrgang 1995/96 erschreckend gering scheint. Daher wäre Rangnick auch ein geeigneter Kandidat, um das bald fertiggestellte Prestigeprojekt DFB-Akademie tatsächlich zu der erhofften Talentschmiede für Spieler wie für Trainer zu machen.

Trotzdem spricht momentan wenig dafür, dass Rangnick am Ende tatsächlich eine ernsthafte Chance bekommen wird. Die äußerst reservierten Reaktionen auf seine offizielle Bewerbung via Sky ("Es ist eine Stelle, die niemanden in Deutschland kalt lässt. Ich kann mir grundsätzlich alles vorstellen") von seiten der Verbandsspitze sprechen Bände.

Das Problem: Der Backnanger gilt zwar als kompetent, begeisternd und zielstrebig, aber eben auch als fordernd, anstrengend, pedantisch und mitunter nervig. Rangnick würde wohl tatsächlich beim verkrusteten DFB keinen Stein auf dem anderen lassen, wenn ihm alle Freiheiten gegeben würden. Die Furcht bei vielen im Verband scheint daher groß zu sein, Macht, Einfluss und Pfründe zu verlieren.

Symbolisch dafür steht für die Kritiker der sportlich mächtigste Mann im DFB: Oliver Bierhoff. Löw erklärte seinen Abschied am Donnerstag damit, dass jetzt "eine Zeit der Erneuerung, eine Zeit der Veränderung und der Bewegung"nötig sei und nur ein Neustart ähnlich wie vor der Heim-WM 2006 für die benötigte Aufbruchstimmung in Richtung Heim-EM 2024 sorgen könne.

DFB: Oliver Bierhoff durch Löw-Rückzug noch mächtiger

Daneben saß der wie Löw seit 17 Jahren für den DFB tätige Bierhoff und tat so, als ging ihn das alles nichts an. "Und was ist mit Bierhoff? ", fragte die FAZ daher rhetorisch, und meinte: "Wer zusammen feiert, ist auch zusammen gescheitert."

Doch nichts deutet darauf, dass Bierhoff sich ähnliche Gedanken wie sein langjähriger enger Begleiter Löw gemacht hat. Im Gegenteil: Durch den Rückzug des Bundestrainers ist der 52-Jährige erst mal aus der Mitverantwortung, wenn die EM in diesem Sommer ein Misserfolg werden sollte.

Angesichts eines hoch dotierten und noch bis 2024 laufenden Vertrags sitzt Bierhoff ohnehin ungeachtet der massiven Kritik bei Fans und Medien sicher im Sattel, weil er in der DFB-Führung der einzige verbliebene Funktionär mit sportlicher Kompetenz ist. Daher kann man auch davon ausgehen, dass das Präsidium seinen Vorschlag für den neuen Bundestrainer abnicken wird.

Bierhoff und Rangnick: Zusammen schwer vorstellbar

Eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Rangnick und Bierhoff kann sich auf Dauer aber eigentlich niemand vorstellen, der die beiden gut kennt. Dass der für den Sport alleinverantwortliche DFB-Direktor Macht und Kompetenzen abgibt und womöglich einen seiner zahlreichen Getreuen degradiert, die er im Verband in den vergangenen Jahren installiert hat: unwahrscheinlich.

Dass sich Rangnick, der bei seinen letzten Stationen immer der sportlich Hauptverantwortliche war, unter Bierhoff einordnet: ebenfalls wenig realistisch. Dennoch würde er es wohl zumindest versuchen, weil der Reiz des Postens offenbar größer ist. "Ich könnte mir vorstellen, dass eine Zusammenarbeit mit Oliver Bierhoff sehr fruchtbar wäre. Es wäre hilfreich jemanden zu haben, der die Gepflogenheiten schon kennt. Beim DFB wird in sehr vielen Bereichen in die richtige Richtung gearbeitet und gedacht", lobte Rangnick seinen potenziellen künftigen Vorgesetzten.

Der Angesprochene gab die Komplimente aber nicht zurück und erklärte vielmehr knapp, er wolle sich zu keinem Kandidaten äußern. Was nicht bedeutet, dass Bierhoff Rangnicks Arbeit nicht zu schätzen weiß. Aber man kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass er gerne einen anderen Bundestrainer hätte.

Hansi Flick verweist auf Vertrag bis 2023 beim FC Bayern

Womit man wieder bei Hansi Flick angelangt wäre, der am Freitag zwar auf seinen bis 2023 laufenden Vertrag beim FC Bayern verwies, einen Job beim DFB aber bei weitem nicht so kategorisch ausschloss wie zuvor Jürgen Klopp. FCB-Boss Karl-Heinz Rummenigge, Flicks wichtige Vertrauensperson im Verein, hat eine Freigabe des Erfolgstrainers jedoch kategorisch ausgeschlossen.

Und auch die anhaltenden Berichte über teilweise heftige Meinungsverschiedenheiten mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic, die SPOX und Goal ebenfalls zugetragen wurden, werden von Bayern-Verantwortlichen als hart geführte, aber konstruktive Diskussionen relativiert. Flick bekräftigte dies in seiner Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel in Bremen. "Auch in einer Ehe oder Partnerschaft kann es immer mal wieder zu Unstimmigkeiten kommen", sagte er. "Es ist eine ganz normale Zusammenarbeit, bei der nicht immer Einigkeit herrscht. Ich sehe nichts, was uns in der Zusammenarbeit stören könnte. "

Insider (und angeblich auch die DFB-Verantwortlichen) glauben dennoch, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Sollte Flick aber tatsächlich bei Bayern bleiben, darf man gespannt sein, wie Bierhoff sich in der Bundestrainer-Frage entscheidet. Die verbandsinternen Nachfolgekandidaten, U-21-Chefcoach Stefan Kuntz und Löw-Assistent Marcus Sorg, gelten aus verschiedenen Gründen als nicht geeignet für den Posten, würden aber den Erhalt des Status quo und damit auch Bierhoffs großer Machtfülle garantieren.

Für die viel näher liegende Lösung mit Rangnick hingegen müsste Bierhoff wohl über seinen Schatten springen. Kein Wunder, dass der Ex-Profi daher erst mal auf Zeit spielt. Allerdings könnte ihm dieses Vorgehen schneller als gedacht auf die Füße fallen. Wie SPOX und Goal am Freitag bestätigt wurde, sprechen Rangnick und sein Berater Marc Kosicke aktuell mit einflussreichen Schalke-Anhängern aus Wirtschaft und Politik. Sollten die Vertreter dieser Gruppe bei den Aufsichtsratswahlen im Juni eine Mehrheit erhalten, wollen sie Rangnick als neuen Sportvorstand und starken Mann zurück zu den Königsblauen holen.

Allerdings sind die Gespräche im Gegensatz zu den Berichten von Bild und Funke Medien, die das Rangnick-Comeback zuerst vermeldet hatten, noch weit von einer Einigung entfernt, von einer Zusage der Rangnick-Seite ganz zu schweigen. Sollte es aber tatsächlich so kommen, können Bierhoff und der DFB nur darauf hoffen, dass es doch noch irgendwie mit Wunschkandidat Flick klappt. Außer man würde eben sofort und konkret auf Rangnick zugehen.

Artikel und Videos zum Thema