Am Ende stand ein Satz, den der gescheiterte Präsident bei seinem Blick zurück im Zorn zuvor selbst widerlegt hatte. "Es war mir eine Ehre, dem Fußball nach besten Kräften zu dienen", schloss Fritz Keller seinen schriftlichen Abschied vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). Dass es dem 64-Jährigen wirklich eine Ehre war, darf nach dem vor Frust triefenden Rundumschlag Kellers gegen seine Widersacher am Tag seines Rücktritts stark bezweifelt werden.
Keller, der mit seinem Abgang die Konsequenz aus dem von ihm verursachten Nazi-Eklat zog, prangerte am Montag mit über 800 Wörtern eine "desolate Führungssituation" an. "Mein Fehlverhalten erfolgte in einem für den DFB beschämenden Umfeld", schrieb Keller: "Mein Rücktritt wird die Probleme innerhalb des DFB und des Fußballsports allerdings nicht lösen." Der Ex-Boss forderte deshalb eine "personelle Erneuerung der Spitze" - und bezog sich damit auf seine internen Gegner.
"Der DFB muss sich verändern. Er muss seine Glaubwürdigkeit, das Vertrauen in seine Integrität und Leistungsstärke zurückgewinnen", betonte Keller: "Es ist es mir in dieser Situation nicht gelungen, innerhalb der Gremien des DFB eine vertrauensvolle, verlässliche und kollegiale Zusammenarbeit zu erreichen." Laut Keller hatte das Ganze "mit ordnungsgemäßer Verbandsführung nichts zu tun". Er sei "in jeder Phase" der Umsetzung seiner Grundsätze "innerhalb des DFB auf Widerstände und Mauern" gestoßen.
Nach dem Aus für Keller sollen die beiden ersten Vizepräsidenten Rainer Koch (Amateure) und Peter Peters (Profis) den krisengeplagten Verband bis zu einem vorgezogenen Bundestag zu Beginn des kommenden Jahres interimsmäßig führen. Wer neuer DFB-Boss werden soll, ist völlig offen. Von der neuen Führung verlangte Keller "die Aufklärung aller möglichen Unregelmäßigkeiten und Verfehlungen" durch "externe" Spezialisten.
DFB-Präsident: Fritz Keller am Ende nicht mehr tragbar
Sie sollen das schaffen, was Keller nicht gelang. Der Kurzzeit-Präsident stand als 13. Chef des größten Einzelsportverbands der Welt nur 598 Tage an der Spitze - der frühere Boss des SC Freiburg kam als Hoffnungsträger und geht als Gescheiterter.
Dieses Schicksal teilten bereits seine Vorgänger Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel, die ebenfalls vorzeitig ihren Hut nehmen mussten. Als Kandidaten für den Schleudersitz sind mittlerweile zahlreiche Namen im Gespräch, seine Bereitschaft hat aber noch niemand erklärt.
Kellers Amtszeit war geprägt von einem anhaltenden Machtkampf in der heillos zerstrittenen Führung. Dazu kamen Ermittlungen der Justiz gegen Verbandsfunktionäre und die Probleme als Folge der Corona-Pandemie.
Keller schaffte es nicht, die zahlreichen Ungereimtheiten innerhalb des DFB aufzuklären. Auch im Skandal um die WM-Vergabe 2006 konnte der Winzer und Gastronom keine neuen Fakten liefern, obwohl Keller dies über Monate angekündigt hatte.
Am Ende war Keller nicht mehr tragbar, weil er seinen Stellvertreter Koch in einer Sitzung mit dem berüchtigten Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte. Aus diesem Grund musste sich Keller als erster DFB-Präsident vor dem verbandsinternen Sportgericht verantworten. Ein Urteil wird für die kommenden Tage erwartet.
Keller: Auch Koch, Curtius und Osnabrügge müssen gehen
Neben Keller soll auch Generalsekretär Friedrich Curtius den DFB verlassen. Der Vertrag von Kellers Widersacher muss aber zuvor aufgelöst werden. Schatzmeister Stephan Osnabrügge will nur noch bis zum Bundestag im Amt bleiben.
Auch Koch wird dann sein Amt zur Verfügung stellen, der umstrittene Funktionär will aber voraussichtlich im Präsidium bleiben. Als einziges Mitglied des mächtigen Präsidialausschusses soll der ebenfalls in der Kritik stehende Peters sein Amt behalten.
Für Keller steht es außer Frage, dass Curtius, Osnabrügge und Koch gehen müssen. "Der DFB muss seine Unabhängigkeit gegenüber Personen, die als Beschuldigte in unterschiedlichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geführt werden, bewahren - die Unschuldsvermutung der Betroffenen wäre dadurch nicht berührt", äußerte der Ex-Präsident.
Trotz des bisher ausgerufenen "Neuanfangs light" hoffen die Beteiligten auf eine bessere Zukunft. "Es ist gut, dass es nicht nur an einer Person, nämlich an Fritz Keller, festgemacht wird, sondern dass es mehrere betrifft", sagte Hermann Winkler, der Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV), im Deutschlandfunk: "Das entspricht auch dem Wunsch vieler Vereinsvertreter und der Basis."
Um zukünftig eine andere Kultur beim DFB zu etablieren, werden zudem die Rufe nach einem größeren Frauenanteil an der Spitze lauter. "Wir brauchen die Erfahrungen, die Kompetenz der Frauen", sagte Winkler. Im DFB-Präsidium sitzt in Hannelore Ratzeburg nur eine Frau. Die Regional- und Landesverbände werden ausschließlich von Männern geführt. Eine Frau auf dem Chefsessel wäre ein Novum in der 121-jährigen DFB-Geschichte
Neben einem größeren weiblichen Einfluss fordert Winkler die Rücknahme von Neuerungen. Insbesondere solle der Präsident oder die Präsidentin wieder eine Richtlinienkompetenz erhalten: "Diese Funktion 'Bundespräsident als DFB-Präsident' hat nicht funktioniert und deshalb müssen wir auf dem nächsten Bundestag darüber sprechen."