Kommentar: Trotz "Arroganz-Anfall" - darum muss Nico Schlotterbeck mit zur WM

Johannes Ohr
28. März 202212:15
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Nico Schlotterbeck feierte beim 2:0 gegen Israel sein Länderspieldebüt. Trotz eines verursachten Elfmeters in der Nachspielzeit machte der Innenverteidiger vom SC Freiburg ein starkes Spiel. Bundestrainer Hansi Flick kommt bei der WM in Katar eigentlich kaum an ihm vorbei. Eine kommentierende Analyse.

Kurz vor Schluss hätte sich Nico Schlotterbeck sein starkes Länderspieldebüt fast selbst kaputt gemacht. Es lief schon die Nachspielzeit, als er sich bei einem Abspiel im eigenen Strafraum zu viel Zeit ließ und statt des Balles Israels Cohen am Fuß traf. Immerhin: Den unnötigen Elfmeter konnte Torhüter Kevin Trapp parieren.

Ein Blackout des Freiburgers, den Experte Per Mertesacker hinterher als "kleinen Arroganz-Anfall" bezeichnete.

Schlotterbeck widersprach dem Weltmeister zwar, zeigte sich aber auch einsichtig. "Arroganz-Anfall würde ich nicht sagen", betonte er, "das war einfach schlecht, eine Unkonzentriertheit, das darf mir nicht passieren. Ich muss mich bei Kevin bedanken, so ist es für mich glimpflich ausgegangen."

Ein Aussetzer zur rechten Zeit. Denn wann soll ein Debütant Fehler machen können, wenn nicht in einem eigentlich unbedeutenden Freundschaftsspiel? Viel wichtiger in diesem Zusammenhang: Der 22-Jährige zeigt sich lernwillig, redet seinen Lapsus nicht schön. Schlotterbeck mag es vielleicht noch an Erfahrung und Konstanz fehlen, nicht aber an Qualität. Und deshalb muss er mit zur WM.

Nico Schlotterbeck: Flick kann seine Qualitäten brauchen

Im ersten Länderspiel seiner Karriere deutete der Innenverteidiger sein Potential mehr als nur an und zeigte, welche Stärken er ins DFB-Team einbringen kann. Schlotterbeck schwang sich direkt zu einer Art Quarterback aus der Defensive auf, spielte punktgenaue Flugbälle und war insgesamt sehr auffällig im Spielaufbau.

Gegen zugegebenermaßen schwache Israelis brachte er dabei überragende 93 Prozent seiner Zuspiele an den Mann. Den Fakt, dass Schlotterbeck Linksfuß ist, darf man dabei nicht außer Acht lassen. Die wohl gesetzten Antonio Rüdiger und Niklas Süle haben beide einen starken rechten Fuß, ebenso Jonathan Tah, Matthias Ginter und Thilo Kehrer. Schlotterbeck ist vor allem für den Spielaufbau damit eine echte Alternative.

Bleiben Unkonzentriertheiten wie am Samstagabend aus, muss Schlotterbeck fast schon alleine deshalb mit nach Katar. Und defensiv? In seiner Kernkompetenz als Verteidiger wurde er gegen Israel zwar nicht gefordert. In der Bundesliga sticht er mit 67 Prozent gewonnener Zweikämpfe aber auch hier heraus. Dazu erzielte er bereits vier Treffer, zwei davon per Kopf nach Standardsituationen.

Nico Schlotterbeck bekommt ein WM-Ticket, wenn ...

"Er kann mit seinem Debüt wirklich zufrieden sein. Er hat ein gutes Spiel gemacht, war sehr präsent und aktiv", lobte Flick Schlotterbeck nach dem Spiel. Der Bundestrainer nahm ihn nach dessen Fehler kurz vor Schluss auch sofort zur Seite: "Nico und ich haben über die Situation gesprochen. Er hat das auch ganz klar so analysiert wie wir als Trainerteam, das ist schon mal ein guter Schritt. Das sind Dinge, die können bei einer Weltmeisterschaft in der 90. Minute tödlich sein. Auf diesem Niveau muss man 90 Minuten voll konzentriert sein und darf keine Fehler machen. Die letzte Aktion war hoffentlich eine gute Lehre für ihn."

Lernt Schlotterbeck daraus, dürfte er bei der WM in Katar zumindest im Kader stehen. Möglich, dass er im Wüstenstaat dann einen anderen Verein als den SC Freiburg vertritt. Bei den Badenern steht Schlotterbeck noch bis 2023 unter Vertrag - Bayern und der BVB beobachten ihn.

"Natürlich besteht die Möglichkeit, dass ich im Sommer gehe. Ein Wechsel ist sehr wahrscheinlich, aber entschieden ist noch nichts", sagt Schlotterbeck, dessen Vertrag bis 2023 datiert ist. "Wir werden uns nach der Saison zusammensetzen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich in Freiburg noch entwickeln kann, dann bleibe ich".

In der Entwicklung ist Schlotterbeck aber auch jetzt schon recht weit. Die interessierten Vereine, gerade aus Deutschland, täten womöglich gut daran, ihn schon im Sommer aus Freiburg loszueisen. Sollte Schlotterbeck nämlich schon im Winter in Katar eine substanzielle Rolle im DFB-Team spielen, würde buchstäblich die ganze Welt genau hinschauen.

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