SPOX: Am Samstag spielt Ihr Heimatland Südafrika gegen Ihre Wahlheimat Deutschland und Sie sind nicht dabei. Traurig?
Carnell: Ich bin natürlich enttäuscht, ich wäre sehr gerne dabei gewesen. Aber leider kam wieder eine Wadenverletzung dazwischen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als an meinem Comeback zu arbeiten.
SPOX: Ist das die alte Verletzung, die Sie schon beim KSC lange außer Gefecht gesetzt hat?
Carnell: Es ist ein Faserriss im gleichen Muskel, aber es ist keine alte Vernarbung aufgerissen, sondern eine komplett neue Verletzung. Glück im Unglück sozusagen, denn das ist für den Heilungsverlauf deutlich besser.
SPOX: Wären Sie dabei gewesen, wenn Sie fit wären?
Carnell: Ich hoffe es. Nachdem ich schon lange nicht mehr nominiert worden bin, wäre das Spiel gegen Deutschland die optimale Gelegenheit dafür gewesen und es hätte auch Sinn gemacht, weil das Spiel praktisch vor meiner Haustür stattfindet.
SPOX: Gab es trotz Ihrer Verletzung Kontakt zum Trainer Joel Santana?
Carnell: Nein, Kontakt zum Trainer hatte ich nicht. So funktioniert das bei uns nicht.
SPOX: Wie läuft es dann ab?
Carnell: Der Trainer hat seine Beobachter in den einzelnen Ländern und nach deren Informationen richtet er sich. Ich spreche in erster Linie mit den Ärzten, denen ich ständig ein Protokoll über meinen Fitnesszustand zukommen lasse und mit einer Vermittlerin, die den Kontakt zwischen dem Verband, dem Trainerstab und den Spielern herstellt.
SPOX: Und was hat sie gesagt?
Carnell: Sie meinte, dass sie mich ständig beobachten. Aber es ist nicht so, dass sie sagen: "Hey, wir brauchen dich unbedingt".
SPOX: Rechnen Sie sich dennoch Chancen auf die WM-Teilnahme in einem Jahr aus?
Carnell: Ich bin Realist und die Chancen werden natürlich immer geringer. Klar träume ich davon, die WM im eigenen Land zu spielen. Aber jeder Tag, an dem ich nicht trainieren oder spielen kann, lässt meine Chancen schrumpfen.
SPOX: Schauen Sie trotzdem bei Ihren Kollegen im Hotel vorbei? Oder sind Sie beim Spiel im Stadion?
Carnell: Nein, ich glaube nicht. Für meinen Körper wären die vier, fünf Stunden Autofahrt von Rostock nach Leverkusen zu anstrengend.
SPOX: Wie wichtig ist das Spiel für die Entwicklung der Mannschaft?
Carnell: Das ist wieder ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir haben das letzte Spiel gegen Serbien zuhause 1:3 verloren und dabei keine gute Figur abgegeben. Deshalb wollen wir uns gegen Deutschland besser präsentieren und zeigen, was wir spielerisch können. Insgesamt ist die Mannschaft aber auf einem guten Weg. Der Trainer nimmt personell nur wenige Änderungen vor, so dass das Team eingespielt und stabil ist.
SPOX: Das hat auch der Confed-Cup nach leichten Anlaufschwierigkeiten gezeigt. Wie wichtig war das Erreichen des Halbfinals für die Stimmung im Land und das Selbstvertrauen der Mannschaft.
Carnell: Sehr wichtig natürlich. Die Menschen freuen sich auf die WM im nächsten Jahr und Südafrika hat gezeigt, dass es so ein Ereignis abwickeln kann. Für die Spieler war es auch ein außergewöhnliches Erlebnis, das die Vorfreude auf die WM noch gesteigert hat. Jetzt können sie sich gegen die große Fußballnation Deutschland wieder beweisen und zeigen, was sie können. Letztendlich liegt der Fokus aber nicht auf Samstag, sondern auf der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr.
SPOX: Wie lauten die Nahziele für Samstag? Kann Südafrika Deutschland schlagen?
Carnell: Ich denke nicht. Wenn Deutschland die Reise nach Südafrika hätte machen müssen, dann ja. Aber auswärts sind die Chancen für uns minimal.
SPOX: Was kann man dann von Südafrika erwarten?
Carnell: Wir sind jederzeit in der Lage ein, zwei Tore zu schießen. Das haben wir vor vier Jahren gegen Deutschland bewiesen, als wir 2:4 verloren haben. Aber um uns wirklich mit Mannschaften wie Deutschland messen zu können, müssen wir disziplinierter spielen und uns taktisch verbessern.
SPOX: Wird sich die Mannschaft deshalb am Samstag besonders auf die taktische Disziplin in der Defensive konzentrieren.
Carnell: Ich denke nicht, weil es nicht unsere Art ist, abwartend zu spielen. Wir wollen unser Spiel durchziehen und die zuletzt wackelige deutsche Defensive fordern. Wir haben sehr viele Spaßfußballer und das Schlimmste wäre, denen den Spaß durch taktische Zwänge zu nehmen. Die sind das aus Südafrika auch nicht gewohnt. Da heißt es: "Jungs, geht raus und habt Spaß."
SPOX: Das klingt ja ein bißchen nach Franz Beckenbauer.
Carnell: Stimmt. Aber das passt zu unserem Lebensgefühl und zu unserer Auffassung von Fußball. Ein Spieler wie Steven Pienaar lebt von seinen technischen Fähigkeiten und nicht vom Spiel gegen den Ball. Er braucht viele Ballkontakte, um im Spiel zu sein und die Kombinationen mit seinen Mitspielern. An einem guten Tag können wir wirklich attraktiven Fußball spielen.
SPOX: Auf wen muss Deutschland neben Pienaar noch aufpassen?
Carnell: Wir haben zwei, drei sehr gute Einzelspieler. Über links kann Tshabalala für viel Wirbel sorgen. Pienaar wird das Spiel hinter den Spitzen oder von der rechten Seite aus lenken. Wichtig ist, dass wir unser Kurzpassspiel durchziehen und dann in die Gasse spielen auf Bernard Parker, der ist sehr flink und laufstark. Der läuft 14, 15 Kilometer im Spiel und wird nie müde. In der Luft werden wir wahrscheinlich jedes Duell verlieren. Aber diese kleinen, flinken Spieler können die Deutschen schon vor Probleme stellen.