DFB-Team: Deutschland zeigt eine neue Widerstandsfähigkeit
"Aktiven und attraktiven Fußball gepaart mit einem Sieg": Das wünschte sich der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann vor dem Testspiel gegen die USA und genau das bekam er von seiner Mannschaft auch. Nach den zahlreichen Tiefpunkten unter Hansi Flick und der Auferstehung unter Rudi Völler sorgt der Sieg gegen die USA nun tatsächlich für etwas Zuversicht mit Blick auf die Heim-EM 2024.
Das DFB-Team zeigte zwar keine Gala, aber erstmals seit langem über die volle Spielzeit dominanten und ansehnlichen Fußball. Probleme machte zunächst nur die etwas wackelige Defensive, mit zunehmender Spieldauer stabilisierte sie sich aber sichtlich. "Wir haben uns nicht irgendwie einen Sieg zusammengewürgt, sondern waren fußballerisch sehr, sehr gut", betonte Nagelsmann zurecht.
Dabei geriet das DFB-Team zunächst in Rückstand. Ein Umstand, der in der Vergangenheit gerne für völlige Panik und Verunsicherung gesorgt hat - nicht so diesmal. "Am meisten gefallen hat mir, dass wir ruhig geblieben und nicht hektisch geworden oder zusammengebrochen sind", sagte Nagelsmann. "Wir sind sehr gut zurückgekommen nach dem Rückstand. Das war nach den letzten Monaten nicht so einfach."
Das DFB-Team zeigte eine zuletzt ungekannte Widerstandsfähigkeit, spielte trotz 0:1 weiterhin überlegt nach vorne und kam durch Ilkay Gündogan noch vor der Pause zum verdienten Ausgleich. Niclas Füllkrug und Jamal Musiala besorgten letztlich den 3:1-Sieg. Die Statistiken unterstreichen den starken Auftritt: 60 Prozent Ballbesitz, 5:1 Großchancen und ein xG-Verhältnis von 3,15 zu 0,27.
Nagelsmann legt das Potenzial der Individualisten frei
Leroy Sané schlängelte sich vor Gündogans 1:1 mit dem Ball am Fuß von der rechten Seite in den Strafraum, Jamal Musiala stürmte vor dem 3:1 von links ins Zentrum und vollendete dann energisch. Zwei herausragende Aktionen von zwei herausragenden Individualisten. Sind sie wie gegen die USA in Top-Form und bekommen sie die nötigen Freiheiten, verkörpern Sané und Musiala absolute Weltklasse.
Was man beim FC Bayern München weiß, ist in der Flick-Nationalmannschaft zuletzt etwas in Vergessenheit geraten bei all den Niederlagen gegen die Japans dieser Welt. Nagelsmann legte das Potenzial seiner beiden herausragenden Individualisten zumindest fürs Erste auch im DFB-Team frei. Der Dritte im Bunde Florian Wirtz präsentierte sich zwar unauffälliger, machte aber ebenfalls ein gutes Spiel.
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Sané, Musiala und Wirtz hinter dem klassischen Mittelstürmer Niclas Füllkrug: Womöglich bot Nagelsmann gegen die USA bereits seine EM-Offensive auf. Nominell verfügt der Bundestrainer übrigens auch über hochkarätige Alternativen: Kai Havertz, Thomas Müller und der aktuell verletzte Serge Gnabry sind schließlich allesamt mit Champions-League-Titeln dekoriert.
Mats Hummels verstärkt das DFB-Team doppelt
Mats Hummels ist 34 Jahre alt und hat im Laufe seiner Karriere schon einiges erlebt, unter anderem einen WM-Titel. Insofern war es durchaus beachtlich, wie emotional aufgekratzt er sich nach diesem Testspielsieg gegen die USA äußerte. "Es war wirklich etwas Besonderes, es hat mich sehr erfüllt", sagte er im RTL-Interview - und bezog sich dabei sowohl auf das Hymnensingen als auch auf das Fußballspielen.
Nach über zwei Jahren Abwesenheit feierte Hummels in Hartford sein Nationalmannschaft-Comeback. Er verstärkte das DFB-Team doppelt, als Fußballer und als Typ. Ähnlich wie sein langjähriger Kumpel Thomas Müller ist auch Hummels eine absolute Identifikationsfigur. Man merkt ihm förmlich an, wie gerne er sein Heimatland repräsentiert. Schon wegen dieser offensichtlichen Leidenschaft, wegen seinen Späßen und seinen meist treffenden Analysen ist Hummels' Präsenz förderlich.
Angenehmerweise ist er darüber hinaus weiterhin ein hervorragender Innenverteidiger. Gegen die USA war Hummels Deutschlands bester Abwehrspieler. Am Anfang wackelte er zwar auch etwas, trotz seiner Tempodefizite kam er aber ohne groben Schnitzer aus. Kein DFB-Spieler gewann mehr Zweikämpfe, keiner mehr Luftzweikämpfe als er. Bei eigenem Ballbesitz kurbelte er das Aufbauspiel gemeinsam mit Ilkay Gündogan entscheidend an. Obwohl sich Hummels einige riskante, vertikale Zuspiele traute, kam er auf eine starke Passquote von 97 Prozent.
Ansprüche stellt Hummels aber nicht. "Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich definitiv nicht der klare Anführer bin, wenn Toni Rüdiger spielt", betonte er nach dem Spiel. Sein Nebenmann von Real Madrid leistete sich vereinzelte Unsicherheiten, etwa vor Christian Pulisics Traumtor zum 1:0. Mit Blick auf die EM erscheint ein Innenverteidiger-Duo Hummels/Rüdiger denkbar.
DFB-Team: Die Außenverteidigung bleibt die Problemzone
In der Innenverteidigung hatte es Nagelsmann verhältnismäßig einfach, einen verbessernden Impuls zu setzen: Mit Hummels stand ein formstarker Kandidat bereit - er musste ihn nur nominieren. Auf den beiden Außenverteidiger-Positionen stellt sich die Situation dagegen schwieriger dar. Dort mangelt es nämlich deutschlandweit an Spielern mit internationalem Niveau.
Beim 2:1-Sieg gegen Frankreich hatte rechts hinten noch der gelernte Innenverteidiger Jonathan Tah mit einer starken Leistung überrascht. Nagelsmann setzte das Experiment gegen die USA fort: Diesmal agierte Tah auf ungewohnter Position aber wie ein - naja - gelernter Innenverteidiger. Sein Pendant auf links Robin Gosens gab zwar eine tolle Vorlage zum 2:1, präsentierte sich ansonsten aber sowohl mit als auch gegen den Ball überfordert.
Neben Gosens steht mit David Raum nur noch ein weiterer gelernter Außenverteidiger im Aufgebot. Immerhin hat er sich in dieser Saison seinen Stammplatz bei RB Leipzig zurückerobert. Als kleiner Hoffnungsträger für die rechte Seite gilt sein Klub-Kollege Benjamin Henrichs, der aktuell wegen einer Muskelverletzung pausiert. Aus dem aktuellen Kader kommt für diese Position ansonsten nur noch Niklas Süle in Frage, der jedoch genau wie Tah gelernter Innenverteidiger ist. Die Außenverteidigung bleibt die Problemzone.
USA vs. Deutschland: 1:3 (1:1) | |
Tore | 1:0 Pulisic (27.), 1:1 Gündogan (39.), 1:2 Füllkrug (58.), 1:3 Musiala (61.) |
Aufstellung USA | Turner - Dest, Ream, M. Robinson, Scally - Musah, McKennie (74. Cardoso), Reyna (46. de la Torre), Pulisic (75. Paredes), Weah (65. Aaronson) - Balogun (66. Pepi) |
Aufstellung Deutschland | ter Stegen - Tah, Hummels (62. Süle), Rüdiger, Gosens - P. Groß (71. Goretzka), Gündogan, Musiala (81. Führich), Wirtz (62. Havertz) - L. Sané (71. Brandt), Füllkrug (81. Müller) |
Gelbe Karten |
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