Für Jerome Boateng legt sich Horst Hrubesch sogar mit seinem geliebten Hamburger SV an. "Ich habe es nicht verstehen können, dass er in Hamburg auf verschiedenen Positionen ausprobiert worden ist, mal rechts, mal links, mal zentral und im Mittelfeld", sagt der Trainer der deutschen U 21.
Weiter ergänzt er: "Ich glaube nicht, dass es im Sinne der Ausbildung eines Spielers ist, wenn man ihn von einer Position in die andere schickt."
Für Hrubesch "unverzichtbar"
Der 58-Jährige, der mit dem HSV einst deutscher Meister und Europacupsieger wurde, lässt über Boateng keine Diskussionen zu. "Für mich ist er unverzichtbar", erklärt Hrubesch. Kein Wunder, denn in den ersten beiden Spielen der EM in Schweden schaffte Boateng auf seiner Lieblingsposition nacheinander zwei Bestwerte, von denen Innenverteidiger nur träumen können.
Als er im ersten Spiel gegen Spanien (0:0) Barcelonas Wunderkind Bojan Krkic zur Bedeutungslosigkeit verurteilte, blieb er als einziger Feldspieler auch noch ohne Foul im Spiel. Beim 2:0-Sieg gegen Finnland gewann er 100 Prozent seiner Zweikämpfe.
Joachim Löw hat ihn auf dem Schirm
Dieses Turnier könnte den endgültigen Durchbruch bedeuten für den 20-Jährigen, den Bundestrainer Joachim Löw vor Start der Endrunde schon "zu den auffälligen Spielern in der Liga" zählte. HSV-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer und der neue Trainer Bruno Labbadia sahen das Spanien-Spiel auf der Tribüne und kehrten beeindruckt nach Deutschland zurück.
Beiersdorfer berichtete anschließend, Boateng habe der Abwehr viel Stabilität gegeben, besonders auffällig seien "seine Präsenz und Schnelligkeit". Und so kam der HSV-Sportchef zum Fazit: "Er hat beste Voraussetzungen, um ein internationaler Top-Verteidiger zu werden."
Hamburger Fans wollen Boateng
So sehen es auch die Hamburger Fans. Nach einer Umfrage des "Hamburger Abendblatts" wünschen sich 71 Prozent den gebürtigen Berliner als Partner des gesetzten Joris Mathijsen in der Innenverteidigung.
Labbadias Vorgänger Martin Jol hatte Boateng einst mit markigen Worten gelobt: "Der spielt wie ein Erwachsener, und das in diesem Alter auf dieser verantwortungsvollen Position." Spielen lassen hat er ihn kaum, ganze sieben Mal über 90 Minuten.
"Es gibt Trainer, die setzen auf dich - und welche, die es nicht tun", meinte Boateng: "Von daher kann es für mich gut sein, dass Martin Jol gegangen ist." Vielleicht trug der Niederländer dem Talent eine Trainings-Prügelei mit Albert Streit im Februar nach.
Problem-Image abgelegt
Doch das Image vom Problemspieler trifft auf Jerome nicht (mehr) zu. Während sein Halbbruder Kevin-Prince Boateng dies in der Rückrunde bei Borussia Dortmund nicht wirklich entkräften konnte, in Schweden fehlt und vor einer offenen Zukunft steht, ist der jüngere der Boatengs unglaublich gereift.
In der U 21 ist der Sohn eines Ghanaers - der im Gegensatz zu Kevin-Prince übrigens nicht mit dem 54er Weltmeister Helmut Rahn verwandt ist - als Wortführer angesehen, auf einem Niveau mit gestandenen Bundesliga-Profis wie Manuel Neuer, Benedikt Höwedes oder Sami Khedira.
Übergangs-Kapitän der U 21
Als in der Vorbereitung in Abwesenheit vieler Stammspieler ein Übergangs-Kapitän gesucht wurde, stimmte das Team geschlossen für Boateng, den damals jüngsten Spieler im Kader. Bescheiden, wortkarg und fast schüchtern wie der Hamburger in Schweden auf einer Pressekonferenz saß, erfüllte er so gar nicht das Bild vom Ghetto Kid, das Medien gern pflegten.
Monoton leierte er herunter, Krkic "ganz gut im Griff" gehabt zu haben, nachdem er den als Jahrhunderttalent gepriesenen Stürmer zuvor allein mit sportlichen Mitteln entzaubert hatte.
Falls auch dies den Hamburger SV, der weiter auf der Suche nach einem Innenverteidiger ist, nicht überzeugt, kann Boateng beruhigt sein: Von den Talentspähern aus 62 Vereinen werden ihn die meisten auf der Liste haben.