SPOX: Herr Sasic, ganz Saarbrücken fiebert der DFB-Pokal-Partie gegen Borussia Dortmund entgegen. Haben Sie bei Ihrem Gegner schon Schwächen erkannt?
Milan Sasic: (lächelt) Jede Mannschaft hat Schwächen. Es stände mir aber nicht gut zu Gesicht, wenn ich, Trainer eines Drittliga-Teams, öffentlich darüber sprechen würde. Das wäre ja lächerlich.
SPOX: Sie haben mal gesagt, Sie bewunderten den BVB für dessen Entwicklung - was schätzen daran Sie besonders?
Sasic: Zweimal in Folge Deutscher Meister, das ist sensationell. Ich bin damals regelrecht begeistert gewesen. Mir gefällt die Spielphilosophie, das Auftreten, dieser Ehrgeiz. In der Spielweise steckt Ehrlichkeit. Ich mag so etwas. Die Burschen betreiben einen enormen Aufwand, zudem kann sich der eine hundertprozentig auf den anderen verlassen. Das wünscht sich doch jeder Trainer. Es gibt genug Mannschaften, in denen Neid und Egoismus herrscht.
SPOX: Wie würden Sie Ihre Spielphilosophie beschreiben?
Sasic: Ich erwarte von meinen Jungs ein ähnliches Auftreten, sie sollen schnellen und aggressiven Fußball zeigen. Obwohl wir auf einem anderen Niveau spielen, erkenne ich durchaus einige Gemeinsamkeiten mit Dortmund. Wir haben weniger Mittel, weniger Qualität - der Ansatz ist aber ähnlich. Wer den Spielstil meiner bisherigen Mannschaften gesehen hat, dem ist klar, dass ich Angsthasenfußball hasse. Ich fordere Mut und Leidenschaft. Kombinieren bis zum Umfallen und die Kugel hin- und herschieben, nein, das ist nicht meine Welt.
SPOX: Ihre Spieler sagen, sie sollten so schnell wie möglich den Abschluss suchen.
Sasic: Richtig. Nicht reagieren, sondern agieren, darum geht es. So sehe ich Fußball. Eine gewisse Unruhe und Unberechenbarkeit ist wichtig. Mit dieser Art ist Dortmund Meister geworden und in das Champions-League-Endspiel eingezogen.
SPOX: Ihr Kollege Jürgen Klopp musste sein Team aufgrund diverser Verletzungen zuletzt immer wieder umstellen - wie schätzen Sie den Kader der Borussia ein?
Sasic: Dass Dortmund derzeit nicht die Breite hat wie der FC Bayern, dürfte niemanden ernsthaft überraschen. Das ist normal. Man sollte nicht alles, was in Dortmund in den vergangenen Jahren passiert ist, als selbstverständlich und folgerichtig abtun. Wer davon ausgeht, es würde immer so weitergehen, ist nicht realistisch genug. Im Übrigen würde das der überragenden Leistung der Verantwortlichen nicht gerecht; Watzke, Zorc und Klopp bilden ein bärenstarkes Dreieck. Das gibt dem Klub eine enorme Stabilität und Sicherheit. Apropos: Wissen Sie, was ich richtig toll finde?
SPOX: Sie werden es uns verraten.
Sasic: Dass die Geschäftsführung Jürgen Klopp einen Fünfjahres-Vertrag hingelegt hat. Das ist ein extrem starkes Zeichen - genial! Darin steckt viel Überzeugung, Vertrauen und Zufriedenheit. Diese Vertragsverlängerung läuft absolut gegen den derzeitigen Trend. Mit uns Trainern wird üblicherweise anders umgegangen. Dieser Schritt bedeutet daher Rückendeckung pur. Und wer all das nur für eine gelungene Inszenierung hält, hat keine Menschenkenntnis. Die Herren meinen das ernst. Das spürt man.
SPOX: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die BVB-Profis Ihr Team unterschätzen?
Sasic: Eher klein. Die Partie ist für unsere Fans eine tolle Sache und für meine Spieler ein großartiges Erlebnis. Wir freuen uns riesig auf dieses Duell, wissen aber genau, dass unsere Chancen sehr, sehr gering sind.
SPOX: Das heißt?
Sasic: Ich werde mit Ihnen jetzt nicht über Prozentrechnung diskutieren (lacht). Lassen Sie sich überraschen. Eines steht fest: Wir werden fighten.
SPOX: Sie haben nach Ihrer Entlassung beim MSV Duisburg fast zwei Jahre nicht als Trainer gearbeitet - weshalb diese Auszeit?
Sasic: Ich wollte keinen Fehler machen und habe daher zunächst viele Anfragen abgeblockt.
SPOX: Konnten Sie die zwei Jahre genießen oder hat Ihnen das Tagesgeschäft gefehlt?
Sasic: Ich brauche die tägliche Arbeit auf dem Platz, das Gefühl, eine Aufgabe zu erfüllen und etwas zu entwickeln. Stress tut mir gut. Meine Familie kann ein Lied davon singen (lacht). Ein Leben ohne Arbeit ist für mich eine Horrorvorstellung. Würde mir jemand vorschlagen "Milan, bleib zu Hause, du musst nicht mehr arbeiten, wir zahlen dein Gehalt weiter", wäre meine Antwort ein lautes "Nein". Ich suche die Herausforderung und stehe gern unter Druck. Deshalb auch die Entscheidung für Saarbrücken.
SPOX: Sie haben die TuS Koblenz innerhalb von vier Jahren aus der Oberliga in die Zweite Liga geführt. War der Rauswurf 2007 Ihre bislang größte berufliche Enttäuschung?
Sasic: Die fünf Jahre bei der TuS waren geprägt von Harmonie und Vertrauen. Mir war vom ersten Tag an klar, dass das Kapitel irgendwann abrupt enden würde.
SPOX: Sie sprachen damals von einer Herzensangelegenheit.
Sasic: Richtig. Koblenz ist meine Heimat geworden. Nach meiner Beurlaubung haben wir uns dort ein Haus gebaut. Es ist unbeschreiblich, mit welcher Wertschätzung mir die Menschen entgegengetreten sind. In dieser Zeit sind viele Freundschaften entstanden. Wer meine Lebensgeschichte kennt, der ahnt, dass ich das Wort "Heimat" nicht einfach so verwenden würde (während des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien flüchtete Sasic mit seiner Familie nach Deutschland, d. Red.).
Teil 2: Milan Sasic über sein Arbeitspensum und die Zeit in Kaiserslautern