SPOX: Wie formt man aus einem Sanierungsfall einen aufstrebenden Profiklub?
Sasic: Zunächst sollte man eine Vision formulieren. In diesem Fall: Fußball fürs Herz, begeisterte Fans und bitteschön ein ausverkauftes Stadion. Damals sind zu unseren Spielen im Schnitt ja nur 400 Zuschauer gekommen.
SPOX: Erster Schritt: Visionen formulieren, okay, ist notiert - und dann?
Sasic: Ich, der Visionär und Antreiber, bin auf meine Partner angewiesen. Sie müssen bereit sein, unheimlich hart zu arbeiten, dem Ziel alles unterzuordnen und auch mal über ihre Grenzen zu gehen. Glücklicherweise hatte ich Partner, die mich super unterstützt haben. Die Jahre in Koblenz waren sehr, sehr intensiv. Raten Sie mal, wie oft ich in den vier Jahren im Urlaub war?
SPOX: Zweimal?
Sasic: Kein einziges Mal! Ich habe beinahe rund um die Uhr gearbeitet. Leider ist es mir am Ende nicht gelungen, den neuen Vorstand davon zu überzeugen, dass der eingeschlagene Weg falsch ist. Ich habe mich klar positioniert und auch gewehrt, weil ich nicht mit ansehen konnte, wie all das vernichtet wird, was ich zuvor mit meinen Partnern mühsam aufgebaut hatte. Dass so etwas eigentlich nicht zu den Aufgaben eines Trainers gehört, ist mir klar. Aber es war einfach eine emotionale Angelegenheit.
SPOX: Zum Sportlichen: Sehen Sie Parallelen zu Ihrem derzeitigen Arbeitgeber Saarbrücken?
Sasic: In Koblenz hatten die Strukturen nicht ansatzweise etwas mit Profifußball zu tun. Das ist in Saarbrücken anders. Aber auch hier gibt es noch viel zu tun, ich nenne nur das Wort Infrastruktur. Sportlich müssen wir unbedingt Stabilität reinkriegen. Daran arbeiten wir zurzeit mit Hochdruck. Noch zwei Sätze zur TuS: Ich finde es schade, dass nach meinem Abgang der Eindruck entstanden ist, ich würde alles im Alleingang durchziehen. Das ist nämlich falsch. Ich arbeite unheimlich gern im Team. Aber in Koblenz musste ich mich zu Beginn um alles selbst kümmern - ich hatte gar keine andere Wahl. Das ging sogar soweit, dass ich die Gespräche mit den Sponsoren führte.
SPOX: Sie sprechen häufig von "ehrlicher Arbeit" - was ist für Sie eigentlich unehrliche Arbeit?
Sasic: Wenn man Dinge laufen lässt. Wenn man sich beispielsweise damit arrangiert, dass Aufgaben noch nicht abgearbeitet sind. Oder wenn man nicht bereit ist, das vorzuleben, was man von anderen fordert. Man muss bereit sein, etwas zu opfern. Meine Frau könnte Ihnen eine Menge darüber erzählen, sie ist schließlich davon betroffen. Sie weiß genau, dass es keinen Sinn ergibt, mich am Morgen zu fragen, ob ich am Abend Zeit für dieses oder jenes habe. Zuerst arbeite ich den Trainingsplan ab, dann schaue ich weiter. Ich mache erst dann Feierabend, wenn ich alles erledigt habe. Glücklicherweise hat meine Frau dafür Verständnis.
SPOX: Sie lieben Ihren Beruf, nicht wahr?
Sasic: Natürlich. Ich bin sehr glücklich, dass ich in diesem Beruf arbeiten darf. Schließlich habe ich auch andere Zeiten erlebt (Sasic arbeitete nach seiner Ankunft in Deutschland unter anderem als Bauarbeiter, d. Red,). Man darf auch nicht vergessen, dass wir Profitrainer eine Menge Geld verdienen.
SPOX: Ist der durchschnittliche Fußball-Profi aus Ihrer Sicht verwöhnt und oberflächlich?
Sasic: Nein. Die Gesellschaft insgesamt hat sich in diese Richtung bewegt. Der Fußball ist nur ein Teil. Ich will das alles aber nicht kritisieren, denn so ist der Lauf der Dinge.
SPOX: Sie haben mal gesagt "Ich versuche den Spielern begreiflich zu machen, dass es ein Leben neben dem Platz gibt und dass sie die restliche Welt nicht ignorieren dürfen." Herr Sasic, glauben Sie etwa, Ihre Spieler können nachvollziehen, was es heißt, als Bauarbeiter eine 60-Stunden-Woche durchzuziehen?
Sasic: Die Burschen können froh sein, dass sie das nicht erleben. Es wäre allerdings gut, würden sie wenigstens an manchen Tagen darüber nachdenken, was andere Leute leisten.
SPOX: Sprechen wir über Ihre Leistung: 2008 retteten Sie den 1. FC Kaiserslautern vor dem Abstieg in die Dritte Liga und spielten in der Folgesaison um den Aufstieg mit. Hat Sie die Beurlaubung damals überrascht oder haben Sie sie kommen sehen?
Sasic: Leider Gottes habe ich das gespürt. Nach der Trennung habe ich mich zu diesem Thema bewusst nicht geäußert.
SPOX: Aus welchem Grund?
Sasic: Ganz einfach: Ich will dem FCK keinen Schaden zufügen. Hätte ich mich damals öffentlich zur Wehr gesetzt, wäre die Situation womöglich eskaliert.
SPOX: Wie schwer ist es, sich nicht zu äußern, wenn man Aussagen über sich in der Zeitung liest?
Sasic: Sehr schwer (Pause). Ich war traurig und habe zu Hause geweint. Aber ich wusste genau: Wenn du jetzt in die Offensive gehst, ziehst du nur einen Ego-Trip durch - und am Ende stehen alle Beteiligten als Verlierer da. Im Grunde wollte ich wegen der internen Vorfälle selbst Konsequenzen ziehen und nach der Saison meinen Hut nehmen. Die Klubführung ist mir sozusagen zuvor gekommen, sie hat mich vier Spieltage vor Saisonende beurlaubt. Der Abstand zu den Aufstiegsplätzen betrug im Übrigen lediglich drei Punkte. Die Gerüchte nach der Trennung haben mir dann großen Schaden zugefügt.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Sasic: Ich will nicht spekulieren, aber vielleicht haben mir diese Geschichten sogar die Bundesligakarriere verbaut. Zuvor hatten schließlich einige Bundesligaklubs Interesse an mir. In Kaiserslautern wurde mir ein schlechtes Image verpasst. Ich wurde persönlich angegriffen und es sind Unwahrheiten verbreitet worden. Das war nicht fair. Eine menschliche Enttäuschung sozusagen.
SPOX: Welche Emotionen kommen in Ihnen auf, wenn Sie an diese Zeit denken?
Sasic: Mittlerweile ist die Sache erledigt. Ich bin weder nachtragend noch hege ich Rachegefühle. Man muss die negativen Erlebnisse verarbeiten und weitermachen. Ich bin mir stets treu geblieben und werde auch in Zukunft weder handelnde Personen angreifen noch interne Geschichten ausplaudern. Einige meiner Freunde sagen gelegentlich "Milan, Du musst das alles mal klarstellen, du kannst diese miesen Geschichten nicht auf der sitzen lassen." Vielleicht haben diese Freunde Recht. Aber ein solches Verhalten würde nicht zu mir passen. Egal! Ich bin nun Trainer in Saarbrücken und fühle mich hier sehr wohl. Nur das zählt.
SPOX: Von Ihnen stammt der Satz "In kaum einem Land ist ein Trainer so wenig wert wie hier." Haben Sie da nicht übertrieben?
Sasic: Vielleicht. Aber man muss wissen, in welcher Phase und Stimmung die Frage gestellt wurde.
SPOX: Der MSV Duisburg hatte sich zu jener Zeit gerade von Ihnen getrennt, richtig?
Sasic: Genau. Zur Erinnerung: 2011 sind wir mit einem Etat von 6 Millionen Euro ins DFB-Pokal-Finale eingezogen - als Zweitligist! Dadurch wurden fast 9 Millionen erwirtschaftet. Allerdings verließen am Saisonende acht Leistungsträger den Verein, es galt also eine komplett neue Mannschaft aufzubauen. In der Folgesaison lief es nicht von Beginn an rund. Dabei muss die Frage erlaubt sein: Wie stellen sich das einige vor? Ich als Trainer, der im Mai in Berlin im Pokalfinale stand, war dann im Oktober plötzlich nicht mehr gut genug. Deshalb auch die von Ihnen zitierte Aussage. Trotzdem bin ich der Meinung, Deutschland ist das allerbeste und sicherste Fußballland auf der Welt.
SPOX: Eine Frage noch: Empfinden Sie es eigentlich als unverschämt, wenn Sportreporter Sie ständig auf Ihre Erlebnisse während des Bürgerkriegs in Jugoslawien ansprechen?
Sasic: Nein, ich bin nicht sauer, wenn jemand danach fragt. Das passiert immer wieder.
SPOX: Ist Ihnen das nicht zu intim?
Sasic: Die Journalisten treffen mich da an meinem schwächsten Punkt. Dieser Krieg ist die größte Enttäuschung meines Lebens. Ich hatte nie gedacht, dass es je soweit kommen würde. Ich habe Jugoslawien geliebt und bin sehr traurig, dass soviel kaputt gegangen ist. Dass derart viele Menschen ihr Leben verloren haben - schrecklich. Diese traurige Geschichte hat in mir tiefe Spuren hinterlassen. Es gib in der Tat Momente, in denen ich Fragen dazu eher unpassend finde. In den meisten Fällen ist es aber okay.
Milan Sasic im Steckbrief