"In welcher Welt wächst mein Sohn auf?"

Roman Weidenfeller spielt seit 2002 für den BVB
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Roman Weidenfeller spielt seit 2002 für Borussia Dortmund und ist in der BVB-Historie der Spieler mit den zweitmeisten Einsätzen. Vor dem DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt (Sa., 20 Uhr im LIVETICKER) spricht Weidenfeller im Interview über seine Anfänge beim BVB, die Auswirkungen des Anschlags auf den Mannschaftsbus und seine Zukunft in Dortmund.

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SPOX: Herr Weidenfeller, am Samstag endet mit dem DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt Ihre 15. Saison für Borussia Dortmund. 2002 sind Sie nach Westfalen gewechselt. Können Sie sich noch erinnern, wie der Transfer zustande kam?

Roman Weidenfeller: Es waren damals einige Vereine an mir interessiert. Ich wurde von meinem Berater darauf vorbereitet, dass ich einen Anruf aus Dortmund erhalten würde. Michael Zorc und Matthias Sammer haben sich dann um mich bemüht. Mir war daher schnell klar, dass es für mich nur der BVB sein kann. Der Klub, das Stadion, die Fans - das waren sehr gute Gründe, um sich überzeugen zu lassen. Ich selbst hatte auch die Vision, Titel zu gewinnen und wollte dafür ganz bewusst zu einem großen Klub gehen.

SPOX: Anfangs mussten Sie sich mit dem Status als Nummer zwei hinter Jens Lehmann zufrieden geben.

Weidenfeller: Mir war klar, dass ich mich hinten anstellen musste. Ich sah aber die Herausforderung, von dieser Position aus nach einer gewissen Zeit angreifen zu können. Der Name Jens Lehmann war klangvoll, er war Nationaltorwart und brachte hohe Qualität mit. Ich habe gerade in meiner ersten Saison unheimlich von ihm profitieren und lernen können.

SPOX: Was genau?

Weidenfeller: In erster Linie die Strafraumbeherrschung. Jens stammte ja wie ich noch aus der alten Torwartschule. Er war der Vorreiter, der das Spiel außerhalb des Strafraums und seinen eigenen Strafraum beherrscht hat - bis Manuel Neuer es dann perfektioniert hat. Damals stand das noch nicht täglich auf dem Trainingsprogramm. Jens hatte das Flankenspiel immer wieder trainieren lassen. Das habe ich versucht, mir von ihm abzuschauen: Diesen ständigen Ehrgeiz, ob im Training oder beim Spiel.

SPOX: Welche Beziehung hatten Sie anfangs zueinander, Lehmann war ja kein unproblematischer Zeitgenosse?

Weidenfeller: Die Zusammenarbeit mit Jens war bestimmt nicht immer einfach, da wir zwei Alphatiere waren. Ich hatte schon in jungen Jahren einen sehr starken Charakter, für Jens galt das genauso. Es hat uns beiden sehr gut getan, uns im Training gegenseitig zu pushen. Wir sind uns professionell begegnet, dabei hat es mit ihm immer sehr viel Spaß gemacht. Heute haben wir einen sehr guten Kontakt, schätzen uns beide.

SPOX: Wenn Sie jetzt darauf zurückblicken, wie denken Sie über Ihre Zeit als junger Profi?

Weidenfeller: Ich war und bin von meinem Weg überzeugt. Vieles würde ich daher nicht anders angehen. Ich finde, es war richtig, frühzeitig forsch und ehrgeizig zu sein, denn nur wenn man Ziele formuliert, kann man sie sich auch erarbeiten. Ich hätte mir sicherlich den einen oder anderen Kommentar sparen können und das Herz nicht ganz so extrem auf der Zunge tragen müssen. (lacht) Andererseits gehört das eben zu meiner Art. Dazu stehe ich bis heute, denn sie hat mir in all den Jahren auch geholfen.

SPOX: Das Herz auf der Zunge zu tragen, war in Kaiserslautern auch einfacher als in Dortmund, oder?

Weidenfeller: Durchaus. Beim FCK war alles sehr beschaulich, im Vergleich zum Medienaufkommen in Dortmund ein gewaltiger Unterschied. Ich musste es deshalb erst einmal lernen, mit den Journalisten und den verschiedenen Medien richtig umzugehen. Klar bin ich auch mal auf die Schnauze geflogen, mit der Zeit hat sich das dann gut eingespielt. Als Fußballer versteht man schnell, welche Bedeutung manche Äußerungen haben können.

SPOX: Wie hat sich denn seitdem Ihr Alltag als Profi verändert?

Weidenfeller: Man wird im Alltag deutlich gelassener. Ich würde aber sagen, dass sich an meiner Zielstrebigkeit über die Jahre nichts verändert hat. Ich möchte immer noch Titel gewinnen und hänge mich im Training voll rein. Dazu denke ich noch mehr an meinen Körper. Heute bereite ich mich auf eine Trainingseinheit deutlich gezielter vor. Ich achte genau auf mögliche Defizite, man horcht in seinen Körper hinein. Es braucht auch diesen ganzheitlichen Ansatz, um überhaupt in der Lage zu sein, in meinem Alter noch Profifußball zu spielen.

SPOX: Und das immer noch für denselben Klub. Hätten Sie sich das vorstellen können, in Dortmund einmal derart heimisch zu werden?

Weidenfeller: Nein, ehrlich gesagt nicht. Wenn man wie ich aus der Pfalz stammt, ist das Ruhrgebiet gedanklich nicht unbedingt der schönste Platz, um heimisch zu werden. Hinzu kam, dass die personelle Fluktuation bei einem großen Verein wie dem BVB einfach hoch ist und ich nicht wissen konnte, ob ich mich sportlich so weiterentwickle, wie der Klub es wünschte. Inzwischen habe ich meine Meinung in den Jahren natürlich längst verändert. Dortmund ist meine Heimat geworden, ich fühle mich in der Stadt unheimlich wohl. Ich habe einen sehr engen Bezug zu den Menschen im Ruhrgebiet, denn sie sind wie ich einfach geradeheraus - und das gefällt mir sehr.

SPOX: Sie sind in Ihrem Heimatdorf Nentershausen dennoch weiterhin verwurzelt und regelmäßig vor Ort.

Weidenfeller: Klar. Nentershausen wird immer mein Ort der tollen Kindheit bleiben, da ich dort aufgewachsen bin und meine Eltern und mein Bruder dort leben. Dreh- und Angelpunkt ist für mich Dortmund. Das wird auch nach meiner aktiven Karriere so bleiben. Hier lebe ich schon 15 Jahre lang, hier habe ich geheiratet und hier ist auch mein Sohn geboren.

SPOX: Stimmt es eigentlich, dass Ihre Eltern seit jeher bei all Ihren Spielen im Stadion sitzen und zuschauen?

Weidenfeller: Ja, sie reisen seit 15 Jahren wirklich zu jedem Heimspiel an. Davon profitiert mittlerweile auch die Autoindustrie, denn aufgrund der vielen gefahrenen Kilometer musste schon der eine oder andere neue Wagen her. (lacht) Meine Eltern sind beide sehr fußballaffin und hatten schon zu meinen Zeiten als Jugendlicher großen Spaß daran, bei meinen Spielen live vor Ort zu sein. Beim BVB sind sie teilweise auch zu Auswärtsspielen gefahren. Der Besuch der Heimspiele ist für sie längst zu einem Ritual geworden. Anschließend treffen wir uns und reden noch eine Weile. Hin und wieder bleiben sie auch über Nacht, denn jetzt lässt sich das ja zusätzlich mit einem Besuch des Enkels verbinden. Ich hatte schon immer eine enge Beziehung zu ihnen und bin dankbar, dass sie mich auf diese Art und Weise begleitet haben.

SPOX: Sie sind März 2016 zum ersten Mal Vater geworden. Wie läuft's denn so?

Weidenfeller: Es ist richtig cool, auch wenn er vielleicht noch etwas länger schlafen könnte. (lacht) Ich bin sehr stolz auf meinen Jungen. Dass er mit seinen 14 Monaten schon wie selbstverständlich mit dem Ball durchs Wohnzimmer läuft, erfüllt mich täglich mit Freude. Sein Eifer dabei bringt mich immer wieder zum Schmunzeln.

SPOX: Sind Sie froh, nicht zu einem früheren Zeitpunkt Ihrer Karriere Vater geworden zu sein?

Weidenfeller: Froh wäre wohl das falsche Wort, aber der Zeitpunkt hat sich jetzt erst ergeben und ist obendrein ein guter. Ich kann das Familienleben mehr genießen, als wenn ich mit 25 mitten in meiner Karriere Vater geworden wäre. Ich möchte ja hautnah mitbekommen, wie der Kleine aufwächst und habe jetzt auch die nötige Zeit dafür. Das wäre vor zehn Jahren bestimmt schwieriger gewesen.

SPOX: Wie wichtig waren denn Familie und Heimat in den Tagen nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus?

Weidenfeller: Extrem wichtig. Nach Hause zu kommen und meine Frau und den Kleinen in die Arme schließen zu können, das war sehr emotional und essentiell. Da wird man sich bewusst, es hätte auch anders ausgehen können. Wir haben alle unheimlich großes Glück gehabt.

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