Ein bisschen mehr als eine halbe Stunde durften die Fans von Eintracht Frankfurt träumen. Das konnte auch der viel kritisierte Halbzeitauftritt von Helene Fischer nicht zerstören. Im Berliner Olympiastadion tobten sie seit der 29. Minute des Pokalfinals gegen Borussia Dortmund. Seit dem Ausgleichstreffer von Ante Rebic schien der ganz große Wurf möglich. Der erste Titelgewinn seit dem Pokalsieg 1988.
Und so peitschte der Anhang die eigene Mannschaft beim größten Highlight seit den Europapokalspielen in Bordeaux und Porto lautstark nach vorne.
Am Ende musste die Eintracht zusehen, wie der BVB feierte und die Nacht zum Tag machte. Zurück blieb kein Goldpokal für den Trophäenschrank, sondern nur die Erinnerung an eine magische Nacht.
Eintracht Frankfurt träumt von Europa und dem Pokalfinale
Im Frühjahr 2018 dürfen die Fans der Eintracht wieder träumen. Von einer Rückkehr nach Europa - vielleicht sogar von der Champions League - und von einer Rückkehr ins Berliner Olympiastadion. Am Mittwoch steht das wichtigste Spiel der bisherigen Saison an, wenn die Eintracht im Halbfinale beim FC Schalke 04 um das zweite Pokalfinale in Serie spielt.
Die Chancen in Liga und Pokal sind zum Greifen nah.
Doch zur Unzeit zeigt die Formkurve nach unten. In den letzten drei Ligaspielen kassierte die Eintracht zwei Niederlagen und holte ein Remis. Auf der Zielgeraden läuft die Überraschungsmannschaft der Saison Gefahr, sich um die Belohnung einer starken Saison zu bringen.
Kovac-Wechsel zum FC Bayern erschüttert die Eintracht
Ebenfalls zur Unzeit erschütterte die Nachricht des Abgangs von Erfolgstrainer Niko Kovac nach der Saison zum FC Bayern München zum Ende der letzten Woche das Frankfurter Umfeld.
Kovac verspielte mit seiner Version, dass der gesamte Prozess zwischen Kontaktaufnahme, Vertragsangebot, Zusage und Gespräch mit den Eintracht-Bossen an einem Tag abgelaufen sei, viel Kredit im Umfeld. Zumal er sich keinen Gefallen damit tat, seine Stand-jetzt-Aussagen von Anfang April weiterhin zu verteidigen und darauf zu beharren, nicht gelogen zu haben. In der Vergangenheit hatte er sich regelmäßig als Hüter der Moral im kalten Fußball-Business geriert. Das fiel ihm jetzt vor die Füße.
Seine sportlichen Erfolge sind Kovac nicht zu nehmen. Seinem Status haben die jüngsten Ereignisse dennoch geschadet. Es wird in naher Zukunft keine Bronzestatue im Frankfurter Stadtwald aufgestellt werden.
Eintracht-Fans zeigen Reaktion
Die entstandene Unruhe könnte zum Störfaktor in der entscheidenden Saisonphase werden. Beim Auswärtsspiel am Samstag in Leverkusen zeigten die Fans allerdings eine positive Reaktion. Nach dem Motto "Jetzt erst recht" feuerten sie das Team lautstark an, es richtete sich keine Wut gegen Kovac. Vielmehr setzten die Anhänger ein Zeichen, dass der Verein größer sei als Einzelpersonen und alles den großen Zielen unterzuordnen sei.
Die Niederlage verhinderten sie durch ihren Support nicht. Am Ende siegten die Leverkusener mit 4:1. Aus Sicht von Sportvorstand Fredi Bobic hatten die Irritationen um Kovac jedoch nichts mit dem Resultat zu tun: "Davon hat man auf dem Platz nichts gesehen. Es war vor dem Spiel alles ganz normal. Leverkusen war einfach besser in der zweiten Halbzeit. Das hat nichts mit der Situation zu tun. Ich weiß, das macht die Story kaputt."
Auch die Spieler wollten die Ereignisse nicht als Ausrede gelten lassen: "Wir sind das Spiel genauso angegangen wie jedes andere auch. Die Mannschaft hat gefightet. Es gibt keinen Grund, jetzt ein Alibi zu suchen", sagte Marius Wolf.
Marco Fabian stimmte seinem Teamkollegen zu: "Wir müssen jetzt den Schalter umlegen. Der Trainer hat den Wechsel verdient. Wir haben als Eintracht Frankfurt aber jetzt noch ein Ziel, davon weichen wir nicht ab. Wir ziehen das jetzt zusammen durch. Wir haben die ganze Saison oben mitgespielt, dafür wollen wir uns jetzt belohnen."
Bobic: Gerüchte um vorzeitige Kovac-Entlassung "respektlos"
Die Gerüchte, dass die Eintracht über eine vorzeitige Freistellung von Kovac nachdenke, bezeichnete Bobic als "respektlos".
Störgeräusche sind das Letzte, was die Eintracht in den kommenden Wochen gebrauchen kann. Vier knackige Ligaspiele (u.a. mit Auswärtsspielen in München und auf Schalke) und idealerweise zwei Pokalspiele stehen noch auf der Agenda. Dann können die Ereignisse aufgearbeitet werden.
Bis dahin gilt im direkten Frankfurter Sprech: Halt's Maul, lass uns träumen.
Die Personalsituation von Eintracht Frankfurt
Erschwert wird das Träumen durch die angespannte Personalsituation. Ausgerechnet jetzt muss die Eintracht mit Ante Rebic auf den wichtigsten Offensivspieler verzichten, dazu fällt Innenverteidiger Carlos Salcedo für den Rest der Saison aus. Einen Einsatz von Omar Mascarell auf Schalke wollte Kovac am Dienstag zwar nicht ausschließen, in Vollbesitz seiner Kräfte würde er im Fall der Fälle aber wohl nicht sein.
Zudem zeigte Lukas Hradecky zuletzt, wohl auch beeinflusst durch seine ungeklärte Zukunft, beinahe in jedem Spiel Schwächen.
Die Eintracht geht personell am Stock. Zwar ist der Kader in dieser Saison breiter als in den letzten Jahren und die Ausfälle können zumindest ansatzweise kompensiert werden. Ein Qualitätsverlust ist dennoch spürbar.
Arena auf Schalke entscheidend für Eintracht-Endspurt
Doch auch das soll in Frankfurt nicht als Ausrede herhalten. Am Mittwoch will sich die Eintracht den Traum vom zweiten Pokalfinale in Serie erfüllen: "Wir haben es im vergangenen Jahr ins Finale geschafft. Wir wissen also, wie schön dieses Gefühl ist. Wir wissen aber auch, wie hart der Weg dorthin ist", sagte Kovac am Dienstagnachmittag auf der Pressekonferenz.
Die Arena auf Schalke spielt für den Ausgang der Frankfurter Saison eine entscheidende Rolle. Zuerst treten sie dort im Pokalhalbfinale an, dreieinhalb Wochen später sind sie am letzten Bundesligaspieltag noch einmal dort zu Gast. Zwei Spiele mit K.o.-Charakter gegen einen stabilen und starken Gegner entscheiden maßgeblich über den Ausgang der Saison mit.
Niko Kovac: "Haben gezeigt, dass wir mit Schalke mithalten können"
"Wir gehen als Außenseiter in die Partie", sagte Kovac deshalb. "Schalke hat eine spiel- und kampfstarke Mannschaft. Wir müssen mental gewappnet sein. Aber in der Liga haben wir gezeigt, dass wir mit ihnen mithalten können. Wir hatten sie am Rande einer Niederlage. Aber dafür müssen alle Faktoren stimmen." Zum Abschluss der Hinrunde hatten die Frankfurter erst durch den 2:2-Ausgleich von Naldo in der Nachspielzeit den Sieg aus der Hand gegeben.
Das Halbfinale wird für die Eintracht zum Schlüsselspiel. Sollte sie sich dort durchsetzen und erneut das Pokalfinale erreichen, wird der Frust der vergangenen Tage von der euphorischen Vorfreude auf den dann um eine Woche verlängerten Saisonendspurt verdrängt.
Entsprechend ist Kovac auch völlig egal, wie ein möglicher Finaleinzug zustande käme: "Es ist ein sehr wichtiges Spiel für den Klub. Und es gibt nur ein Halbfinale, kein Rückspiel. Deswegen interessiert es mich auch nicht, wie wir weiterkommen. Und sei es mit Betonfußball. Hauptsache, wir kommen ins Finale. Nur das zählt."
Ein Satz, den die Frankfurter Fans gerne hören werden. Denn die Erinnerungen an das Vorjahr sind noch frisch. An diese Minuten, als der ganz große Wurf möglich schien.
Eintracht Frankfurt: Das Restprogramm im Überblick
Wettbewerb | Heim/Auswärts | Datum | Anstoß | Gegner |
DFB-Pokal | A | 18.04. | 20.45 Uhr | Schalke 04 |
Bundesliga | H | 21.04. | 15.30 Uhr | Hertha BSC |
Bundesliga | A | 28.04. | 15.30 Uhr | Bayern München |
Bundesliga | H | 05.05. | 15.30 Uhr | Hamburger SV |
Bundesliga | A | 12.05. | 15.30 Uhr | Schalke 04 |