BVB - Edin Terzic als Trainer bei Borussia Dortmund: Der gesuchte Klebstoff?

Jochen Tittmar
13. Mai 202114:34
Gute Kommunikation: Kein Zweifel, Edin Terzic erreicht seine Spieler.imago images
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Exakt fünf Monate nach der Übernahme des Cheftrainerpostens kann Edin Terzic mit Borussia Dortmund am Donnerstagabend im DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig (20.45 Uhr im LIVETICKER) den ersten Titel seiner Trainerkarriere gewinnen. Die Entwicklung des BVB unter dem 38-Jährigen hat rechtzeitig zum Saisonendspurt ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Terzic könnte unter dem kommenden Trainer Marco Rose wertvoll für die Borussia bleiben.

Auf einer Pressekonferenz hat er es schon einmal selbst betrauert und es bleibt wahrlich ein Jammer: Edin Terzic wird als der Trainer in die Geschichte von Borussia Dortmund eingehen, der nicht ein Spiel vor Publikum gecoacht hat. Und der bei einem Pokalsieg, das würde aber den gesamten Klub und alle, die es mit ihm halten genauso schmerzlich treffen, auf eine ausschweifende Jubel-Fahrt rund um den Dortmunder Borsigplatz verzichten müsste.

Gewinnt Terzic mit dem BVB am Donnerstagabend in Berlin gegen RB Leipzig auch das sechste Pflichtspiel in Folge und fährt den fünften Pokalsieg für den Verein nach 1965, 1989, 2012 und 2017 ein, hätte er ohnehin einen Platz in den Annalen sicher. Nach aktueller Verlautbarung des BVB wäre der 38-Jährige nach Thomas Tuchel aber auch der nächste Coach, der mit einem Titel abtreten müsste.

Vor exakt fünf Monaten übernahm Terzic den Cheftrainerposten von Lucien Favre. 29 Pflichtspiele wurden seither absolviert, die Bilanz fällt mit 17 Siegen, vier Unentschieden und acht Niederlagen bei einem Punkteschnitt von 1,9 pro Spiel befriedigend aus, aber nicht mehr. In der Bundesliga weist Terzic derzeit den siebtbesten Punkteschnitt aller Dortmunder Trainer auf.

All dieses wird freilich egal sein, sollte dem starken Schlussspurt tatsächlich die Krönung folgen und der BVB am Saisonende mit einem Titel und vor allem der wirtschaftlich essentiellen Champions-League-Qualifikation dastehen. Danach sah es im Winter und auch nach Terzics ersten Spielen an der Seitenlinie ganz und gar nicht aus. Vielmehr eher danach, gerade nach den Pleiten gegen Union, Leverkusen, Gladbach und Freiburg, als würde sich das Dortmunder Elend auch ohne Favre fortsetzen.

BVB-Trainer Edin Terzic: Maßnahmen haben gefruchtet

Die Entwicklung, die Terzics Mannschaft nun nahm, war angesichts der schwer zu ergründenden Wankelmütigkeit des Teams nicht unbedingt linear. Sie hat vor allem Zeit gekostet, die Terzic gar nicht hatte, denn der operierte während des laufenden Spielbetriebs sozusagen am offenen Herzen. Seine Maßnahmen haben nun aber gefruchtet, wie die vergangenen Wochen belegten.

Auf individueller Basis hat es Terzic geschafft, Spieler wie Marco Reus, Jude Bellingham, Jadon Sancho, Manuel Akanji, Mahmoud Dahoud oder Giovanni Reyna zu einem echten Formanstieg zu verhelfen. Sie ragen derzeit aus einer gefestigten Mannschaft heraus und tragen das rechtzeitig zum Saisonende wieder funktionierende Gebilde.

Terzic hat auch bewirkt, dass der BVB als Team stärker im Kopf geworden ist und stabiler mit den Widrigkeiten eines Spielverlaufs umgeht. Man könnte sagen: Er hat die Mentalität - ein längst traditionelles Dortmunder Unwort - dieser fußballerisch so talentierten Truppe geweckt. Seit einem Monat spielt die Borussia kompromissloser und robuster, die Defensive zeigte sich deutlich verbessert. Auch das Pressingverhalten und die Intensität im Spiel stimmt.

Terzic beim BVB heißt auch: Verbundenheit und Treue

"Es hat sich bei uns in eine sehr gute Richtung entwickelt. Wenn man die Art und Weise sieht, wie wir inzwischen die Spiele gewinnen, das schweißt zusammen", sagte Terzic nach dem Sieg gegen Leipzig am Samstag. Schon deutlich früher lobte mit Mats Hummels der Boss der Abwehr und Dortmunds kritischster Geist: "Ich finde, Edin macht das hervorragend seit Tag eins. Er macht das mit einem Feuer, aber auch mit inhaltlichem Wissen. Ich traue ihm noch sehr viel zu in seiner Trainerkarriere."

Nach allem, was Terzic und die Dortmunder Verantwortlichen auf die entsprechenden Nachfragen gleich mehrfach geantwortet haben, wird der Deutsch-Kroate diese Karriere ab Sommer als Co-Trainer im Trainerstab von Marco Rose fortsetzen. Man munkelt, der BVB wolle Terzic auch deshalb weiter im Verein behalten, damit er auch künftig wieder einspringen könnte.

Dieser Schachzug könnte sich eines Tages als gelungen herausstellen, wenngleich Terzic zuletzt als Kandidat für einen Wechsel nach Leverkusen, Bremen, Frankfurt, Wolfsburg oder Düsseldorf gehandelt wurde. Terzics emotionale Verbundenheit, seit Kindesbeinen ist er BVB-Fan, und die vielen treuen Dienstjahre in unterschiedlichen Funktionen im Verein (Jugendtrainer, Scout, Co-Trainer) verschaffen ihm bei Fans und Umfeld viele Pluspunkte.

Terzic könnte zum gesuchten Klebstoff des BVB werden

Wenn er dann noch gelegentlich mit dem Fahrrad zum Training fährt, untermauert das seine bodenständige Verwurzelung noch mehr. Am Wochenende betonte Terzic das "Wir", als er auf die Frage nach dem für ihn nun möglichen ersten Titel seiner Trainerkarriere antwortete. Er wolle den Pott "für unsere Fans, für den Verein, für alle Mitarbeiter" holen - so glaubwürdig hatte das schon lange kein Dortmunder Trainer formuliert.

Bei einem Verbleib scheint Terzic daher so etwas wie der gesuchte Klebstoff des Vereins werden zu können, dem seit der Ära Jürgen Klopp nach und nach die Identität und damit einhergehend auch die Identifikation seiner Fans mit dem Klub verloren gingen. Man würde Terzic gemeinsam mit Rose, einem ähnlich emotionsgeladenem, authentischem Typen, durchaus zutrauen, die seit Klopps Abgang in dieser Hinsicht aufgekommenen Begierden des Umfelds befriedigen zu können. Nebenbei könnte er als eine Art Integrationsbeauftragter helfen, Roses Anpassungsprozess an die Borussia zu beschleunigen.

Ein Titelgewinn unter Terzic würde die inkonstante BVB-Saison gewiss ein Stück weit befrieden, zusammen mit der Qualifikation für die Königsklasse wäre dann sogar noch eine sehr gute Spielzeit daraus geworden. Ungefährlich bliebe diese Ideal-Konstellation für den Klub jedoch nicht, für Rose wäre der Einstieg in Dortmund andersherum leichter. Vor allem, sollte der Neustart unter ihm in die Hose gehen - die dann folgende Diskussion ist leicht zu erahnen, ganz unabhängig von Terzics Zukunft.

BVB macht Tür für Terzic-Abgang leicht auf

Der wird sich nach Ende dieses anstrengenden Spieljahres sicherlich hinsetzen, alle Möglichkeiten durchdenken und einen Entschluss fällen müssen. Sebastian Kehl, Leiter der Lizenzspielerabteilung, öffnete kürzlich bei Sport1 schon einmal leicht die Tür: "Im Moment gehen wir sehr gelassen damit um. Wir haben ein sehr großes Vertrauensverhältnis. Edin ist sehr lange in diesem Verein, er gibt alles." Man würde sich "dem nicht verwehren", sollte Terzic mit Wechselabsichten auf den Klub zukommen, doch "im Moment ist es ganz klar so, dass er sich auf seine aktuelle Rolle fokussiert und sich das im Team mit Marco Rose sehr, sehr gut vorstellen kann."

Für das Dortmunder Binnenverhältnis wäre es immens schade, sollte sich der bei den Spielern und Mitarbeitern sehr beliebte Terzic woandershin aufmachen und Cheftrainer bleiben wollen. Ausgeschlossen ist das beileibe nicht - genauso, wie dass sie dies dann beim BVB als Terzics Lehrjahre für eine spätere Rückkehr werten würden.

Künftig ein Team? Edin Terzic und der kommende BVB-Trainer Marco Rose.getty

BVB - Edin Terzic und seine Bilanz als Trainer bei Borussia Dortmund

WettbewerbSpieleSiegeUnentschiedenNiederlagenTorverhältnisPunkte
Bundesliga21123646:2939
DFB-Pokal440011:212
CL41127:84