Zum letzten Mal Stehaufmännchen

Holger Badstuber wurde in der 81. Minute für Mats Hummels eingewechselt
© getty

Der FC Bayern München hat beim 3:1-Sieg in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den FC Augsburg erneut keinen Glanz versprüht. Das wiederholte Einknicken nach sicherer Führung und der Fluch eines ehemaligen Mr. Zuverlässig machen dem Titelverteidiger sorgen. Ein Thema überstrahlte jedoch alles andere an diesem Abend: das gefeierte Comeback von Holger Badstuber. Dieser machte nach dem Spiel eine klare Ansage.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Sprechchöre im weiten Rund. So laut war es am ganzen Abend in der nicht ganz voll besetzten Allianz Arena nicht wie in diesem Moment - und das, obwohl die Bayern bereits zwei Tore erzielt haben. Dieser Augenblick ist für die Anhänger jedoch etwas ganz Besonderes.

DFB-Pokal, 2. Runde, FC Bayern gegen FC Augsburg, 81. Minute. Der vierte Offizielle hält seine Tafel hoch, um einen Wechsel anzuzeigen. Mats Hummels' Nummer 5 leuchtet rot auf, in grün steht die 28. "Badstuber! Badstuber! Badstuber", brüllen zuerst die Fans in der Südkurve, dann das ganze Stadion.

Als der Münchner Publikumsliebling nach weiteren 259 Leidenstagen zu seinem Pflichtspiel-Comeback für den Doublesieger kommt, wird die beim Stand von 2:1 eigentlich noch nicht vollends entschiedene Pokal-Partie erst einmal zur Nebensache. Minutenlang skandieren, singen und feiern die Anhänger Badstubers Namen.

"Es war ein unglaubliches Gefühl. Das berührt mich natürlich sehr. Emotion pur. Was die Fans da immer wieder auf die Beine stellen, ist atemberaubend. Dafür bin ich sehr dankbar", sagte Badstuber nach dem Spiel.

Leider bekanntes Gefühl

Daran, so gefeiert zu werden, könnte man sich als Profi gewöhnen. Schlimm genug, dass der 27-Jährige das Gefühl mittlerweile kennt. Seit seinem ersten Kreuzbandriss, den er sich im Dezember 2012 gegen Borussia Dortmund zuzog, war der 31-malige Nationalspieler kein einziges Mal auch nur ein halbes Jahr am Stück fit. Nicht nur Lappalien, sondern schwere Verletzungen wie ein Sehnenriss oder ein Oberschenkelmuskelriss warfen ihn immer wieder zurück.

Doch jedes Mal kam Badstuber zurück. Und jedes Mal wurde er von den Fans gefeiert, die das Urgestein in ihr Herz geschlossen haben. Mit diesem Stehaufmännchen-Image soll nun aber Schluss sein. "Heute ist das letzte Mal gewesen, dass ich zurückkomme. Das habe ich jetzt beschlossen. Ich will jetzt dauerhaft fit und bei der Mannschaft bleiben", sagte der Verteidiger in der Mixed Zone.

Und das wollte er nicht als Ankündigung verstanden wissen, im Falle eines weiteren Rückschlags seine Karriere zu beenden: "Das Ziel ist, mich langfristig heranzuarbeiten, mich zu steigern und an ein Limit zu kommen, an dem ich noch nie war."

Bei seinem Fitnesszustand sieht Badstuber noch Luft nach oben: "Ich bin jetzt seit drei Wochen im Mannschaftstraining, aber die Spiele sind einfach etwas anderes. Nur da kann man sich das nötige Raumgefühl und Zeitgefühl erarbeiten."

Hummels macht gerne Platz

Die Freude über das erneute Comeback des Memmingers war auch seinen Mannschaftskollegen anzumerken. "Es ist eine sehr schöne Geschichte, auch wie er von den Fans begrüßt wurde, wie er danach gefeiert wurde", sagte Mats Hummels: "Aber das hat er sich verdient. Wir hoffen, dass er gesund bleibt und über einen längeren Zeitraum spielen kann."

3:1 gewonnen, das Achtelfinale des Pokals erreicht und mit Badstuber einen Publikumsliebling und potientiellen Leistungsträger zurückbekommen - bei den Bayern hätte an diesem Abend Friede, Freude, Eierkuchen sein können. Zwei Dinge lagen dem Branchenprimus jedoch schwer im Magen.

"Wir haben sie mitspielen lassen"

Zum wiederholten Male in dieser Saison kam der Gegner nach einer dominanten ersten Halbzeit der Münchner noch einmal zurück ins Spiel. Oder wie Hummels es formulierte: "Wir haben sie mitspielen lassen, das muss man so klar sagen. Am Ende des Tages liegt es immer an uns, ob wir das aufkommen lassen oder ob wir es schaffen, das Spiel zu kontrollieren."

Tatsächlich lockerten die Bayern nach der Pause die Zügel. Während der FC Augsburg in der ersten Halbzeit nur einmal auf das Münchner Tor schoss, gab es in der zweiten Halbzeit immerhin sieben Abschlüsse, darunter Jis Treffer und der verschossene Foulelfmeter von Koo.

Bereits gegen Eindhoven vor Wochenfrist ließ man bei eigentlich sicherer Führung die Türe noch einen Spalt offen und ermöglichte den Niederländern so, die Partie zumindest kurzzeitig noch einmal spannend zu machen. Gegen den 1. FC Köln hatte das in der Liga sogar zwei Punkte gekostet.

Auch Kapitän Philipp Lahm fand deshalb mahnende Worte: "Das Spiel hatten wir mit dem 2:0 absolut im Griff, haben dann aber wieder nachgelassen. Das darf uns nicht passieren. Da müssen wir in Zukunft besser agieren."

Was lange wie ein ungefährdeter Sieg aussah, wurde am Ende zwar nicht zu einem Zittersieg, wie er im Buche steht. Bei einer Pokal-Partie mit nur einem Tor in Front zu liegen, ist jedoch immer heikel.

Müllers Elferfluch

Dass es nicht bereits 3:0 stand, lag auch daran, dass Thomas Müller es dem Augsburger Koo gleichtat und einen Elfmeter vergab. Für den einst so souveränen Strafstoßschützen ist der Ball auf dem Punkt mittlerweile wie ein Fluch: Für Bayern und das DFB-Team verwandelte er nur zwei der letzten sechs Versuche.

Kein Wunder, dass der Abend für Müller einen Schönheitsfehler hatte: "Es ist sehr ärgerlich und es wurmt mich auch, obwohl ich viel am Ball war und mich auch gut bewegt habe. Aber das hängt für mich ein bisschen über der Partie. Ich werde heute nicht ganz zufrieden einschlafen."

Dabei hatte der Angreifer die Verantwortung eigentlich bereits vor Monaten abgegeben. Zu verheerend waren beispielsweise die Folgen seines vergebenen Strafstoßes im Champions-League-Halbfinale gegen Atletico Madrid.

Zu viel Adrenalin im Körper

Weil die etatmäßigen Schützen Robert Lewandowski, Arturo Vidal und Arjen Robben allerdings nicht spielten, musste Müller ran und verschoss erneut: "Er war von der Richtung gut, aber vielleicht war ein bisschen zu viel Adrenalin im Körper. Da gibt es nichts zu analysieren. Er war nicht drin, also war er schlecht. Deswegen werde ich mich künftig auf den Fußball konzentrieren und nicht mehr auf Elfmeter", sagte Müller etwas trotzig.

Dass er vor dem Gegentor den Ball am Augsburger Strafraum vertändelte, war neben dem verschossenen Elfer ein Wermutstropfen auf einer ansonsten starken Leistung. Die ersten beiden Tore bereitete er direkt vor. Damit hat der 27-Jährige in seinem Lieblingswettbewerb Pokal nun 38 direkte Torbeteiligungen in 38 Spielen.

Ausschließlich grämen wollte sich Müller in der Mixed Zone dann aber auch nicht. Bei einem Thema lächelte er: "Natürlich hat Holger eine bittere Vergangenheit, was Verletzungen angeht", sagte Müller über Comebacker Badstuber: "Aber er macht einen guten Eindruck. Er ist im Training auch wieder sehr geschmeidig unterwegs. Dementsprechend bin ich froh, dass er wieder da ist."

Sprechchöre nach dem Spiel

Die erneuten Probleme, das Spiel über den gesamten Zeitraum zu dominieren, und Müllers Elfmeterfluch konnten das vorherrschende Thema nicht beiseite wischen. Für die Spieler nicht, vor allem jedoch für die Fans nicht.

Dass man eben ins Pokal-Achtelfinale eingezogen war, war fast Nebensache. Stattdessen hallte auch nach dem Abpfiff minutenlang nur ein Sprechchor durch das weite Rund: "Badstuber! Badstuber! Badstuber!"

Geht es nach dem Protagonisten selbst, dann zum letzten Mal in dieser Intensität...

Holger Badstuber im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema