Dank eines 3:0-Sieges im DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig hat der FC Bayern München das erste Double seit 2016 gewonnen - und das unter widrigsten Umständen. Im Finale hatten vor allem drei Protagonisten etwas zu beweisen und sie bewiesen.
Zunächst stand er nur im Hintergrund. Während die Spieler des FC Bayern direkt nach Abpfiff vor ihrer Kurve tanzten und sich besingen ließen, ging Trainer Niko Kovac erst zur vierten Offiziellen Bibiana Steinhaus und schüttelte ihr die Hand. Dann machte er das gleiche mit einigen Mitgliedern des Trainerteams von RB Leipzig, ehe er Kevin Kampl herzte, mit dem er einst bei RB Salzburg zusammengearbeitet hatte.
Als sich seine eigenen Spieler zur Siegerehrung in der Spielfeldmitte aufmachten, ging Kovac schließlich alleine in die entgegengesetzte Richtung. Zur Fankurve, die seinen Namen sang. Knapp innerhalb des Strafraums hielt er inne, weit und breit war kein anderer Mensch. So stand Kovac im schwarzen Anzug da, klatschte ein paar Mal seine beiden Hände über dem Kopf zusammen und verbeugte sich. Es war ein Moment wie ein Gemälde.
Niko Kovac: Doublesieger als Spieler und Trainer
Hier stand einer, der es bewiesen hatte. Trotz aller Widrigkeiten dieser Saison. Trotz der herbstlichen Krise, trotz des kläglichen und von Spielerseite viel kritisierten Champions-League-Aus gegen den FC Liverpool, trotz der fehlenden Rückendeckung des Vereins, vor allem des Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge: Kovac hat den FC Bayern zum Double geführt und wurde damit zum ersten Menschen, der das als Spieler (2003) und Trainer schaffte.
"Was in der letzten Woche gegen Frankfurt und heute hier passiert ist, ist unglaublich", sagte er danach und meinte damit einerseits die beiden Titel und andererseits vor allem die Unterstützung, die ihm die Fans entgegenbrachten. Nach der Pokalübergabe bedankte er sich auch noch per Megaphon bei ihnen, die ihn schon vor Anpfiff besungen hatten. Wie es mit ihm weitergeht, wurde Kovac dann natürlich noch gefragt und er antwortete: "Man muss die Ruhe bewahren."
Es sollte jetzt nicht um seine Zukunft gehen - sondern um seine Gegenwart und auch seine Vergangenheit. "Es war sicherlich richtig schwer für ihn", blickte Kapitän Manuel Neuer zurück. Auf Wochen voller Diskussionen, Unklarheiten und fehlenden Treuebekenntnissen. "Aber er ist super damit umgegangen und hat sich voll und ganz auf den Fußball konzentriert."
Drei Tore durch drei starke Einzelaktionen
Wer sich zuvor auf den Fußball dieses DFB-Pokalfinals konzentriert hatte, der sah darin viel, was er schon einmal gesehen hatte in dieser Saison des FC Bayern. Die Mannschaft spielte über weite Strecken gut, aber nicht überragend dominant wie einst. Vor allem nicht in der Anfangsphase. Mats Hummels sprach von einer "überraschenden Führung" des FC Bayern.
Sie resultierte genau wie die anderen beiden Treffer und genau wie überhaupt so viele in dieser Saison aus starken Einzelaktionen: einer Körperverrenkung von Robert Lewandowski beim 1:0 (29.), einer brillanten Ballverarbeitung von Kingsley Coman beim 2:0 (78.) und einem Chip von Lewandowski beim 3:0 (85.).
Dazwischen hatte der FC Bayern zweimal Glück, beziehungsweise Manuel Neuer. Beim Stand von 0:0 lenkte er einen Kopfball von Yussuf Poulsen an die Latte (11.), beim Stand von 1:0 parierte er gegen den alleine auf ihn zustürmenden Emil Forsberg (48.). Zwei großartige Reflexe, zu denen Kovac seinem Keeper nach dem Spiel "ausdrücklich gratulieren" wollte.
Auch Neuer und Lewandowski hatten etwas zu beweisen
Genau wie Kovac hatte schließlich auch Neuer etwas zu beweisen. Und zwar, dass er als etwas Älterer (mittlerweile 33 Jahre) immer noch der Alte ist. Seine Leistungen waren zuletzt schließlich nicht mehr so herausragend wie früher - sofern er denn überhaupt Leistungen zeigen konnte und nicht verletzt fehlte. Sogar sein Posten im DFB-Tor wurde hinterfragt. Und nun diese Gala vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw. "Manu hat allen gezeigt, dass er da ist", sagte Thomas Müller. Von Rummenigge wurde er gar zum "Giganten" erhoben.
Neuer war in diesem DFB-Pokalfinale der defensive Gigant und sein offensives Gegenstück war der dritte Protagonist, der an diesem Abend etwas zu beweisen hatte und bewies. Lewandowski, dieser Stürmer, dem gerne nachgesagt wird, in großen Spielen keine entsprechend großen Leistungen zu zeigen. Neben Neuers Paraden waren es diesmal seine beiden Tore, die den Sieg sicherten. "Alle haben ihren Anteil daran", sagte der gerne als Egomane verschriene Lewandowski zu seinem Doppelpack.
Thomas Müller empfand "riesige Genugtuung"
Auch sein Offensivkollege Thomas Müller, der selbst eine relativ diskrete Leistung gezeigt hatte, verwies auf die Gemeinschaft: "Wir haben uns zusammengerissen. Der ganze Haufen hat nochmal alles hineingeworfen und ist belohnt worden. Das fühlt sich super an." Dann ergänzte er: "Wir hatten schon glattere Spielzeiten, aber selten emotionalere."
Als bei ihm vorherrschendes Gefühl wählte Müller die "riesige Genugtuung" und das spiegelte die Stimmung ganz hervorragend wider. Bei den drei Protagonisten des Abends und eigentlich beim ganzen FC Bayern. Der Weg zu diesem Double war geprägt von Widerständen: von einem zwischenzeitlichen Neun-Punkte-Rückstand in der Bundesliga und von etlichen engen DFB-Pokalspielen. Bis zum Finale gewann der FC Bayern stets nur mit einem Tor Differenz.
"Es war eine kuriose Saison", sagte Rummenigge. Und am Ende dieser kuriosen Saison stehen zwei Titel und damit einer mehr als in den beiden vergangenen deutlich weniger kuriosen Saisons. Wie das zustande kam, war den Beteiligten an diesem späten Samstagabend letztlich egal - und erstmal auch, wie es weitergeht.