Spritzen in den Muskel? Nein danke!

Von Kevin Bublitz/Mark Heinemann
Gewohntes Bild in Heidenheim: Patrick Mayer markierte in den ersten fünf Spielen sechs Tore
© Getty

Samuel Eto'o ist laut Steckbrief das große Vorbild von Patrick Mayer. In der Jugend des VfB Stuttgart groß geworden, träumte Mayer vom Sprung in die Bundesliga. Doch immer wieder erlitt der Stürmer Rückschläge. Über Eintracht Frankfurt kam der 22-Jährige schließlich beim 1. FC Heidenheim in der 3. Liga an und sorgt dort mit seinen bislang sechs Treffern in fünf Partien für Aufsehen.
 

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Im Interview mit SPOX spricht Mayer über seinen schmerzvollen Abschied aus Stuttgart, erklärt den ungeahnten sportlichen Erfolg des FCH und warum er jeden Tag als Profi genießt.

SPOX: Herr Mayer, man wollte mich eigentlich mit Ihrem Präsidenten verbinden...

Patrick Mayer: ...wieso?

SPOX: Das muss wohl am gleichen Nachnamen liegen. Sie haben aber nicht schon Vertragsverhandlungen in seinem Namen geführt?

Mayer: (lacht) Nein, nein.

SPOX: Trotzdem sind Sie dieser Tage sicher ein gefragter Mann, oder?

Mayer: Sie können sich sicher denken, dass es in Heidenheim alles ein bisschen ruhiger abläuft. Zum Glück werde ich größtenteils in Ruhe gelassen. (lacht)

SPOX: Na immerhin haben Sie in fünf Ligaspielen bereits sechs Tore geschossen. Wenn es so gut weiter läuft, dann packen Sie die Elf Treffer aus der letzten Saison noch in der Hinrunde.

Mayer: (lacht) Das wäre auf jeden Fall schön, wenn ich meine eigene Mark knacken kann.

SPOX: Ihr Profidebüt liegt jetzt erst gut ein Jahr zurück. Sind Sie zufrieden?

Mayer: Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte meine Kurve schon früher nach oben gezeigt. Leider haben mich damals beim VfB Stuttgart ab der A-Jugend ein paar Verletzungen daran gehindert. Jetzt bin ich eineinhalb Jahre verletzungsfrei. Körperlich fühle ich mich top fit und das ist für mein Spiel sehr wichtig.

SPOX: Wie sieht denn Ihr Spiel aus?

Mayer: Ich lebe von meiner Schnelligkeit und bin viel unterwegs. Läuferisch betreibe ich hohen Aufwand, versuche immer ein optimaler Teamspieler zu sein und arbeite deshalb auch gerne für die Mannschaft.

SPOX: In Stuttgart hatten sie oft muskuläre Probleme. Ein Thema, dass durch den Fall Robben derzeit in aller Munde ist. Haben Sie sich fit spritzen lassen, mit dem Risiko, dass sie danach lange ausfallen könnten?

Mayer: Nein, und das würde ich auch nie machen lassen. Als ich letztes Jahr eine starke Rippenprellung hatte, habe ich mich spritzen lassen. Aber direkt in den Muskel im Oberschenkel oder in der Wade spritzen? Nein danke! Das kommt für mich definitiv nicht in Frage. Da bin ich nach meinen vielen Verletzungen, wo ich das eine oder andere Mal lieber noch zwei, drei Wochen hätte pausieren sollen, klüger geworden.

SPOX: Kommen wir zu Ihrem jetzigen Klub: der 1. FC Heidenheim war die Überraschung der letzten Saison. Als Absteiger Nummer eins gehandelt, sprang am Ende Platz sechs heraus. Wie das?

Mayer: Die Mannschaft ist in den letzten Jahren zum großen Teil zusammen geblieben und wurde jedes Jahr gezielt verstärkt. Von der Kameradschaft und dem Teamgeist her ist unsere Mannschaft meiner Meinung nach einmalig im deutschen Profifußball.

SPOX: Damit lehnen Sie sich aber weit aus dem Fenster. Wieso einmalig?

Mayer: Die Mannschaft und das Umfeld sind so intakt, das ist überragend. Bei uns kommt so gut wie jeder mit jedem gut aus. Die Mannschaft unternimmt immens viel gemeinsam. Der Großteil, der direkt aus Heidenheim oder der näheren Umgebung kommt, unternimmt beinahe täglich etwas zusammen und das sieht man auf dem Platz. Wir haben eine relativ junge Mannschaft, in der alle enorm erfolgshungrig sind.

SPOX: Welchen Anteil hat Trainer Frank Schmidt an dieser Erfolgsstory des bis dahin unbekannten Fußballzwergs?

Mayer: Auch er ist noch sehr jung und will selber noch viel lernen. Momentan macht er seine Trainerausbildung. Einen solch ehrgeizigen Trainer hatte ich noch nie. Er verlangt sehr viel von uns Spielern, gibt uns aber auch sehr viel zurück. Das kommt in der Mannschaft sehr gut an.

SPOX: Die ausbildungsbedingte Abwesenheit des Coaches unter der Woche ist kein Problem?

Mayer: Nein, denn auch unser Co-Trainer macht eine sehr gute Arbeit. Es ist wichtig, dass von beiden Seiten ein Vertrauensverhältnis besteht.

SPOX: Was ist diese Saison drin?

Mayer: Nach der letzten Saison ist die Erwartungshaltung natürlich ein wenig gestiegen. Aber man sieht alleine am Etat und an den Spielern, von denen kaum jemand höherklassig gespielt hat, dass es auch dieses Jahr wieder enorm wichtig ist, erst die fünfundvierzig Punkte zu holen. Wenn wir die geholt haben, können wir über neue Ziele sprechen.

SPOX: Am Wochenende geht es zur Reserve des FC Bayern. Sie kennen die Spielveranlagung der Nachwuchsmannschaften. Was erwarten Sie?

Mayer: Das ist eine spielerisch starke Mannschaft, die uns letztes Jahr in München große Probleme bereitet hat. Wir müssen von Beginn an aggressiv dagegen halten, denn dann bekommen zweite Mannschaften Probleme. Wenn wir sie spielen lassen, wird es sehr schwer.

SPOX: Bei den Bayern stehen junge Spieler gerade hoch im Kurs. Hofft man als Spieler, dass Louis van Gaal zuguckt und einen entdeckt?

Mayer: Das ist immer schwierig zu sagen. Ich war schon bei zwei Reserveteams und mein Ziel ist es nicht, wieder zu einer zweiten Mannschaft zurückzugehen...

SPOX: ...es ging auch eher um die erste Mannschaft...

Mayer: (lacht) Ach so! Ok, das ist natürlich der Traum eines jeden Fußballers. Wir alle versuchen ja auch alles zu geben, um irgendwann ganz oben anzukommen. Ich gebe einfach immer mein Bestes und was dann irgendwann vielleicht mal kommt, wird man sehen.

SPOX: Sie haben die Stuttgarter und die Frankfurter Nachwuchsschule genossen. Waren die Verletzungen der einzige Grund, weshalb es nicht für die Profis gereicht hat?

Mayer: In Stuttgart hatte ich eine sehr gute Zeit, war aber vielleicht einfach zu ungeduldig und bin zu früh gegangen. Im Nachhinein ist das aber schwierig zu sagen, ob ich es dort geschafft hätte. In Frankfurt hatte ich mir schon eine größere Chance ausgerechnet, aber da kam dann die schwere Verletzung dazwischen. Zu der Zeit hatte die Eintracht sehr viele verletzte Offensivspieler, und viele junge Spieler kamen zu ihrem Debüt. Das war bitter, denn meine Chance war damit verstrichen.

SPOX: Demnach hatten Sie Ihre schwerste Zeit in Frankfurt?

Mayer: Jein, der Abschied aus Stuttgart fiel mir nicht leicht. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt, ab der B-Jugend dort gespielt und mit den Jungs im Internat gelebt hab. Ich hatte eine super Zeit beim VfB und dann fällt die Entscheidung gegen den Verein extrem schwer.

SPOX: Sie wirken sehr heimatverbunden...

Mayer: Für mich war nach der Zeit in Frankfurt einfach wichtig, dass ich wieder in ein intaktes Umfeld komme, die Familie in der Nähe ist und ich wieder mehr Spaß am Fußball habe. Und den habe ich in Heidenheim auf jeden Fall gefunden. Mir gefällt es hier einfach super und ich kann mir sehr gut vorstellen, hier auch länger zu bleiben.

SPOX: In Ihrem Steckbrief steht geschrieben, dass Sie immer gut gelaunt aber auch ehrgeizig sind. Ist das die ideale Voraussetzung, um sich in dem harten Fußballgeschäft durchzusetzen?

Mayer: Ich weiß nicht genau wie es früher war, aber in den letzten Jahren hat sich im Fußball schon viel geändert. Ganz nach oben schafft man es nur, wenn man die Ellbogen ausfährt und sich immer wieder aufs Neue beweist. Dabei sollte man den Spaß aber nie verlieren. Wenn man das nicht kann, ist man falsch in diesem Geschäft.

SPOX: Sie fahren Snowboard. Dann liegt die letzte Apres Ski Party sicher nicht weit zurück, oder?

Mayer: (lacht) Doch, denn leider konnte ich aufgrund meiner Verletzungen die letzten beiden Jahre nicht auf die Piste. Dieses Jahr möchte ich aber gerne wieder auf das Board, und die Partys gehören auch dazu. Es ist ja nicht so, dass wir vierundzwanzig Stunden nur daheim sitzen sollen. Es tut schon ganz gut, wenn man mal ein bisschen abschalten kann.

SPOX: Ihr Motto "Genieße jeden Tag, als wäre es dein letzter" passt da doch ganz gut...

Mayer: Man kann natürlich nicht jeden Tag gut gelaunt sein, obwohl das bei mir derzeit durchaus zutrifft. (lacht) Aber im Großen und Ganzen bin ich ein sehr offener und gut gelaunter Mensch. Ich finde es wichtig, seine Mitmenschen nicht ständig mit runter zu ziehen und sie mit den eigenen Problemen zu belasten. Ich bin zwar noch sehr jung, aber ich weiß, wie schnell man nach ganz unten fallen kann. Also versuche ich, das Leben so gut wie eben möglich zu genießen.

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