"Viele gönnen einem den Erfolg nicht"

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Benjamin Kirsten ist neuer Stammtorwart bei Dynamo Dresden
© Getty

Benjamin Kirsten hat kürzlich den Sprung ins Tor von Dynamo Dresden geschafft. Der Sohn des ehemaligen Bundesligastürmers Ulf Kirsten spricht im Interview über seinen Vater, der ihn in Leverkusen sogar trainiert hat und erklärt, was die Faszination Dynamo ausmacht.

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SPOX: Herr Kirsten, wie fühlt man sich als relativ frisch gebackener Stammtorhüter von Dynamo Dresden?

Benjamin Kirsten: Das ist eine neue Erfahrung, die nun für mich beginnt. Gerechnet habe ich damit nicht, aber ich freue mich natürlich, dass der Trainer mir vertraut und möchte die Entscheidung rechtfertigen.

SPOX: 2009 sah es um ihre Karriere nicht so gut aus. Wundern Sie sich manchmal selbst, wie schnelllebig der Fußball ist?

Kirsten: Sie meinen die Bengalo-Aktion?

SPOX: Ja. (Kirsten zündete im Juni 2009 nach dem Spiel zwischen Dynamo Dresden II und Plauen im Sachsen-Pokal ein bengalisches Feuer, Anm. d. Red.)

Kirsten: Eigentlich möchte ich dazu nicht mehr viel sagen. Es passiert nicht oft, dass man mit einer zweiten Mannschaft in den DFB-Pokal einzieht. Bei all den Emotionen war es eine Kurzschlussreaktion von mir. Ich denke aber nicht, dass es Auswirkungen auf meine sportliche Entwicklung gehabt hat. Ich wurde bestraft, das war in Ordnung und ich habe daraus gelernt.

SPOX: Hat Ihr Trainer Matthias Mauksch Sie vielleicht auch deshalb zwischen die Pfosten beordert, weil Sie in engen Spielen kurz vor Schluss auch als Stürmer Qualitäten haben?

Kirsten: (lacht) Es stimmt, dass ich beides spielen kann. Bereits in der Jugend in Leverkusen habe ich mich aber eigentlich schon für das Tor entschieden. Als es in der zweiten Mannschaft von Dresden mal einen Engpass im Sturm gab, habe ich noch einmal ausgeholfen.

SPOX: Und, getroffen?

Kirsten: Nein, aber wir haben auch nicht verloren. Es war also nicht so schlecht. Generell denke ich, dass es für einen modernen Torwart gut ist, wenn er auch Fähigkeiten am Ball hat. Außerdem kann ich mich so etwas besser in die gegnerischen Stürmer hineinversetzen.

SPOX: Wenn es nicht Ihre Sturmqualitäten waren, welche Gründe hat Mauksch Ihnen dann für den Wechsel im Tor genannt?

Kirsten: Die genauen Gründe kenne ich nicht. Ich muss sie aber auch nicht wissen. Ich habe immer versucht, mich im Training anzubieten. Wir waren in der Liga sicherlich am Scheideweg und hatten einige Spiele in Folge nicht gewonnen. Der Trainer hat mir einfach gesagt: "Bereite dich vor!". Und das habe ich getan.

SPOX: Ihr Vater ist kein Geringerer als Ulf Kirsten. War es schwer ihm zu sagen, dass Sie lieber ins Tor gehen?

Kirsten: Nein, mein Vater hat mich nie unter Druck gesetzt. Er wäre auch nicht sauer gewesen, wenn ich kein Fußballer geworden wäre. Aber ich wollte das immer schon. Letztendlich war er es sogar, der mir gesagt hat, dass ich eher Torwart als Stürmer bin.

SPOX: Ist es ein Vorteil oder eher ein Nachteil, Sohn eines erfolgreichen Fußballers zu sein?

Kirsten: Ich würde sagen, dass es eher negativ ist. Es öffnet natürlich Türen und macht Wege leichter. Negativ ist allerdings, dass es schwerer ist, einen eigenen Karriereweg zu gehen und dabei erfolgreich zu sein. Viele gönnen einem den Erfolg einfach nicht. Es wird alles auf den Vater zurückgeführt. Das ist nicht einfach. Aber das war bei mir schon im Kindergarten so. Ich musste lernen, damit umzugehen. Vielleicht hat mich das sogar noch mehr motiviert. Letztendlich habe ich es selbst in der Hand, ob ich den Leuten mehr Futter gebe oder meinen eigenen Weg einschlage.

SPOX: Erzählen Sie doch einmal aus Ihren Erinnerungen: Wie war Ihr Vater nach einer Bundesligapartie? Hat sich das Ergebnis bemerkbar gemacht?

Kirsten: Er hat Familie und Sport immer gut trennen können. Meine Schwester und ich hatten wenig Zeit mit ihm, weil er immer viel unterwegs war. Es ist aber natürlich schon in gewisser Weise ein Wahnsinn für einen Jugendlichen, wenn der eigene Vater gleichzeitig Vorbild und für viele auch ein Idol ist.

SPOX: Ihr Vater ist Ihr großes Vorbild?

Kirsten: Ja, ganz klar. Er hat sich auch immer wie ein Vorbild verhalten. Wenn ich heute noch Gespräche über meinen Vater höre, dann merke ich, dass die anderen es auch so sehen. Ihm wurde und wird viel Respekt entgegengebracht. Er hat eine sehr menschliche Art hat und war einer der Sportler, die in ihrer Karriere keine Skandale fabriziert haben. Wenn mein Vater heutzutage im Stadion ist, sagen ihm die Fans immer noch, dass er ein Wahnsinnsstürmer war. Mein Vater wird für mich immer ein Vorbild vor anderen sein.

SPOX: War das auch zu Ihren Leverkusener Zeiten so, als er sie trainiert hat?

Kirsten: Es kam schon einmal vor, dass wir auf dem Trainingsplatz anderer Meinung waren. Ich habe schnell gelernt zu akzeptieren, dass er als mein Trainer einfach die gesamte sportliche Entwicklung der Mannschaft im Blick haben musste und mich nicht heruntermachen wollte. So muss es sein.

SPOX: Also hatten Sie schon das Gefühl, dass er Sie auch mal benachteiligt hat?

Kirsten: Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich bevorteilt. Vielleicht hat er mich ab und an benachteiligt, um mich noch mehr zu motivieren. Aber es war immer im Rahmen. Fakt ist, dass sein Training unheimlich gut war. Es gab keinen Tag, an dem ich gedacht habe: 'Was für ein Mist heute'. Er hat immer Wert auf Offensive und Spielfreude gelegt. Es hat Spaß gemacht, unter ihm zu trainieren.

SPOX: Sie führen nun die Kirsten-Dynastie in Dresden fort.

Kirsten: Es ist ein Traum, für Dynamo in diesem Stadion zu spielen. Mein Debüt für die zweite Mannschaft von Leverkusen hatte ich übrigens in Dresden. Solche Geschichten schreibt auch nur der Fußball. Ich bin froh, dass ich jetzt hier gelandet bin und möchte keinen Tag missen.

SPOX: Was macht diesen Klub aus?

Kirsten: Er ist einzigartig. Es gibt nicht viele Vereine, die eine solche Tradition und bewegte Geschichte vorweisen können. Die Fans kommen immer in Scharen ins Stadion. Das ist jetzt auch in der 3. Liga unglaublich. Man muss es erlebt haben, sonst kann man es letztendlich nicht nachvollziehen.

SPOX: Sie stehen nur noch drei Punkte hinter dem Relegationsplatz. Glaubt das Team mittlerweile fest an den Aufstieg?

Kirsten: Diese Frage kam in den letzten Wochen zwanzigmal. Ich habe immer dasselbe gesagt.

SPOX: Dann sagen Sie doch jetzt etwas anderes.

Kirsten: (lacht) Nein, das bringt doch nichts. Was haben wir davon, jetzt schon Wochen vorauszuschauen? Wir müssen uns auf das nächste Spiel konzentrieren. Es sind noch drei Punkte Rückstand, die müssen wir in der nächsten Partie holen. So leicht ist das. Ich schaue mir die Tabelle auch gar nicht so genau an. Ich konzentriere mich von Spiel zu Spiel. Mit der kurzfristigen Sichtweise fahren wir besser, zudem spielen wir bis auf Braunschweig und Wiesbaden noch gegen alle Teams von oben.

SPOX: Sie erwarten als nächstes Rot Weiss Ahlen, eine der spielstärksten Mannschaften der Liga. Wie müssen Sie vorgehen, um erfolgreich zu sein?

Kirsten: Von den Namen her sind sie eher unbekannt. Aber wir hatten im Hinspiel einige Probleme, weil sie wirklich sehr spielstark sind. Wir werden uns gut auf die Stärken und Schwächen der Ahlener vorbereiten.

SPOX: Ihr Vertrag läuft aus. Bleiben Sie?

Kirsten: Ich mache mir keinen Druck. Ich kann es eh nicht alleine entscheiden und muss schauen, wie der Verein mit mir plant. Es ist kein Geheimnis, dass ich gerne in Dresden bleiben möchte.

Benjamin Kirsten im Steckbrief