"Wer schafft es pünktlich ins Training?"

Von Interview: Adrian Fink
Sahr Senesie wechselte im Juli 2013 zu Sonnenhof Großaspach
© getty
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SPOX: Was war das für ein Gefühl, als Sie ihren Bruder das erste Mal im Deutschland-Trikot gesehen haben?

Senesie: Genugtuung. Ich hätte es auch schaffen können, aber ich habe nicht diese Betreuung erfahren. Dass er das so nutzt und sich voll auf Fußball fokussiert, ist wirklich super. Deutschland hat die beste Nationalmannschaft der Welt und Toni gehört zu den besten 30 Spielern hier. Das ist einfach geil und ich bin unheimlich stolz auf ihn.

SPOX: Was hat bei Ihnen denn Ihrer Meinung nach gefehlt?

Senesie: Mein eigener Fehler war, dass ich nicht fokussiert genug war. Vielleicht hätte ich standhafter sein sollen.

SPOX: Meinen Sie damit Ihren Wechsel nach Zürich?

Senesie: Ja genau, vielleicht hätte ich beim BVB bleiben und in den sauren Apfel beißen sollen. Es bestand ja keine Notwendigkeit für den Wechsel, aber ich war damals in der U 21 und wollte einfach spielen. Das war rückblickend betrachtet jugendlicher Leichtsinn. Ich denke, dass ich diesen Schritt nicht hätte gehen sollen. Unabhängig davon muss man sich aber auch fragen, wer außer einem selbst noch Schuld hat.

SPOX: Was trifft da in Ihrem Fall zu?

Senesie: Ich hatte zu viel Ablenkung, weil ich teilweise die falschen Leute um mich herum hatte. Da ist man besser beraten, bei der eigenen Familie zu sein, die einem immer die Wahrheit sagt. Meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass Toni nicht den gleichen Fehler macht.

SPOX: Stellen Sie sich manchmal die Frage: Was wäre, wenn?

Senesie: Nein, überhaupt nicht. Dafür bin ich nicht der Typ. Ich schaue immer nach vorne. Fehler passieren und man muss weiter machen. Was mir verwehrt worden ist, soll mein Bruder bekommen.

SPOX: Sie selbst haben insgesamt über 100 Spiele für den BVB absolviert. War Wehmut dabei, als Sie am 5. Spieltag auf ihren alten Verein getroffen sind?

Senesie: Ja natürlich, aber insgesamt hat die Freude überwogen. Der BVB ist und bleibt mein Verein, deshalb freue ich mich immer wieder, gegen ihn zu spielen.

SPOX: Welche Erinnerungen haben Sie an die Schwarzgelben?

Senesie: Positiv waren natürlich die Bundesligaspiele unter meinem Förderer Matthias Sammer. Negativ war für mich persönlich die Zeit unter Bert van Marwijk, der zwar ein guter Trainer ist, aber nicht auf mich setzte.

SPOX: Erzählen Sie.

Senesie: Es ist nicht toll, links liegen gelassen zu werden, obwohl man unter dem anderen Trainer eine Größe war. Aber okay, das ist Profifußball und damit muss man leben. Das meinte ich vorhin auch mit standhaft sein. Vielleicht hätte ich einfach bleiben und auf eine Chance hoffen sollen - aber ich habe die Biege gemacht.

SPOX: Haben Sie sich Ihre Karriere vor zehn Jahren anders vorgestellt?

Senesie: Ursprünglich wollte ich immer beim BVB bleiben und habe einige Angebote ausgeschlagen, bin dann aber doch gewechselt. Wenn du dann einmal in die vierte Liga gehst, musst du aufpassen, weil es schwierig ist, wieder nach ganz oben zukommen. Es ist zwar einiges nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe, aber ich kann gut damit leben.

SPOX: Haben Sie noch Kontakt zu Kollegen aus dieser Zeit?

Senesie: Ja. Am meisten zu Roman Weidenfeller. Er ist einer der wenigen, die aus meiner Zeit verblieben sind.

SPOX: Haben Sie mit ihm nach seiner Degradierung gesprochen?

Senesie: Nein, ich hab ihm nur geschrieben: "Kopf hoch. Qualität setzt sich durch." Es ist die Entscheidung von Herrn Klopp, und Roman akzeptiert das. Er ist ein Riesensportler mit großen Verdiensten beim BVB und ich gehe davon aus, dass er in der Rückrunde wieder im Tor stehen wird.

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