"Wer zu Dynamo kommt, muss zittern"

SPOX
05. Mai 201619:41
Einmal Dynamo, immer Dynamo: Das gilt nicht zuletzt für Ede Geyerimago
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Eduard "Ede" Geyer ist eine Legende des DDR-Fußballs. Mit Dynamo Dresden feierte er zweimal die Oberliga-Meisterschaft und einmal den Gewinn des Pokals. Im Interview mit SPOX spricht der inzwischen 71-Jährigen über den Aufstieg und die Perspektiven seines Herzensklubs Dynamo, die Entwicklung von RB Leipzig und Gartenarbeiten nach der Karriere.

SPOX: Mit Ihrem früheren Klub Dynamo Dresden steht ein Aufsteiger in die 2. Liga fest. Wie sehr haben Sie sich eigentlich darüber gefreut?

Eduard Geyer: Dresden hat über die letzten Jahre immer Probleme gehabt, sich zu stabilisieren. Deshalb ist es für alle Dynamo-Anhänger jetzt eine große Erleichterung, dass der Aufstieg geklappt hat. Jetzt geht es nur noch darum, sich ordentlich aus der 3. Liga zu verabschieden und nach vorne zu blicken: Dresden muss sich verstärken, um in der nächsten Saison nicht in den Abstiegsstrudel zu geraten. Die Etablierung in der 2. Liga muss das Ziel sein.

SPOX: Dresden hat die Konkurrenz klar dominiert. Wo liegen die Gründe dafür?

Geyer: Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn man das Resultat betrachtet, haben sie alles richtig gemacht. Mehr als den Aufstieg kann man nicht erreichen. Uwe Neuhaus hat einen unglaublich großen Anteil an der Siegesserie. Er hat den Erfolg mit nach Dresden gebracht und dadurch das ganze Klima im Verein beruhigt.

Uwe Neuhaus im SPOX-Interview: "Von uns kann man ehrlichen Fußball erwarten"

SPOX: Ist Dynamo auch für die Zukunft gut aufgestellt?

Geyer: Auf der Trainerposition definitiv. Neuhaus hat ja bereits mehrere Jahre in der 2. Liga trainiert. Der Rest bleibt abzuwarten. Viele Spieler werden den Verein verlassen, die Mannschaft wird sich wieder verändern. Ich hoffe dementsprechend, dass Dresden gute Spieler findet - sowohl fußballerisch als auch charakterlich. Es sollten Spieler sein, die es auch schätzen, dass sie vor ausverkauftem Haus spielen können. Denn die Euphorie für den Fußball in der Region ist enorm groß und die Hoffnung, sich auf Dauer oben zu etablieren, ebenfalls.

SPOX: Stichwort Fußball-Euphorie: Welchen Anteil haben die Dynamo-Anhänger am Erfolg?

Geyer: Dresden ist allgemein eine Stadt, die mit und für den Fußball lebt. Auch viele Menschen, die nicht zum Fußball gehen, haben trotzdem ein Herz für den Klub. Vor allen Dingen sind aber die Ultras im K-Block mit den Choreographien und Gesängen enorm wichtig. Was ich mir aber zudem noch wünsche: Dynamo muss aus seinem Heim-Mythos noch mehr Kraft ziehen. Zu Hause muss Dresden eine Macht sein! Und die Mannschaften, die nach Dresden kommen, müssen zittern.

SPOX: Doch Dynamo hat nach wie vor ein Hooligan-Problem, das ist bundesweit bekannt. Was muss der Verein dagegen unternehmen?

Geyer: Wenn ich ins Stadion gehe, sehe ich nur die freudigen Gesichter, die Fans und Familien, aber keinen Krach. Natürlich gibt es immer wieder Störenfriede oder Hooligans. Die müssen natürlich aus dem Verkehr gezogen werden, aber ich bleibe bei meiner Meinung: Das ist kein Problem des Vereins Dynamo Dresden, das ist ein Problem der Politik. Hooligans gibt es auch in Köln und in vielen anderen Städten. In Dresden hat sich das meiner Meinung nach zuletzt in eine gute Richtung entwickelt. Da muss nicht immer mit dem Finger auf den Osten gezeigt werden.

SPOX: Können sich andere Ost-Vereine von Dresden etwas abschauen?

Geyer: Natürlich können sich andere Klubs Dynamo als Vorbild nehmen. Die Vereine können sich beispielsweise untereinander austauschen. Dennoch muss jeder selber sehen, wie er zurechtkommt. Hinzu kommt, dass Klubs wie Aue, Leipzig oder Magdeburg alle eine andere Ausgangsposition haben. Dadurch wird es schwer, alle miteinander zu vergleichen. Natürlich spielt auch die Tradition immer eine große Rolle. In Dresden ist diese gegeben. Der Fußball lebt hier schon seit über 100 Jahren und genau das wird beibehalten.

SPOX: Neben Dresden wird mit Erzgebirge Aue wohl ein zweiter Ostverein aufsteigen.

Geyer: Der Erfolg von Aue muss wirklich neidlos anerkannt werden. Die haben einen großen Schritt nach vorne gemacht, da es zu Saisonbeginn einen ganz großen Umbruch gab. Aue wird zu 100 Prozent aufsteigen, da lege ich mich fest. Die Mannschaft ist sehr effizient und arbeitet mit großer Hingabe und Leidenschaft. Man könnte sagen, dass sie den Aufstieg erzwungen haben. Aber wir dürfen Magdeburg nicht vergessen. Sie sind ebenfalls gut gestartet und waren immer vorne mit dabei. Da habe ich im Stillen gehofft, dass sogar drei Ost-Vereine aufsteigen könnten. Vielleicht haben sie das in Magdeburg auch gedacht.

SPOX: Ist der Erfolg der Klubs aus dem Osten Zufall oder erleben wir den großen Aufschwung?

Geyer: Mit Vorsicht betrachtet kann die Situation sehr, sehr positiv gesehen werden. Auch wenn die beiden Teams natürlich nicht sofort von der 3. Liga in die Bundesliga aufsteigen werden. Der Blick muss aber auch auf den Nachwuchs und die Auswahlmannschaften von der U14 bis zur U23 gehen. Wenn da der Osten mit dem nationalen und internationalen Fußball verglichen wird, stellt sich heraus, dass wir da noch sehr viel zu tun haben. Zudem brauchen wir finanzkräftige Sponsoren, dass wir vielleicht ein bisschen schneller nach oben kommen.

SPOX: Sponsoren, wie sie bei RB Leipzig eingestiegen sind?

Geyer: Leipzig hat es vorgemacht. Wenn man Geld gut einsetzt und fähige Leute hat, sind Ziele schneller zu erreichen. Bei anderen Vereinen fehlt die Wirtschaftlichkeit nach wie vor.

SPOX: Demnach heißen Sie die Entwicklung bei RB gut?

Geyer: Die Richtung stimmt. Leipzig wird dieses Jahr aufsteigen, weiter investieren und in der Bundesliga eine gute Rolle spielen. Man kann viel Geld in die Hand nehmen, aber auch viele Fehler machen. Doch auch mit wenig Geld kann das Glück erzwungen und etwas erreicht werden.

SPOX: Und Ihre persönliche Meinung?

Geyer: Wer nostalgisch ist, stellt fest, dass der regionale Bezug fehlt. Aber mit dem Blick auf die international großen Klubs hat sich der Fußball in eine Richtung entwickelt, in der große Sponsoren dahinterstehen. Der Fußball ist eine reine Geldmaschine geworden.

SPOX: Sind Sie eher der Nostalgiker oder der Erfolgsfan?

Geyer: Eigentlich beides. Ich muss es auf der einen Seite anerkennen: Leipzig kann gut mit Geld umgehen. Und ohne Geld bieten sich im Fußball nur selten Chancen, an die Spitze zu kommen.

SPOX: Bei ihrem Herzensverein Cottbus, bei dem sie zehn Jahre Trainer waren, geht's dagegen mit Vollgas in Richtung Bedeutungslosigkeit. Cottbus könnte einen Retter "Ede Geyer" gut gebrauchen, oder?

Geyer: Na ja, die haben ja einen neuen Trainer geholt. Ich hoffe natürlich, dass die Entscheidung richtig war.

SPOX: Hätten Sie bei einem Anruf aus Cottbus abgesagt?

Geyer: Ich habe immer gesagt, dass ich helfen kann - aber nicht als Trainer. Jetzt kommt es nur darauf an, dass Cottbus in der Liga bleibt. Dass dort ein Sportdirektor oder ähnliches gebraucht wird, bezweifle ich.

SPOX: Ich habe Sie bei der Gartenarbeit erwischt. Machen Sie das mittlerweile lieber, als auf der Trainerbank zu sitzen?

Geyer: Die Situation zurzeit gefällt mir sehr gut. Ich kann mir jeden Tag selbst einteilen, alles steht einem offen: Mit den Enkeln Schulaufgaben machen, Gartenarbeit, Golfspielen, sich selbst fit halten und natürlich gelassen die Fußballspiele angucken. Außerdem hat man keinen Stress mit der Vorbereitung und muss sich nicht mehr mit den Spielern oder Sponsoren rumärgern.