Im Mai 2015 feierten Sie Ihr Comeback, doch nur vier Monate später folgte die nächste Hiobsbotschaft: Sie mussten sich einer Operation an der Hüfte unterziehen und fielen wieder bis Mai aus.
Sarr: Im ersten Moment war ich extrem niedergeschlagen. Wenn man mit 20 das zweite Mal in Folge weiß, dass man erneut sechs Monate raus ist und wieder von vorne durch dieselbe "Hölle" gehen muss - da gab es Tage, an denen wollte ich gar nicht zur Anlage fahren. Ich hatte wenig Antrieb bezüglich meiner Übungen im Kraftraum. Ich wollte doch nur Fußball spielen! Damals habe ich überlegt, wie das alles überhaupt weitergeht und ob ich nicht etwas anderes machen oder sehen sollte. Es war eine schwierigere Zeit als beim ersten Ausfall.
Wie meinen Sie das genau?
Sarr: Es hätte mit der Karriere schnell vorbei sein können, wenn der Eingriff zu spät erfolgt wäre. Die Ärzte meinten, dass ich von Geburt an eine Fehlstellung der Hüfte hätte. Der Hüftknochen hat nicht in die Hüftpfanne gepasst. Durch den Leistungssport hat sich das dann überhaupt erst bemerkbar gemacht. Ich weiß noch, dass meine Mutter ganz schön fertig war. Mir war trotz der bitteren Diagnose aber klar, dass ich nach der OP wieder auf dem Platz stehen werde.
Die Verletzungen hatten Sie zwischenzeitlich bis in die Regionalliga zurückgeworfen. War das für Sie als Fußballer schwierig zu akzeptieren, wenn man schon einmal ganz oben gespielt hat?
Sarr: Wenn man in der Bundesliga gespielt hat und plötzlich vor 200 Zuschauern auf einer Bezirkssportanlage aufläuft, muss man sich da erst einmal hineinarbeiten. Es fällt einem anfangs einfach schwerer. Ich habe das mit der Zeit aber besser angenommen, denn die Zeiten mit dem BVB sind eben vorbei. Die Realität sieht anders aus und in der muss ich leben. Ich weiß aber, was ich kann und habe nicht aus Zufall beim BVB gespielt. Ich bin überzeugt davon, dass mein Potential mit 24 Jahren immer noch nicht gänzlich ausgeschöpft ist.
Lag dies für Sie nur an Ihren Blessuren?
Sarr: Das wäre zu einfach. Natürlich habe ich meinen Anteil daran, habe mein Potential bisher zu wenig ausgeschöpft und zu wenig meine wahre Leistungsgrenze erreicht. Wenn ich das künftig schaffe, bin ich guter Dinge, dass ich meine Schritte wieder zurück nach oben gehen werde. Es liegt einzig und allein an mir. Ich habe weiterhin die feste Überzeugung, dass mein Zug noch nicht abgefahren ist.
Wieso fehlen denn die letzten Prozente in Ihren Augen?
Sarr: Es ist schwer, das in Worte zu fassen. Ich überlege oft, warum ich nicht konstant die 100 Prozent erreicht habe, suche den Hauptgrund jedoch ausschließlich bei mir. Ich muss schlichtweg verletzungsfrei bleiben, zu 100 Prozent fit sein und konstant auf einem hohen Niveau trainieren.
Apropos Niveau: Vielleicht wäre die Chance, die 100 Prozent zu erreichen, in einer höherklassigen Liga größer, weil Sie da permanent gefordert würden?
Sarr: Da gibt es vielleicht einen Zusammenhang. Wenn man im Training anders gefordert wird, verschiebt man die Leistungsgrenze automatisch nach oben. In Dortmund habe ich als 18-Jähriger drei, vier Monate gebraucht, um mich an das Tempo zu gewöhnen. Mit der Zeit bekam ich aber das Gefühl, dass ich dort auch wirklich mithalten kann. Letztlich muss man jedoch immer die 100 Prozent erreichen, unabhängig von der Spielklasse.
Nach Ihren beiden schweren Verletzungen wechselten Sie zur Saison 2016/17 zum VfL Wolfsburg, wo Sie für die Zweitvertretung in der Regionalliga Nord zum Einsatz kamen. Wieso ging es in Dortmund nicht mehr für Sie weiter?
Sarr: Das Vertrauen des Vereins war immer noch da. Die Zeit in der Reha hatte mich aber doch ziemlich geschlaucht. Ich brauchte einfach eine Luftveränderung und musste auch einmal raus aus der Komfortzone in meiner Heimat rund um Essen. Der BVB hat meinem Wunsch letztlich entsprochen.
Vom BVB in die 4. Liga nach Wolfsburg zu gehen, klingt nach einem ungewöhnlichen Schritt.
Sarr: Das war anders angedacht, nämlich mit dem Blick Richtung Profis unter Dieter Hecking. Ich sollte bei der ersten Mannschaft die Vorbereitung mitmachen, hatte aber nach den ersten Belastungen leichte muskuläre Probleme. Letztlich habe ich dann nur zweimal unter Dieter Hecking trainiert, ehe er entlassen wurde. Das war insofern schade für mich, da ich bei ihm das Gefühl hatte, dass für mich noch einmal eine Tür aufgehen kann. Es ist dann leider einiges nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Am Ende bin ich ein bisschen in der zweiten Mannschaft steckengeblieben.
Für Wolfsburg II kamen Sie aber immerhin in 21 Partien zum Einsatz und blieben vor allem verletzungsfrei. Wie wichtig war diese Saison für Ihre Psyche?
Sarr: Sehr wichtig. Ich habe gesehen, dass es der Körper wieder mitgehen kann. Ich hoffte zwar, dass ich noch mehr Spiele mache, aber nach gefühlt zwei Jahren ohne Fußball war das in Ordnung. Vor allem war ich endlich verletzungsfrei.