Haching in Zeiten von Corona - Manfred Schwabl im Interview: "Klubs müssen vor ihren eigenen Türen kehren"

Nino Duit
17. April 202013:15
Manfred Schwabl ist Präsident der SpVgg Unterhaching.imago images
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Die Fußballwelt steht aufgrund der Coronakrise auf unbestimmte Zeit still - doch was bedeutet das für einen Profiklub? SPOX und Goal begleiten den Drittligisten SpVgg Unterhaching durch die Ungewissheit und beleuchten fortlaufend verschiedene Aspekte des Vereinslebens.

In Teil 1 der Serie "Haching in Zeiten von Corona" spricht Präsident Manfred Schwabl über aktuelles Krisenmanagement und das weitere Vorgehen. Er lobt den DFB und fordert Eigeninitiative von seinen Profispielern sowie ein Umdenken bei den Vereinsverantwortlichen vieler Drittligisten.

Herr Schwabl, wie kann man sich aktuell den Alltag bei der SpVgg Unterhaching vorstellen?

Manfred Schwabl: Die meisten Führungskräfte und ich sind eigentlich jeden Tag im Büro, aber ansonsten ist nicht viel los. Wir haben alle Angestellten ins Homeoffice geschickt und die Geschäftsstelle sowie den Fanshop geschlossen. Personelle Konsequenzen haben wir bis jetzt nicht gezogen und das ist auch nicht geplant. Ich persönlich habe aktuell nicht mehr oder weniger zu tun als bei einem normalen Saisonverlauf. Die Aufgaben sind halt lediglich andere.

Wie eng ist der Austausch mit dem Trainerteam und der Profimannschaft?

Schwabl: Ich stehe mit unserem Cheftrainer Claus Schromm jeden Tag in Kontakt und das Trainerteam wiederum mit der Mannschaft. Wir haben da klare Kommunikationslinien. Natürlich spreche ich aber auch mit dem einen oder anderen Spieler, wie ich das in der Vergangenheit auch gemacht habe.

Haching-Präsident Schwabl lobt DFB für Transparenz

Wie hält sich die Mannschaft fit?

Schwabl: Aktuell sind deutschlandweit alle Sportplätze gesperrt und deswegen findet auch bei uns selbstverständlich kein Mannschaftstraining statt. Die Spieler bekommen individuelle Trainingspläne und müssen sich daheim in Eigenregie fithalten. Sie gehen laufen und machen Athletiktraining - wir tragen ihnen aber definitiv keine Laufbänder oder andere Fitnessgeräte hinterher. Es ist Eigeninitiative und Eigenverantwortung gefragt und unser Team macht das bis dato auch sehr professionell.

Werden die Spieler regelmäßig auf das Coronavirus getestet oder gibt es sonstige Vorsichtsmaßnahmen wie Fiebermessen?

Schwabl: Nein, weil es im Klub bisher keine Anzeichen auf Infektionen gibt. Wir haben den Spielern aber gesagt, dass sie sich sofort melden müssen, sollten sie Symptome haben. Wir lassen zwar höchste Vorsicht walten, aber es darf niemals die Angst regieren. Denn Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.

Bei einer Videokonferenz zwischen Vertretern des DFB und der Klubs wurde am vergangenen Montag die aktuelle Lage besprochen und im Zuge dessen eine Aussetzung des Spielbetriebs der 3. Liga bis zum 30. April beschlossen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Austausch untereinander?

Schwabl: Die Videokonferenz wurde von Seiten des DFB optimal organisiert. Ich fühle mich in diesen schwierigen Zeiten in unserem Verband sehr gut aufgehoben und muss ein Kompliment dafür aussprechen, wie offen alle Themen besprochen und kommuniziert werden. Der DFB tut alles, um die Klubs bestmöglich zu unterstützen - aber die Klubs müssen schon auch vor ihren eigenen Türen kehren.

Wie meinen Sie das?

Schwabl: Die Verantwortungsträger aller Klubs sollten ehrlich in sich gehen und sich fragen, ob sie in Sachen Nachwuchsarbeit und Gehaltskosten zuletzt nicht auf dem Holzweg waren. In der Hinrunde lag die Einsatzzeit von für deutsche U-Nationalmannschaften spielberechtigte Spieler in der 3. Liga bei acht Prozent. Das kann eigentlich nicht sein. Würden alle Klubs mehr eigene Nachwuchsspieler anstatt teure Legionäre in ihre Profimannschaften integrieren, wären die Gehaltskosten entsprechend geringer und damit in so einer Situation auch die finanziellen Probleme. Gleichzeitig wäre die Identifikation der Spieler mit dem Klub und das Verständnis für Einschnitte größer. Wir bei Haching haben in der Hinsicht sicherlich eine Vorreiterrolle inne, müssen uns diesbezüglich aber trotzdem permanent hinterfragen.

Schwabl will Aussagen von Watzke nicht überbewerten

Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagte im Zuge der Coronakrise: "Am Ende können nicht die Klubs, die ein bisschen Polster angesetzt haben in den letzten Jahren, die Klubs, die das nicht getan haben, dafür auch noch belohnen." Verstehen Sie seine Ansichten?

Schwabl: In Krisenzeiten sind wir alle gut beraten, nicht jede Aussage auf die Goldwaage zu legen. Meiner Meinung nach sollten alle Klubs so aufgestellt sein, dass sie in außergewöhnlichen Situationen nicht nur auf fremde Hilfe angewiesen sind.

Rechnen Sie damit, dass Drittligisten existenzielle Überlebensprobleme bekommen werden?

Schwabl: Aktuell darf es nur um die Gesundheit aller in unserer Gesellschaft gehen und deshalb habe ich überhaupt keine Lust, über wirtschaftliche Aspekte zu sprechen. Im Gegensatz zu Gesundheits- sind Geldfragen in der Regel lösbar.

Wann rechnen Sie mit einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der 3. Liga?

Schwabl: Auf diese Frage kann weder ich noch irgendwer sonst eine fundierte Antwort geben. Das hängt ausschließlich vom Verlauf der Pandemie ab. In der 3. Liga haben wir uns darauf geeinigt, dass wir erst dann wieder spielen, wenn alle Klubs zuvor die Chance auf ein normales Mannschaftstraining gehabt haben. Alles andere hätte mit Fairness und Solidarität nichts zu tun. Die Spieler müssen für einen geregelten Spielbetrieb erst miteinander trainiert haben. Nur Waldläufe und Liegestütz gemacht zu haben, bringt eher wenig.

Sobald es weitergeht werden sich die Verbände und Klubs zwischen Saisonabbruch mit der aktuellen Tabelle, Saisonannullierung oder Saisonfinalisierung mit Geisterspielen entscheiden müssen. Herrscht in dieser Hinsicht Einigkeit?

Schwabl: Wir waren uns alle einig, dass erstmal die Gesundheit im Vordergrund steht und die Pause bis zum 30. April richtig ist. Hinsichtlich des weiteren Vorgehens gibt es verschiedene Präferenzen. Ich appelliere aber an alle Klubs, die Vereinsbrillen abzunehmen, wenn es letztendlich um eine notwendige Lösung geht.

Was ist Ihre bevorzugte Option?

Schwabl: Das werde ich sagen, sobald eine Entscheidung ansteht.

Haching-Präsident Schwabl über Gehaltsverzicht und Transfers

Bei Borussia Mönchengladbach verzichten die Profis freiwillig auf Teile ihres Gehalts. Könnten Sie sich das auch bei Unterhaching vorstellen?

Schwabl: Bisher gab es diesbezüglich noch keine offiziellen Gespräche mit den Spielern. Wir wollen keinen Aktionismus betreiben und erstmal abwarten, wie lange die Pause dauern wird. Ich kenne unsere Jungs aber sehr gut und sollte es wirklich eng werden, stehen die sicherlich von selbst bei mir im Büro und fragen, was sie beitragen können. Unser Kapitän Seppi Welzmüller hat mir diesbezüglich auch schon was angedeutet. Wir arbeiten mit großen Teilen des aktuellen Kaders schon sehr lange zusammen und da hat sich ein wunderbares Miteinander entwickelt.

Inwiefern beeinträchtigt die Coronakrise die Transferplanungen?

Schwabl: Bis auf wenige Ausnahmen besitzen alle unsere Spieler bis mindestens 2021 gültige Verträge für die 2. sowie 3. Liga und auch die geplanten Neuzugänge haben schon unterschrieben. Insofern steht unser Kader grundsätzlich für die nächste Saison. Wir sind in der angenehmen Situation, dass wir diesbezüglich keine Not haben.

Neben Dortmund ist Unterhaching der einzige an der Börse notierte Fußballklub Deutschlands. Sind in dieser Krise deswegen besondere Maßnahmen erforderlich?

Schwabl: Dortmund hat aufgrund der Entwicklungen eine Gewinnwarnung an seine Aktionäre verschickt. Wir haben das nicht gemacht, weil die Pressemitteilung des DFB bezüglich der Spielpause unserer Meinung nach ausreicht. Wir sind rechtlich sehr gut beraten und wissen schon, wann den Aktionären welche Informationen mitgeteilt werden müssen.

Hatte die Coronakrise bereits Auswirkungen auf Unterhachings Aktienkurs?

Schwabl: Nicht wirklich, der ist nach wie vor relativ stabil. Der Ausgabekurs im vergangenen Sommer betrug 8,10 Euro, aktuell stehen wir bei etwa 7,60 Euro. Unsere Anleger sind auf eine mittel- bis langfristige Zusammenarbeit eingestellt und entsprechend bin ich sehr positiv gestimmt, dass sie die Situation richtig beurteilen und nicht unruhig werden.

Von 11. bis 25. März gibt der Klub neue Aktien für bestehende Aktionäre heraus. Steht das in Zusammenhang mit der aktuellen Situation?

Schwabl: Nein, man kann nicht über Nacht eine Kapitalerhöhung veranlassen. Wir haben uns im Februar zu diesem Schritt entschieden und ihn dann in die Wege geleitet. Natürlich fällt das jetzt in einen sehr unglücklichen Zeitraum, aber Lamentieren bringt nichts und ist auch nicht angebracht. Es bestehen momentan definitiv erheblich größere Sorgen in unserer Gesellschaft.

Die aktuelle Tabelle der 3. Liga

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.MSV Duisburg2750:351547
2.Waldhof Mannheim2741:311044
3.SpVgg Unterhaching2740:31944
4.SV Meppen2750:361442
5.FC Ingolstadt2747:341342
6.1860 München2745:38742
7.Bayern München II2752:46641
8.FC Hansa Rostock2736:31541
9.Eintracht Braunschweig2742:38441
10.Würzburger Kickers2748:45341
11.KFC Uerdingen 052732:39-739
12.FC Viktoria Köln2746:53-735
13.Chemnitzer FC2744:44034
14.1. FC Kaiserslautern2742:45-334
15.Magdeburg2737:31633
16.Hallescher FC2743:43033
17.FSV Zwickau2740:41-132
18.SC Preußen 06 Münster2737:48-1127
19.Sonnenhof Großaspach2723:52-2921
20.FC Carl Zeiss Jena2727:61-3417