EM

Cristiano Ronaldos größtes Spiel für Portugal

Von SPOX
Cristiano Ronaldo hat bei der EM bislang drei Tore erzielt
© Getty

Cristiano Ronaldo ist Portugals größte Hoffnung im Halbfinale gegen Spanien - und der einzige Fixpunkt in der Offensive. Möglich, dass ihn Trainer Paulo Bento neu positioniert, um bei aller Defensivstrategie die eigenen Angriffsbemühungen nicht zu torpedieren. Den Spaniern sind diese Überlegungen egal.

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Ricardo Costa hat bei der EM noch keine Sekunde gespielt. Der portugiesische Abwehrspieler vom FC Valencia wird auch das Halbfinale gegen Spanien (Mittwoch, 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) nur von der Bank aus verfolgen. Umso erstaunlicher daher, dass ausgerechnet er vor der Partie gegen den amtierenden Welt- und Europameister tönt: "Die sind im Angriff ungefährlicher als Frankreich, die können wir leichter ausschalten."

Gestichelt hat er mit dieser Aussage wahrlich, richtig liegt er damit aber natürlich nicht. Wenn man sich Auszüge der portugiesischen Offensivleistung bei dieser Endrunde genauer vor Augen führt, wäre es nicht allzu verkehrt, hätte ein spanischer Spieler diese Worte benutzt und auf die Portugiesen ummünzt.

Cristiano Ronaldo: Portugals Fixpunkt

Portugal hat bislang sechs Tore in vier Spielen geschossen. Eine ordentliche Quote, doppelt so hoch wie die der Franzosen.Allerdings muss man festhalten, dass die Offensivkraft Portugals mit dem Wirken eines einzigen Akteurs steht und fällt: Cristiano Ronaldo. Er hat mit drei Treffern aus den vergangenen zwei Partien sein Land im Alleingang in die Runde der letzten Vier geschossen.

Der Kicker von Real Madrid hat dafür gesorgt, dass Portugal ein großes Spiel bevorsteht. In den großen Spielen auf Vereinsebene, den Clasicos zwischen den Königlichen und dem FC Barcelona in der Primera Division, ist Ronaldo in Madrid nur einer von vielen Weltstars im Team - wenn auch der am meisten beachtete.

Am Mittwoch wird dies anders sein: Ronaldos Rolle in der Nationalelf unterscheidet sich stark von der in Spaniens Hauptstadt. Im Trikot Portugals ist er der Fixpunkt, auf den alle offensiven Bemühungen ausgerichtet sind. Der Qualitätsunterschied zwischen Ronaldo und seinen offensiven Mitstreitern ist auf Länderebene um ein Vielfaches größer.

Keine Experimente bei Portugal

Gegen Tschechien gaben ihm seine Mitspieler den Ball und hofften darauf, dass er damit etwas anzufangen weiß.

Wird Ronaldos Aktionskreis jedoch konsequent eingeschränkt, sind die Angriffsbemühungen in den meisten Fällen schlicht zu eindimensional und ungefährlich.

Auch Portugal wird keine Experimente eingehen und die Spanier sehr tief stehend empfangen. Das funktionierte in weiten Teilen bereits gegen Deutschland. Und Kroatien hat den Europameister mit einer kompakten Defensivbewegung und schnellen Vorstößen in die Offensive immerhin kurzzeitig ins Wanken gebracht.

Heißt im Umkehrschluss: Für Ronaldo kann es im Offensivspiel gegen Spanien eigentlich nur extrem schwer werden. Schon gegen Deutschland zeigte er zwar eine solide Leistung, hatte bis auf zwei Freistoßsituationen jedoch kaum effektive Aktionen zu verzeichnen. Gegen Spanien dürfte der Weg seiner Mitspieler, um ihn nach Ballgewinnen im vorderen Angriffsdrittel zu unterstützen, wohl noch weiter sein.

Mit dem Ausfall von Helder Postiga ist Portugals Trainer Paulo Bento gezwungen, eine Stelle in der Offensive neu zu besetzen. Es erscheinen als denkbare Varianten, dem Ausfall des zentralen Stürmers mit einer neuen Positionierung Ronaldos entgegen zu wirken, um bei aller Defensivstrategie die eigenen Angriffsbemühungen nicht zu torpedieren. Die Szenarien:

Ronaldo bleibt auf der linken Seite: Die wahrscheinlichste Variante. Bei den Spaniern ist zu beobachten, dass Rechtsverteidiger Alvaro Arbeloa deutlich defensiver agiert als Jordi Alba, sein Pendant auf links. Er wäre Ronaldos direkter Gegenspieler, wenn der Portugiese über links kommt.

Arbeloa wird aufgrund seiner technischen Beschränktheit nur selten aus dem Mittelfeld heraus angespielt und in die Offensive geschickt. Er würde sich also größtenteils mit der Hilfe von Sergio Busquets auf reine Defensivarbeit gegen seinen Madrider Teamkollegen beschränken - und kennt diesen in- und auswendig.

Für Ronaldo einerseits ebenfalls ein Vorteil, auch er ist mit den Schwächen Arbeloas vertraut. Andererseits könnte sich Ronaldo der Dauerbewachung nur dann entziehen, wenn er vom linken Flügel in die Mitte rotiert und so in der spanischen Defensive Probleme bei der Übergabe herauf beschwört.

Ronaldo spielt auf der rechten Seite: Ronaldo kennt diese Rolle noch von Manchester United und wäre auf dieser Position in der Lage, die leichte Linkslastigkeit des spanischen Spiels aufzuheben und Alba in der Defensive zu binden. Daran versuchte sich bereits Frankreichs Laurent Blanc, als er mit Mathieu Debuchy und Anthony Reveillere ein Rechtsverteidigertandem gegen Alba stellte. Und dennoch: Alba (51) bekam im Spielaufbau fast doppelt so viele Bälle zugespielt wie Arbeloa (29). In diesem Fall müsste Ronaldo jedoch auch verstärkt in der Defensive mithelfen, damit die spanische linke Flanke nicht zu oft Überzahlsituationen auf der Außenbahn kreieren kann - allerdings nicht unbedingt Ronaldos Paradedisziplin.

Ronaldo agiert im Sturmzentrum: Bento könnte Ronaldo von vornherein noch mehr als sonst von allen Defensivaufgaben entbinden und ihn als einzigen Offensiven aufstellen, der zur Ballannahme auf die Flügel pendelt und sich zudem direkt im Strafraum für Hereingaben anbietet. Im Gruppenspiel gegen Deutschland orientierte sich Ronaldo bereits häufig ins Sturmzentrum, auch in den folgenden Partien interpretierte er seinen Part äußerst flexibel und rochierte mehr oder weniger durch das gesamte Angriffsdrittel.

Ob Bento gegen Spanien tatsächlich einen neuen taktischen Kniff auspacken wird, bleibt letztlich Spekulation. Dass die Spanier auf die Klasse Ronaldos spezifisch eingehen werden und ihre Vorgehensweise umstellen, ist dagegen ausgeschlossen.

Das machte Spaniens Co-Trainer Toni Grande klar: "Wir halten an unserem Stil fest, weil wir davon überzeugt sind, dass es der richtige ist, um erfolgreich zu sein. Wir zweifeln keine Sekunde an unserem Stil. Und wir werden ihn auch gegen Portugal nicht ändern. Wir wissen, welch hohe Qualität Cristiano Ronaldo hat und dass er uns wehtun kann auf dem Platz. Aber wir ändern deshalb nicht unseren Stil."

Diesen Gedanken unterstreicht auch Pique: "Cristiano ist einer der besten Spieler der Welt, aber wir werden uns nicht alleine auf ihn fokussieren. Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir als Kollektiv denken. Der Schlüssel zum Erfolg ist, das Spiel zu kontrollieren. Wenn wir den Ball in unseren Reihen haben, dann wir er uns weniger Probleme bereiten."

Die Bilanz: Portugal gegen Spanien

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