Horst Heldts Wutrede ist inzwischen fast so legendär wie die von Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung oder Rudi Völlers Austausch von Nettigkeiten mit Waldemar Hartmann.
"Ich bin maßlos enttäuscht und ich verstehe auch nicht mehr, was diese Pappnasen da entscheiden. Außerhalb des Sechzehners ist der über seine eigenen Füße gefallen, das muss der Linienrichter sehen. Und dann sagen sie, ja tut uns Leid, Tatsachenentscheidung. Da kriege ich das Kotzen", griff der Schalke-Manager den schottischen Schiedsrichter Craig Thomson und dessen Gespann nach deren Fehlentscheidung im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League gegen Twente Enschede an.
Auslöser war eine Schwalbe des Twente-Stürmers Luuk de Jong kurz vor der Strafraumgrenze, die Thomson zur Verwunderung aller mit dem Elfmeterpfiff belohnte. Der Rest ist bekannt: der "Gefoulte" hatte den fälligen Strafstoß zum einzigen Tor des Tages eiskalt verwandelt, schied aber mit seiner Mannschaft aufgrund der 1:4-Pleite im Rückspiel auf Schalke aus.
Beeindruckende Torquote
De Jong wird Heldt also in Erinnerung bleiben - allerdings nicht nur als Auslöser der Wutrede, sondern auch wegen der beeindruckenden Leistungen in der Europa League. In zehn Spielen sammelte der 21-Jährige acht Scorerpunkte. Auch in der niederländischen Eredivisie stellte er seine Torjägerqualitäten mit 25 Treffern und neun Vorlagen in 31 Partien unter Beweis. Damit war die Nummer neun an knapp der Hälfte der 82 Saisontore seines Teams direkt beteiligt.
Den niederländischen Nationalspieler alleine auf seine Torquote zu reduzieren, wäre allerdings falsch. De Jong vereint alle Fähigkeiten eines klassischen Mittelstürmers und ähnelt in seiner Spielweise seinem Nationalmannschaftskollegen Klaas-Jan Huntelaar: Er ist beidfüßig und enorm kopfballstark und dadurch der ideale zentrale Angreifer für das flügellastige Angriffsspiel Enschedes.
Hinzu kommen sein Instinkt für die richtigen Laufwege und ein eiskalter Abschluss. Außerdem weiß der 1,88 Meter große Blondschopf auch als Wandspieler zu überzeugen und erzielt Tore von außerhalb des Strafraums.
"Sein Niveau ist unglaublich, er wird der nächste niederländische Mittelstürmer. Er schießt nicht nur Tore: Er kann die Bälle in den schwierigsten Situationen halten, hat das Auge für die Mitspieler, verfügt über einen vorbildlichen Kopfball, ist physisch sehr stark. Und er arbeitet wie ein Pferd. Es ist eine Freude, ihn zu trainieren", schwärmt sein Co-Trainer und Ex-Schalker Youri Mulder im SPOX-Interview vom Offensivallrounder, der wegen seiner Dribbelstärke auch auf der Außenbahn oder im offensiven Mittelfeld eingesetzt werden kann.
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Sportlerfamilie de Jong
De Jong stammt aus einer sportbegeisterten Familie, sein 19 Monate älterer Bruder Siem ist als falsche Neun aus der Stammelf von Ajax Amsterdam nicht mehr wegzudenken und stand ebenfalls im erweiterten EM-Kader.
Beide kamen im schweizerischen Aigle zur Welt, weil die Eltern dort als Profi-Volleyballer spielten.
Mit vier Jahren zog die Familie zurück in die Heimat ins Achterhoek. Dort begannen die beiden Söhne ihre fußballerische Karriere beim Doetinchemer Verein DZC '68, ehe sie im Alter von zehn beziehungsweise zwölf Jahren zum VBV De Graafschap wechselten.
Nach vier Jahren trennten sich die Wege, Siem folgte dem Lockruf der renommierten Jugendakademie von Ajax Amsterdam. Luuk entschloss sich zu bleiben und debütierte im November 2008 in der höchsten niederländischen Spielklasse. Es folgten 13 weitere Einsätze, in denen er zwei Tore erzielte.
Kluivert: "Er kann zu einem der Großen Europas werden"
Das reichte aus, um Twente Enschede von seinen Qualitäten zu überzeugen. Im Sommer 2009 überwies der Verein 800.000 Euro Ablöse nach De Graafschap.
Nach einem schwierigen ersten Jahr mit zwölf Einsätzen (nur drei von Beginn an), gelang ihm unter Michel Preud'homme der Durchbruch. Zwölf Tore und ebenso viele Vorlagen in 32 Spielen brachten ihm außerdem die Berufung in die niederländische Nationalmannschaft, für die er bis heute sieben Mal auflief und ein Tor erzielte.
Im Schatten der Superstars Robin van Persie und Huntelaar soll de Jong nun als deren Nachfolger aufgebaut werden. "Er wird sehr schnell der beste der Niederlande sein. Er verfügt über alle Qualitäten, die ein Angreifer braucht, und kann sogar zu einem der Großen Europas werden", lobt Ex-Nationalstürmer Patrick Kluivert seinen Landsmann.
Europa steht Schlange
Das sehen auch zahlreiche Bundesligisten und Premier-League-Klubs so. Der FC Liverpool soll starkes Interesse haben an einer Verpflichtung des EM-Teilnehmers, der in Enschede noch einen Vertrag bis 2014 mit Option auf ein weiteres Jahr besitzt und rund zehn Millionen Euro Ablöse kosten würde.
Zudem soll de Jong, der mit seinem Verein die Europa-League-Qualifikation verpasst hat, noch bei weiteren englischen Spitzenklubs wie dem FC Chelsea, Manchester United oder Arsenal (als Ersatz für Robin van Persie) auf dem Zettel stehen.
Aber auch nur einige Kilometer von seinem aktuellen Arbeitgeber entfernt würden sich mit Borussia Dortmund, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach drei Bundesligisten über eine Verpflichtung der Allzweckwaffe freuen. Selbst der FC Bayern habe ein Auge auf ihn geworfen, wird spekuliert.
Gladbach der Favorit
"Ich weiß natürlich, dass mich einige Klubs aus der Bundesliga beobachten. Aber ich habe aktuell noch drei Jahre Vertrag bei Twente Enschede. Wenn ein interessantes Angebot kommt, werde ich natürlich darüber nachdenken", zeigt sich de Jong in der "Sport-Bild" einem Wechsel ins Nachbarland nicht abgeneigt.
Dennoch scheinen die beiden Ruhrpottrivalen aus dem Rennen. "Wenn ich nach Deutschland wechsle, dann nur nach Gladbach", zitiert ihn der "Express".
Sollte das der Fall sein, steht der Bundesliga ein aufregendes Aufeinandertreffen mit Schalke 04 und Horst Heldt bevor.
Luuk de Jong im Steckbrief