Spielweise und Personal
Viel mehr Außenseiter ging vor dem EM-Start gar nicht: Wer sich Nordirlands Kader anschaute, las die Namen und hatte dazu kaum Assoziationen. Klar, Johnny Evans, der mal bei Manchester United kickte und jetzt bei West Brom untergekommen ist, war vielen ein Begriff. Einige Wenige konnten mit Paddy McNair etwas anfangen, weil er in dieser Saison immerhin zu acht Premier-League-Einsätzen unter Louis van Gaal kam. Aber dann war auch schon Schluss.
Es gab einfach keinen Spieler, der herausragte. Das hat sich mit EM-Beginn schlagartig geändert. Will Grigg hat mittlerweile Kultstatus - nicht nur bei den nordirischen Fans, sondern bei allen Teilnehmern dieser Europameisterschaft. Der Mittelfeldspieler kam gegen Polen und die Ukraine zwar nicht zum Einsatz, trotzdem gab es in den vergangenen Tagen keinen prominenteren Namen.
Ein Fan widmete Grigg einen Song, der mittlerweile so etwas wie die inoffizielle Hymne der EM ist. "Will Grigg's on fire" kennt inzwischen ganz Fußball-Europa. Der Song geht so simpel über die Lippen, dass in Nordirlands Spielen gegen Polen und die Ukraine sogar die Fans des Gegners mit einstimmten.
Der Hype ist auf Griggs starke Saison in der dritten (!) englischen Liga zurückzuführen. Für Wigan Athletic schoss er 25 Tore in 40 Spielen und führte das Team damit in die zweite Liga. Für einen Startplatz in der Nationalelf reichte es bisher trotzdem nicht. Trainer Michael O'Neill vertraute in der Spitze Kyle Lafferty von Birmingham City beziehungsweise Conor Washington von den Queens Park Rangers. Dahinter agierte in beiden bisherigen Spielen Southamptons Steven Davis als hängende Spitze.
O'Neill wagte sich im Auftaktspiel gegen Polen (0:1) an eine Dreierkette in der Abwehr - und wurde dafür bestraft. Das 3-5-1-1, das die Nordiren dort praktizierten, war aber eher aus der Not heraus geboren, denn wirkliche Überzeugung des Trainers: Nach der Verletzung von Christ Bunt vor der EM mangelte es O'Neill schlichtweg an defensiven Alternativen.
Gegen die Ukraine sah sich der Coach gezwungen zu handeln: Der 36-jährige Aaron Hughes durfte hinten rechts ran, die Grundformation veränderte sich zum 4-4-1-1. Das gab dem Team mehr Stabilität.
Generell sind die Nordiren darauf aus, das Spiel des Gegners zu verlangsamen und die Bälle in die Gefahrenzonen zu unterbinden. Damit hat Deutschland bereits in den ersten Gruppenspielen Erfahrung gemacht. Die Nordiren sind dahingehend aber noch einmal eine Nummer krasser: Die sonst ultradefensiven Ukrainer erreichten gegen Nordirland einen Ballbesitz von 69,3 Prozent! Das sagt viel aus.