Stärken und Schwächen:
Als "kampfstark", "kompakt" und "bei Kontern gefährlich" beschrieb DFB-Co-Trainer Thomas Schneider den ersten Gruppengegner. Das trifft es grob zusammengefasst sehr gut. Vereinfacht ist es die ukrainische Spielidee, die schnellen Flügelspieler Yarmolenko und Konoplyanka zu bedienen und dann aus deren individueller Klasse Profit zu schlagen. Nicht selten entschieden sie durch spektakuläre Treffer schon Partien.
Doch auch bei Standards muss man gegen die Ukraine aufpassen. Ruslan Rotan ist wohl der Spieler mit dem meisten Gefühl im Fuß. Er tritt viele ruhenden Bälle und sucht dann die kopfballstarken Yevgeny Khacheridi, Olexandr Kucher (beide Innenverteidiger), Artem Fedetskiy (rechts hinten) oder Taras Stepanenko (defensives Mittelfeld).
Auch wenn die Ukraine in diesen wenigen Situationen jedem Gegner wehtun kann, so muss man klar festhalten, dass die eigentliche Gefahr von der Verteidigung der Osteuropäer ausgeht: Disziplin in der Arbeit gegen den Ball ist das oberste Credo. Das ukrainische Spiel geht eigentlich nur dann auf, wenn es durch robustes Verteidigen gelingt, den Gegner zu entnerven und zu mehr Risiko zu zwingen.
Die Sbirna treibt dieses Rückwärtsdenken so lange auf die Spitze, bis sich durch Fehlverhalten des Gegners eigene Konterchancen auftun. Manchmal ist das sogar nur eine im ganzen Spiel. Solange diese zum Erfolg führt, fühlt sich Fomenko aber bestätigt. Wird sein Team als effektiv abgestempelt, ist das für ihn das größte Kompliment. Nicht wenige beschreiben ihn daher als äußerst konservativen Trainer.
Doch darin liegt auch eine der Schwächen des Teams: Fomenko entscheidet oft eher nach Sympathie als nach Leistung. Das beste Beispiel ist Marko Devic, der im letzten Jahr eine starke Saison in Kazan spielte, ein Freundschaftsspiel gegen Kamerun jedoch absagte, weil die Partie auf den Tag seiner Hochzeit fiel. Fomenko hatte keine Nachsicht. Stürmer Devic gehört seither nicht mehr zum Team - obwohl es der Ukraine in der Offensive durchaus an Alternativen mangelt.
Diese Eitelkeiten und phasenweise sogar Undiszipliniertheiten schlugen sich auch schon in der Mannschaft nieder. In der ukrainischen Liga hatte es Anfang Mai zum Beispiel einen unschönen Zwischenfall gegeben, als ein Disput zwischen Spielern aus Donezk und Kiew in eine Prügelei ausgeartet war. Im Mittelpunkt dabei: die Nationalspieler Yarmolenko und Stepanenko.
Inwiefern diese Auseinandersetzung das innere Klima beim ersten Gruppengegner gestört hat, wollte man im DFB-Team nicht bewerten. "Wer sich mit wem in der ukrainischen Liga gekloppt hat, ist nicht so sehr unser Thema", sagte Julian Draxler am Freitag. Zudem wurden Rotan und Stoßstürmer Roman Zozulya Anfang Mai für sechs Monate in nationalen Liga- und Pokalwettbewerben gesperrt, weil sie einen Schiedsrichter attackierten. Dass Fomenko sie trotzdem für die Nationalmannschaft nominierte, zeigt, wie abhängig der ukrainische Fußball von einzelnen Spielern ist.
Das bereits beschriebene, sich nicht verändernde Gesicht der Mannschaft ist zugleich Stärke und Schwäche. Die Eingespieltheit der Truppe ist natürlich ein Vorteil: Wer so oft in der gleichen Formation zusammenspielt, kennt die Laufwege, verinnerlicht Abläufe und stellt sich auf die Trainervorgaben besser ein. Doch diese personelle Sturheit Fomenkos hat auch eine Achillesferse: Es mangelt ihm an (eingespielten) Alternativen, sollte ein Spieler seiner Startelf ausfallen.