Vor 77.000 Zuschauern im Pariser Stade de France brachte Giorgio Chiellini Italien in der 33. Minute in Führung. Für Spanien war es das erste Gegentor in einer K.o.-Phase eines großen Turniers seit 2006. Graziano Pelle machte in der Nachspielzeit alles klar (90.+1).
Im Viertelfinale trifft Italien nun auf Deutschland, das sich bereits am Sonntagabend 3:0 gegen die Slowakei durchgesetzt hatte. Das Spiel findet am Samstag um 21 Uhr in Bordeaux statt. Thiago Motta wird aufgrund seiner zweiten Gelben Karte im Turnier fehlen.
Gianluigi Buffon feierte seinen 30. Einsatz für Italien bei Welt- und Europameisterschaften. Nur Paolo Maldini trug das blaue Trikot bei großen Turnieren häufiger (36-mal).
Die Reaktionen:
Antonio Conte (Trainer Italien): "Ich wusste es, dass die Jungs was wichtiges und Außerordentliches leisten würden. Jetzt stehen wir vor einem harten Duell gegen Deutschland, doch wir haben bewiesen, dass Italien nicht Catenaccio ist."
Vicente del Bosque (Trainer Spanien): "Es gibt 24 Teilnehmer, nur einer kann gewinnen. Viele sind auf dem Weg ins Finale gescheitert, wir sind einer davon. In der ersten Halbzeit hatten wir kein Selbstvertrauen, erst danach waren wir gefährlicher. Als nächstes steht die WM-Qualifikation im September an. Ich werde jetzt mit dem Verbandspräsidenten sprechen, mit den Spielern habe ich noch nicht geredet."
Der Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Im Vergleich zum 0:1 gegen Irland nimmt Conte sieben Änderungen vor. Buffon, Chiellini, Giaccherini, Parolo, De Rossi, Eder und Pelle beginnen für Sirigu, Ogbonna, Motta, Sturaro, Bernadeschi, Zaza und Immobile.
Del Bosque ändert auch in Spiel vier nichts. Spanien ist damit neben Island das einzige Land, das bislang immer mit der gleichen Startelf auflief.
8.: Erster ganz großer Aufschrei im Stade de France! Nach einem Freistoß aus dem linken Halbfeld setzt sich Pelle im Strafraum stark durch und köpft den Ball aufs Tor. De Gea taucht ab und klärt mit einer Glanztat zur Ecke.
11.: Nach einer Flanke in den Strafraum kommt der Ball etwa sieben Meter vor dem Tor zu Giaccherini, dessen Fallrückzieher De Gea an den Pfosten abwehrt! Cakir pfeift aber gefährliches Spiel - fragwürdig.
25.: Wieder Italien! De Sciglio bringt den Ball von der Sechzehnerkante an den Elfmeterpunkt, Parolo läuft ein und kommt zum Kopfball - knapp rechts vorbei.
29.: Fast das Eigentor von Ramos! De Sciglio bringt den Ball von links knallhart in den Strafraum, Ramos tritt halb am Ball vorbei. Der saust dann knapp am rechten oberen Winkel vorbei. Wieder Glück für Spanien!
33., 1:0, Chiellini: Eder haut einen Freistoß aus 20 Metern zentraler Position flach auf den Kasten, De Gea wehrt nach vorne ab. Der Keeper versucht im Liegen, den Ball noch wegzuspitzeln, jedoch setzt Giaccherini gut nach. Die Kugel springt dem einlaufenden Chiellini ans Schienbein und ins Tor!
45.: Giaccherini zieht am linken Strafraumeck zu einfach an Juanfran und Pique vorbei und haut voll drauf. De Gea fischt den Ball gerade noch aus dem Winkel!
49.: Ein Eckball von links fliegt genau auf den freistehenden Morata, der alle Zeit der Welt hat, seinen Kopfball zu platzieren. Aus fünf Metern drückt er ihn aber genau in die Arme von Buffon. Eigentlich unmöglich, den nicht reinzumachen.
55.: Riesenchance zum 2:0!!! Eder wird von Pelle mit der Hacke steil geschickt. Der Stürmer zieht mit seiner enormen Schnelligkeit locker an Pique vorbei und scheitert dann im Eins-gegen-eins mit De Gea am überragend reagierenden Keeper.
76.: Ein hoher Ball der Spanier landet im Rückraum, 20 Meter vor dem Tor. Da steht Iniesta, der mit links volley abzieht. Buffon muss sich strecken und lenkt den Ball noch über die Latte. Gleich danach hat Pique von halblinks die Chance. Wieder klärt Buffon stark!
81.: Aduriz verletzt sich bei einer Kopfballaktion wohl an der Nase. Er muss raus, Pedro kommt.
85.: Insigne lässt Ramos im Mittelfeld-Zentrum ganz schlecht aussehen und hat dann freie Schussbahn. De Gea pariert.
89.: Pique ist im Strafraum frei durch und kommt zum Abschluss. Er rutscht in den Ball, Buffon klärt ganz stark zur Seite.
90.+1, 2:0, Pelle: WAHNSINN! Italien macht den Deckel drauf. Einen Konter spielt Darmian auf Pelle zu Ende. Der haut den Ball aus zehn Metern ins Netz.
Fazit: Hochverdienter Sieg bärenstarker Italiener. Bei Spanien fehlten Ordnung, Spielkonzept und heute auch die individuelle Klasse.
Der Star des Spiels: Mattia De Sciglio. Riss ein wahnsinniges Spiel auf seiner linken Seite ab. Marschierte immer wieder die Linie entlang, brachte viele gefährliche Flanken von der Außenbahn. Kochte Silva, Fabregas und Juanfran in den Zweikämpfen extrem sicher ab und schaltete dann direkt nach vorne um. Auch stark: Chiellini.
Der Flop des Spiels: Sergio Ramos. Bewies nicht die Qualitäten, die ein Kapitän in einer solchen Partie aufbringen muss. Lamentierte ständig und ließ sich dann zu Schauspielereien hinreißen. Im Umschaltspiel nach hinten oft zu langsam und dann nicht dort, wo er sein musste. Vor der Pause unterlief ihm fast das Eigentor, was zu seiner Leistung gepasst hätte.
Der Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei). Ganz schwache Partie des Türken. Den Fallrückzieher von Giaccherini als gefährliches Spiel abzupfeifen, war zumindest grenzwertig. Fiel generell zu leicht auf die spanische Theatralik herein, bei Ramos' dreister Elfmeter-Forderung im ersten Durchgang hatte Cakir aber einen klaren Durchblick. Bei den Gelben Karten fehlte zudem oft die Verhältnismäßigkeit. Krasse Fehlentscheidung beim Einsteigen von Pique gegen Eder, als Cakir auf Weiterspielen entschied (59.).
Das fiel auf:
- Beide Mannschaften versuchten von Beginn an, situativ zu pressen. Verlor man im letzten Spielfelddrittel den Ball, gingen sowohl die Spanier als auch die Italiener direkt ins Gegenpressing, meist in einer Art 3-4-3. Das führte gerade schon in der Anfangsphase zu vielen Wechseln im Ballbesitz und einem hohen Tempo. Italien bekam aber deutlich mehr Druck auf den Gegner.
- Italien nahm überraschend aktiv am Spiel teil. Die Squadra Azzurra zog sich nicht wie von vielen erwartet zurück, sondern empfing die Spanier schon zehn Meter in deren Hälfte. Nach Ballgewinn ging es dann schnell nach vorne. Immer wieder suchten die Innenverteidiger und im Zentrum De Rossi beziehungsweise Parolo den direkten Weg in die Spitze zu Eder, Pelle und Giaccherini.
- Spanien ließ im Zentrum Lücken dafür, sodass die Italiener so zu einigen starken Konter-Aktionen kamen. Generell schaffte es die Furia Roja nicht, das Zentrum gegen den Ball dicht zu bekommen. Morata an vorderster Front nahm am Defensiv-Spiel so gut wie gar nicht teil. Er kapselte sich deutlich vor den spanischen Ketten von der Rückwärtsbewegung ab.
- Das italienische Zentrum um De Rossi und Parolo machte einen bärenstarken Job. Immer wieder unterband das Duo den spanischen Spielaufbau schon deutlich vor der Gefahrenzone und leitete dann wiederum sehr schnell die Gegenstöße ein.
- Auch nach der Pause ließ Spanien zwischen Abwehr und Mittelfeld ein viel zu großes Loch, in das sich die Italiener viel zu einfach bewegen und kombinieren konnten. Das entblößte die gesamte spanische Mittelfeldreihe, die meist mit nur einem Pass aus dem Spiel genommen wurde.
- Morata sah gegen seine Juventus-Klubkollegen Barzagli, Bonucci, Chiellini und im Tor Buffon kein Land. Del Bosque orderte ihn nach der Pause auf den linken Flügel und brachte Aduriz für die Spitze. Dort kam Morata zwar besser in die Zweikämpfe, wirklich effektiv wurde er aber nicht.
Italien - Spanien: Die Statistik zum Spiel