Vor 45.000 Zuschauern im Pariser Parc des Princes dauerte es bis zur 75. Minute, ehe ausgerechnet Nordirlands Innenverteidiger Gareth McAuley mit einem Eigentor die Partie entschied.
Es war das 96. Duell der beiden britischen Nationen gegeneinander, jedoch das erste bei einem großen Turnier.
Während das Abenteuer EM für Nordirland beendet ist, trifft Wales am Freitag um 21 Uhr in Lille auf den Sieger aus der Partie Ungarn gegen Belgien (So., 21 Uhr im LIVETICKER).
Die Reaktionen:
Chris Coleman (Teammanager Wales): "Diese Jungs geben nicht auf, das zeichnet sie aus. Das Erreichte ist fantastisch. Wir haben nicht unser bestes Spiel gezeigt, und wir müssen Nordirland zu der Leistung gratulieren. Sie waren gefährlich. Wir haben sehr viel Mut gezeigt. Jetzt genießen wir die Nacht."
Michael O'Neill (Teammanager Nordirland): "Es war ein sehr enges Spiel. Wir waren lange das bessere Team. Das ist ziemlich grausam, so zu verlieren. Wir hätten zumindest die Verlängerung verdient gehabt. Wir müssen damit leben und daraus lernen."
Der Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Wales-Trainer Coleman nimmt im Vergleich zum 3:0-Sieg über Russland personell keine Änderungen vor.
O'Neill verändert seine Startelf gegenüber dem 0:1 gegen Deutschland auf einer Position: Lafferty beginnt im Sturm für Washington.
10.: Erster Torschuss im Spiel - und gleich ein ordentlicher! Die Nordiren kontern über Ward auf der rechten Seite, spielen den Ball dann einmal um den Strafraum zu Dallas, der aus 16 Metern halblinker Position draufhält. Hennessey wehrt zur Ecke ab.
19.: Wales rastet aus, nachdem Ramsey den Ball ins Tor gespitzelt hat - doch Schiedsrichter Atkinson sieht richtig, dass Ramsey beim vorausgegangenen Kopfball von Vokes im Abseits stand.
22.: Ward hat 18 Meter vor dem Tor Platz und hält voll drauf. Hennessey lenkt den Schuss über die Latte zur Ecke.
53.: Ramsey spielt die Flanke aus dem Halbfeld, Vokes kommt 14 Meter vor dem Kasten zum Kopfball. Der geht einen guten Meter rechts am Tor vorbei.
58.: Bale haut einen Freistoß aus 24 Metern halbrechter Position direkt neben den rechten Pfosten, McGovern wehrt ihn gerade noch zur Seite ab!
75., 1:0, McAuley (ET): Wie bitter! Bales Hereingabe von links will McAuley klären, grätscht sie aber vor dem einschussbereiten Robson-Kanu ins eigene Tor.
Fazit: Glücklicher Sieg in einem sehr ausgeglichen und wenig hochklassigen Spiel. Bezeichnend, dass der Treffer ein Eigentor war.
Der Star des Spiels: James Chester. Was seine Vorderleute im Mittelfeldzentrum vermissen ließen, fing der Abwehrspieler von West Bromwich Albion auf. Trieb das Spiel nach vorne an und kam so auf die meisten Ballkontakte aller Akteure (83). Auch nach hinten meist mit gutem Stellungsspiel. Unterband viele nordirische Konter. Ebenfalls gut: Aaron Ramsey.
Der Flop des Spiels: Neil Taylor. Kam auf seiner Seite überhaupt nicht zur Geltung - weder nach vorne, noch nach hinten. Selten anspielbar, oft nicht auf Ballhöhe. Swansea Citys Verteidiger gewann zudem nur 22,5 Prozent seiner Zweikämpfe und brachte nur zwei Drittel der Pässe an den Mann.
Der Schiedsrichter: Martin Atkinson (England). Erkannte das Abseitstor von Ramsey in der 19. Minute zurecht ab, ließ gelegentlich aber zu viel englische Härte laufen und verweigerte beiden Teams einige klare Foul-Pfiffe. Übersah auch einmal Abseits und ein Handspiel von Ward in der ersten Hälfte. Eher schwacher Auftritt des Engländers, der ohnehin von Anfang an im britischen Duell eine mutige Entscheidung der UEFA war.
Das fiel auf:
- Gegen den Ball agierte Nordirland gewohnt defensiv. Man erwartete Wales an der Mittellinie im 5-3-2 mit Lafferty und Ward an vorderster Spitze. Beide waren nur dazu da, Wales bei langen Bällen zu stören und bei eigenem Ballbesitz zwei Anspielstationen in der Spitze zu haben, damit die Nordiren schnell umschalten konnten. Nach der Pause schoben die Nordiren weiter vor und pressten situativ sogar - teils sehr erfolgreich.
- Die Waliser stürmten im 3-5-2 an, wobei Bale vorn eher die hängende Spitze gab. Er ließ sich gelegentlich sogar bis auf die Sechs fallen, um dort den Ball abzuholen und ihn nach vorne zu treiben oder auf die Flügel zu verlagern.
- Für die Nordiren gab es deutlich häufiger als in den bisherigen Spielen Situationen, in denen sie gefordert waren, das Spiel von hinten aufzubauen, weil Wales sie kommen ließ. Mit Ball am Fuß fehlte Nordirland das Konzept.
- Wales machte es nicht bedeutend besser - im Gegenteil. Gerade in der ersten Hälfte hatten die Nordiren die zwingenderen Chancen. Wales' Abhängigkeit von Bale wurde deutlich. Waren nicht er oder Ramsey an den Aktionen beteiligt, ging nach vorne nichts. Einzig Chester war noch um den Spielaufbau bemüht.
- Beide Mannschaften versuchten, dem geordneten Spielaufbau mit langen Bällen auf die Flügel und in die Spitze zu umgehen. So gab es im klassischen Kick'n'Rush zwar schnellen Raumgewinn, die Genauigkeit der Bälle ließ oft aber zu wünschen übrig. Interessant: Nach diesen langen Bällen schaffte es Nordirland - meist in Person von Dallas - auf dem linken Flügel extrem viele Freistöße herauszuholen. So gab es einige vielversprechende Standards.
- Wieder offenbarte Nordirland taktische Schwächen in der Rückwärtsbewegung. Das Angriffsduo und abwechselnd die dahinter agierenden Davis und Norwood rückten viel zu weit vorne auf die Gegenspieler, während die Sechser und die Abwehr-Fünferkette deutlich weiter hinten standen. Dadurch machten die Angreifer viele unnötige Wege und Wales hatte es einfach, die erste Reihe zu überspielen und dann in den dahinter entstandenen Leerraum im Zentrum vorzustoßen.
Wales - Nordirland: Die Statistik zum Spiel