SPOX: Herr Nordtveit, Sie kamen mit etwas Verzögerung zur U-21-EM nach Israel, weil Sie zuvor für die A-Nationalmannschaft bei der WM-Qualifikation in Albanien (1:1) spielten. Doch der Weg nach Israel war steinig...
Havard Nordtveit: Ja. Zunächst einmal erfolgte der Anstoß dort erst um 21 Uhr. Nach der Partie erhielt ich die Nachricht, dass ich zur Dopingkontrolle muss. Und nach einem Spiel ist es nicht ganz einfach, 90 Milliliter Flüssigkeit aus seinem Körper heraus zu bekommen (lacht). Ich habe dann fünf Liter Wasser getrunken, nach einer Stunde warten hat's dann geklappt. Die anderen drei Spieler waren zu dem Zeitpunkt schon im Flugzeug. Ich bin dann in einem Polizeiwagen mit Polizeieskorte zum Flughafen gebracht worden und habe es gerade noch so geschafft - welch ein Stress!
SPOX: In Israel sind Sie beim Sieg gegen England und der Niederlage gegen Spanien eingewechselt worden, gegen Italien spielten Sie dann von Beginn an - aber als Innenverteidiger. War das für Sie als angestammter Sechser ungewohnt?
Nordtveit: Es war schon etwas komisch und eine Umstellung, da ich diese Position eine Weile lang nicht mehr gespielt hatte. Auf der Sechs kann man mehr riskieren, als Innenverteidiger muss man den Ball auch einfach mal sinnlos weghauen. Ich bevorzuge schon das Mittelfeld. Wenn aber Lucien Favre einmal denken sollte, dass ich in der Innenverteidigung auch gut aufgehoben wäre, dann richte ich da auch keinen allzu großen Schaden an. Ich habe eine gute Ballkontrolle und kann die Kugel sicher von hinten raus spielen - das schadet zumindest nicht.
SPOX: Sie haben diese Saison 52 Pflichtspiele absolviert. Sind Sie froh, dass es jetzt endlich in den Urlaub geht?
Nordtveit: Natürlich beschwere ich mich jetzt nicht über Urlaub, aber wir wollten unbedingt ins Finale. Aber es ist unglaublich schwierig, gegen diese fantastische Mannschaft Spaniens zu spielen. Sie haben es verdient, ins Finale zu kommen und ich bin mir absolut sicher, dass sie den Titel gewinnen werden. Dennoch konnten wir zeigen, dass die norwegische U 21 ein richtig starkes Team ist. Ich weiß, dass viele der hier teilnehmenden Mannschaften vor dem Turnier gedacht haben, es werde einfach, wenn sie gegen uns spielen müssen.
SPOX: Woran machen Sie das fest?
Nordtveit: Vor dem letzten Saisonspiel mit Gladbach gegen die Bayern gab es eine Pressekonferenz mit Luuk de Jong und mir. Da wurden fast ausschließlich Fragen an Luuk gestellt. Erst am Ende durfte ich auch einmal etwas sagen und habe dann gemeint, dass wir nach Israel fahren werden, um das Turnier zu gewinnen. Da hat dann der ganze Saal gelacht. Ich denke, jetzt würde keiner mehr lachen.
SPOX: Patrick Herrmann muss nach einer verlorenen Wette mit Luuk de Jong beim Trainingsauftakt der Borussia im Holland-Trikot erscheinen. Haben Sie mit ihm auch eine Wette laufen?
Nordtveit: Nein, weil ja keiner daran gedacht hat, dass wir uns fürs Halbfinale qualifizieren würden - und Patrick und Luuk waren ja in der anderen Gruppe. Auf diese Idee ist keiner der beiden gekommen.
SPOX: Lassen Sie uns auch über Ihre Klubkarriere sprechen: Bevor Sie in die Bundesliga wechselten, standen Sie beim FC Arsenal unter Vertrag. Zu Coach Arsene Wenger pflegten Sie eine enge Beziehung. Besteht die immer noch?
Nordtveit: Seit ich in Deutschland spiele ist es natürlich weniger geworden. Ich weiß aber, dass Arsenal mich noch beobachtet und sie sehen, wie ich mich in Gladbach weiterentwickelt habe. Als ich den Verein verließ, hat Wenger gesagt, dass er hoffe, in diesem Moment einen großen Fehler gemacht zu haben. Ich persönlich könnte es aber nicht besser haben, wie derzeit bei der Borussia.
SPOX: Sie wurden von den Gunners an den spanischen Zweitligisten UD Salamanca ausgeliehen, weil Sie dort aber kaum zum Zug kamen, nach drei Monaten wieder zurückgeholt. War dies das Wichtigste, was Wenger für Sie tat?
Nordtveit: Das sicherlich auch, aber noch wichtiger war, dass er nach Haugesund kam und persönlich gezeigt hat, mich unbedingt haben zu wollen. Er kam sogar mit einem Flugzeug von Ryanair an, das muss man sich einmal vorstellen (lacht)! In Salamanca nur auf der Bank oder sogar der Tribüne zu sitzen, war für mich sehr hart - aber die wichtigste Zeit meiner Karriere.
SPOX: Weshalb?
Nordtveit: Es hat mir gezeigt, dass nicht immer alles im gleichen Fluss bleibt und es Auf und Ab's geben kann. Erst wenn sich das Schicksal gegen dich wendet, kannst du zeigen, welcher Fußballspieler und auch welche Person du eigentlich bist. Als ich zu Arsenal zurückkam, wollte Wenger wissen, wie mein Fazit nach Salamanca aussah. Ich habe ihm gesagt, dass eine schlechte Erfahrung immer auch eine gute Erfahrung ist. Er hat gelacht und mir auf die Schulter geklopft.
SPOX: Arsenal hat seit Jahren keinen Titel mehr gewonnen, daher halten sich die Diskussionen, ob es dafür einen neuen Trainer braucht. Können Sie sich den Klub ohne ihn vorstellen?
Nordtveit: Irgendwie nicht. Wenn man über Arsenal spricht, gehört Wenger auch immer dazu. Auch wenn in der Tat zuletzt weniger Titel heraussprangen, finde ich es schon eine große Leistung, sich so viele Jahre in Folge immer für die Champions League zu qualifizieren. Ihnen fehlt halt oft nur ein kleines Stückchen zum ganz großen Wurf. Mittlerweile hätten sie es sich längst mal wieder verdient.
SPOX: Die Nummer mit dem Ryanair-Flug ist schon nicht schlecht. Gibt es eine Lieblingsanekdote aus Ihrer Zeit mit Wenger?
Nordtveit: Einmal haben wir in Sunderland gespielt. Am Spieltag wollten wir nach dem Frühstück einen Spaziergang machen. Direkt vor dem Hotel gab es einen Kreisel mit einer Statue in der Mitte. Wir verließen also das Hotel, Wenger führte den Tross in vorderster Front an. Er sah dann, dass etwa 100 Meter entfernt eine große Gruppe von Arsenal-Fans stand, die natürlich sehr erfreut war, uns zu sehen. Wenger drehte sofort wieder um und schob uns alle ins Hotel zurück. So waren wir dann ungefähr 40 Sekunden an der frischen Luft, 20 Minuten waren eigentlich geplant. Das war der kürzeste Spaziergang meines Lebens!
Seite 2: Nordtveit über das Besondere an Favre und Fliegenfischen in Norwegen