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"Wenger kam mit einem Ryanair-Flugzeug"

Von Interview: Jochen Tittmar
Havard Nordtveit wechselte zur Winterpause 2010/11 zu Borussia Mönchengladbach
© getty
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SPOX: Sie arbeiten in Mönchengladbach seit über zwei Jahren mit Lucien Favre zusammen. Wie viel Wenger steckt denn in Favre?

Nordtveit: Die beiden sind sich schon sehr ähnlich und eher Fußball-Philosophen als Trainer. Beide achten extrem auf Details, über die man sich als Spieler zuvor nie Gedanken gemacht hat. Dazu verfolgen sie eine gemeinsame Art, wie ihr Fußball aussehen soll. Ihnen geht es nicht so sehr um die pure Kraft und Physis, sondern sie legen großen Wert auf die Technik jedes Einzelnen.

SPOX: Apropos Auf und Ab: Gladbach wäre 2011 um ein Haar abgestiegen und 2012 um ein Haar in die Champions League eingezogen. Nun stand Platz 8. Wäre man mit einer solchen Platzierung in der nächsten Saison wieder zufrieden oder nicht?

Nordtveit: Unser Ziel muss es sein zu versuchen, den Klub auf ein neues Level zu hieven, damit man auch in Europa weiß, dass Borussia Mönchengladbach eine starke Mannschaft aus der Bundesliga ist. In den letzten beiden Spielzeiten ging das ja schon ein bisschen in diese Richtung, da die beiden Platzierungen die besten waren, die dem Klub seit langer Zeit in Folge gelangen. Wir wollen zu den besten acht Teams in Deutschland gehören, richten den Blick aber auch weiterhin nach Europa.

SPOX: Christoph Kramer und vor allem Max Kruse sind bislang die beiden prominentesten Neuzugänge der Fohlen. Was erwartet die beiden im Spannungsfeld von Favre?

Nordtveit: Das sind ja beide auch noch junge Spieler. Favre wird bei ihnen wie gewohnt besonders darauf achten, dass sie sich in diesen bereits erwähnten Details verbessern. Er geht mit den Spielern auch oftmals nach dem Training bestimmte Technik-Übungen durch, die individuell auf die Jungs zugeschnitten werden. Daran müssen sich die Neuen sicherlich gewöhnen.

SPOX: Dauert es für Neuzugänge grundsätzlich etwas länger, um mit Favres Art des Fußballs klar zu kommen?

Nordtveit: Es braucht immer eine gewisse Anlaufzeit, um den Fußball in einem neuen Klub zu verstehen. Bei Max Kruse könnte es vielleicht etwas schneller gehen, da der Freiburger unserem Fußball ja auch etwas ähnelt. Ich freue mich auf ihn, weil er Goalgetter und Arbeitstier zugleich ist.

SPOX: Auch Sie sind so etwas wie ein Arbeitstier und dazu der einzige Spieler der Bundesliga, der mit einem Mundschutz aufläuft. Wieso eigentlich?

Nordtveit: Vor rund zweieinhalb Jahren bekam ich bei einem Spiel einen Ellbogen ins Gesicht und alle meine Vorderzähne waren dahin. Ich musste mir Implantate einsetzen lassen. Den Mundschutz brauche ich deshalb, weil ich bei einem nächsten Schlag riskieren würde, dass ich mir mein gesamtes Mundskelett ruiniere. Die Chance dazu liegt zwar bei nur ungefähr fünf Prozent, aber das Risiko ist mir einfach zu hoch.

SPOX: Die Borussen-Fans haben die rote Farbe des Mundschutzes kritisiert, weil sie an Erzrivale Köln erinnern würde.

Nordtveit: Ich weiß. Ich habe bereits versprochen, dass ich auf eine andere Farbe wechseln werde, wenn der rote Mundschutz kaputt geht. Norwegen ist rot, daher passt das für mich auch. Ich bin jedenfalls nicht der allergrößte Köln-Fan...

SPOX: Stimmt es eigentlich, dass Ihre Eltern nach der regulären Arbeit ein Haus ohne fremde Hilfe gebaut haben?

Nordtveit: Ja, die beiden sind richtige Handwerker und haben zu großen Teilen auf Hilfe von außen verzichtet. Seit Weihnachten steht das Ding (lacht). Ihnen gehört eine Küchenfirma. Meine Mutter arbeitet im Lager und sorgt dafür, dass alles richtig an die Kunden ausgeliefert wird. Mein Vater ist dagegen der Verkäufer. Und nach Feierabend haben sie sich dann um das Haus gekümmert.

SPOX: Was sagt diese Geschichte auch über Sie aus?

Nordtveit: Von ihnen habe ich all meine Energie. Aber da müssten Sie erst einmal meine Eltern sehen: Die beiden müssen immer etwas zu tun haben, sonst geben sie keine Ruhe. Wenn sie mit einem Projekt fertig sind, muss sofort ein anderes her. So war es schon immer und das hat mich natürlich geprägt. In den Ferien konnten mein Bruder und ich nie länger als 8 Uhr schlafen, da mein Vater der Meinung war, dass man schon den ganzen Tag verschlafen würde, wenn man erst um 8.30 Uhr aufsteht. Da käme ja dann nichts bei rum (lacht). Sie haben mir beigebracht, bei allem, was ich tue, immer 100 Prozent zu geben, damit ich mir anschließend keine Vorwürfe machen müsse.

SPOX: Sie haben ein Tattoo auf dem rechten Arm, der Spruch bedeutet übersetzt: "Champions arbeiten so lange, bis der Job erledigt ist." Dazu fahren Sie häufig zum Fischen. Wird so das Leben des Havard Nordtveit, wenn der Job, also die Karriere als Fußballer erledigt ist?

Nordtveit: Das ist gut möglich. Ich stelle es mir so vor: Ich stehe um 6 oder 7 Uhr auf, frühstücke mit meinen Eltern, bevor sie zur Arbeit gehen und packe Zelt, Angelausrüstung, Grill und Gewürze in meinen Ranger. Dann hole ich meine Kumpels ab, die wie ich die Natur lieben und wir fahren zusammen eine gute Stunde in die Berge. Dort betreiben wir Fliegenfischen und filetieren die Forellen, die wir fangen, würzen sie und schmeißen sie auf den Grill - und all das ohne Handy und Internet. Wenn dein Kopf frei ist, ist auch dein Körper frei. Herrlich!

Havard Nordtveit im Steckbrief