Spanien behält in einem epischen Achtelfinal-Drama gegen Kroatien die Nerven. Und plötzlich ist der zuletzt so gescholtene Alvaro Morata Held und Hoffnungsträger.
Die spanische Heldenkrönung nach dem "epischen" Triumph gegen Kroatien übernahm Luis Enrique höchstpersönlich. "Alvaro Morata hat gezeigt, dass es nur wenige gibt, die in der Lage sind, das zu tun, was er getan hat", schwärmte der Nationaltrainer von seinem zuletzt so gescholtenen Angreifer und betonte: "Er hat viel Persönlichkeit, er erträgt Situationen, die keiner von euch ertragen möchte. Ich habe eine lobenswerte Einstellung bei ihm gesehen."
Tatsächlich schüttelte Morata beim dramatischen 5:3 (3:3, 1:1) n.V. gegen Kroatien die Drohungen der vergangenen Tage gegen sich und seine Familie in beeindruckender Manier ab. Der schwachen Vorrunde folgte im Achtelfinale eine Leistungsexplosion - und nicht nur die lässt ganz Spanien vom vierten EM-Titel träumen. Nach dem sensationellen Aus von Weltmeister Frankreich wartet im Viertelfinale am Freitag (18.00 Uhr) in St. Petersburg nun aber mit der unbeugsamen Schweiz ein mindestens unbequemer Gegner.
Doch auch die Spanier strotzen nun vor Selbstvertrauen. "Wir sind ein schwer zu schlagendes Team", formulierte Kapitän Sergio Busquets schon mal eine kleine Kampfansage: "Das Team weiß, wofür es spielt und was es will. Wir wachsen in diesem Turnier sehr stark." Tatsächlich zeigt der Trend der Furia Roja steil nach oben, die Reaktion nach Rückschlägen wie dem Slapstick-Eigentor von Pedri und Torhüter Unai Simon (20.) oder dem späten Ausgleich ist Zeichen enormer Qualität.
EM 2021 - "Morata zeigt seinen Hatern den Stinkefinger"
Mit elf Treffern stellt der dreimalige Europameister nach anfänglicher Torflaute zudem mittlerweile den besten Angriff der EM - auch ein Verdienst von Morata, der gegen Kroatien mit einem satten Linksschuss unter die Latte zum 4:3 (100.) seine starke Leistung krönte. "Der Treffer ist für meine Frau, meine Kinder und all die Menschen, die mich unterstützen", sagte der 28 Jährige.
Morata zeigte vor allem eine beeindruckende mentale Stärke. "Es ist wahr, dass ich Dinge erlebt habe, die mir nicht gefallen", fuhr er fort. Aber manchmal müsse man erst "leiden, um solche Momente zu erleben". Auch die englische Fußball-Ikone Gary Lineker war voll des Lobes: "Ich liebe es, dass Morata seinen Hatern den 'Stinkefinger' gezeigt hat", twitterte er in seiner gewohnt süffisanten Art.
Zwar stand Morata im Mittelpunkt der Lobeshymnen auf die Furia Roja, doch der dramatische Erfolg hatte noch viele weitere spanische Hauptdarsteller: Da war der kolossal patzende Torwart Unai Simon, der später zum Retter wurde; der in Kroatien verehrte Offensivkünstler Dani Olmo von RB Leipzig, der sich als Joker zum Flankengott aufschwang; oder Teenager Pedri, der mit seiner spielerischen Eleganz auf den Spuren Iniestas wandelt.
EM 2021 - Spaniens "besonderer Teamgeist"
Das enorm ausgewogene Kollektiv macht die Spanier, für die neben Morata Pablo Sarabia (38.), Cesar Azpilicueta (57.), Ferran Torres (77.) und Mikel Oyarzabal (103.) trafen, für kommende Gegner extrem gefährlich. Sorgen allerdings bereitet Coach Enrique die Unerfahrenheit der jüngsten Turniermannschaft, die sich gegen Kroatien insbesondere bei den späten Treffern von Mislav Orsic (85.) und Mario Pasalic (90.+2) negativ bemerkbar machte.
Manche Fehler seien schlicht "unvermeidlich" aufgrund des teilweise noch herrschenden jugendlichen Leichtsinns, betonte der Trainer. Doch, führte er weiter aus, das werde die Mannschaft auch weiterhin durch ihren "besonderen Teamgeist" auffangen.