Pflicht souverän erledigt, Tabellenführung ausgebaut, aber Verärgerung über die Pfiffe: Von Zufriedenheit war bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach ihrem ersten Pflichtspiel des Jahres weit und breit nichts zu spüren. Zur groß war das Unverständnis bei Bundestrainer Joachim Löw und seinen Spielern über das Verhalten der eigenen Fans beim glanzlosen 4:0 (3:0)-Sieg in der EM-Qualifikation gegen Underdog Kasachstan in Kaiserslautern.
"Ich finde es nicht fair, wenn so gepfiffen wird und die Spieler so angegriffen werden. Man muss es so deutlich sagen. Es gibt wohl unterschiedliche Mentalitäten. In Spanien lieben sie den Fußball, da wird die eigene Mannschaft bis zum Schluss unterstützt, auch wenn es mal nicht so läuft", sagte Sami Khedira von Real Madrid und gab damit die Meinung seiner Mitspieler wieder.
Ziel der Pfiffe: Schweinsteiger
Vor allem WM-Star Bastian Schweinsteiger bekam auf dem Betzenberg sein Fett weg, nachdem ihm vor allem im zweiten Durchgang nichts mehr gelingen wollte. Auf den Rängen forderte das zahlende Publikum lautstark "Schweinsteiger raus", nachdem der Münchner zum wiederholten mal in seiner aufreizend lässigen Art das Spielgerät ohne Not in die Füße der Osteuropäer gespielt hatte.
Joachim Löw nahm seinen Vize-Kapitän denn auch in der 78. Minute vom Feld, für die Reaktionen der Fans fehlte dem Bundestrainer aber jegliches Verständnis.
"Ich habe das als äußerst negativ empfunden. Denn auch Schweinsteiger hat mal das Recht, ein schwächeres Spiel zu machen. Man muss ihm auch mal ein Spiel zugestehen, indem er seine Qualitäten und sein Niveau nicht so abrufen kann, wie wir es von ihm gewohnt sind", äußerte Löw.
Löw: "Sind weit über dem Soll"
Schweinsteiger selbst war ebenfalls enttäuscht über das harte Urteil der Fans, die immerhin nach dem Schlusspfiff den WM-Dritten mit wohlwollenden Applaus verabschiedeten.
"Wir können nicht nur Hacke-Spitze-eins-zwei-drei spielen. Ich verstehe die Zuschauer nicht. Wir sind souveräner Tabellenführer und haben alle Punkte geholt. Solche Pfiffe würde es nicht in jedem Land geben. Die Zuschauer wollen immer ein Spektakel sehen. Aber man muss die Kirche im Dorf lassen. Wir haben 4:0 gewonnen und sind Erster. Ich weiß nicht, was die Leute erwarten", sagte der sichtlich gefrustete Münchner.
Auch Löw, der mit der Vorstellung seiner Mannschaft in der zweiten Hälfte ebenso wenig zufrieden war wie die Zuschauer, hob das Positive hervor. "Unter dem Strich bin ich zufrieden. Wir haben in der EM-Qualifikation bislang das Maximum von 15 Punkten erreicht und 17 Tore in fünf Spielen geschossen, damit sind wir weit über dem Soll", sagte der 51-Jährige, der mit seinem Team in den nächsten beiden Qualifikationsspielen in Österreich (3. Juni) und Aserbaidschan (7. Juni) bereits die Tickets für die EM in Polen und der Ukraine lösen kann.
Bierhoff begutachtet EM-Quartiere
Teammanager Oliver Bierhoff inspiziert angesichts des komfortablen Vorsprungs von acht Punkten an der Tabellenspitze kommenden Monat in Polen schon mal drei mögliche EM-Quartiere. Der frühere DFB-Kapitän appellierte vor dem kommenden Länderspiel gegen Australien am Dienstag in Mönchengladbach, für das es noch reichlich Karten gibt, aber auch noch mal an die eigenen Anhänger: "Sicher haben wir die Ansprüche hochgesetzt und es ist unser Anspruch, immer attraktiv zu spielen. Aber die Verbindung mit den Fans muss sich auch in Zeiten zeigen, in denen es nicht so läuft."
Dabei lief es gegen den 132. der Weltrangliste zunächst wie geschmiert. Jubilar Miroslav Klose gelang zehn Jahre nach seinem Länderspiel-Debüt bereits in der 3. Minute die Führung für den Favoriten, sein Münchner Teamkollege Thomas Müller (25. und 43.) baute den Vorsprung vor der Halbzeit vorentscheidend aus.
Den Schlusspunkt setzte erneut Klose (88.), der mit seinem 61. Treffer im DFB-Trikot auch die Fans noch etwas versöhnte. Der WM-Torschützenkönig von 2006, der in der ewigen Torschützenliste den Rückstand auf den führenden Bomber Gerd Müller auf sieben Treffer verkürzte, gab sich an seiner alten Wirkungsstätte dann auch moderater als die meisten seiner Mitspieler.
Ohne Khedira, Özil und Lahm gegen Australien
"Die Zuschauer unterstützen uns, wenn wir guten Fußball spielen. Das haben wir heute einfach nicht getan", sagte der 32-Jährige selbstkritisch. Auch in der Schlussviertelstunde, als Löw dem DFB-Torjäger noch dessen in Liga und Champions League treffsicheren Bayern-Kollegen Mario Gomez zu Seite stellte, wurde es nicht entscheidend besser.
Gegen Australien wird Löw wie angekündigt einige Veränderungen vornehmen. Der Dortmunder Mats Hummels wird in der Innenverteidigung ebenso von Beginn an spielen wie der Mainzer Andre Schürrle im linken Mittelfeld auf der Position von Lukas Podolski. Für Dennis Aogo dürfte BVB-Aufsteiger Marcel Schmelzer eine weitere Chance erhalten. Nicht mehr mit im Aufgebot stehen die beiden Real-Stars Khedira und Mesut Özil sowie Kapitän Philipp Lahm. Dem Trio, das am Sonntagmittag das DFB-Quartier in Mainz verließ, gönnt Löw eine Verschnaufpause.
Die EM-Qualifikation im Überblick