Und plötzlich ist der Fußball ganz weit weg und völlig unwichtig. Diese Erfahrung mussten sowohl Marco Russ von Eintracht Frankfurt als auch Francesco Acerbi von Lazio Rom machen. Beide arbeiteten ihr Leben lang hart für den Traum, eines Tages in den größten Stadien der Welt Fußball zu spielen. Beide erfüllten sich diesen Wunsch, doch die Diagnose Hodenkrebs stellte das Leben beider Fußballer komplett auf den Kopf.
Mit Hilfe seiner Familie und auch "mit Humor", wie Russ in emotionalen Interviews über seine Krankheit verriet, schaffte er es, die Strapazen der Chemotherapie zu überwinden und den Krebs zu besiegen. "Auch die Chemotherapie und alles, was mit ihr zusammenhängt, haben wir versucht, mit Humor zu nehmen. So ist unsere Art, mit Dingen umzugehen. Diese lustige, humorvolle Art hat uns in den vergangenen Wochen sehr geholfen gegen den Krebs", erzählte er 2016 der Welt am Sonntag.
Acerbi: Erst Krebs besiegt, dann Debüt für Italien
Diese positiven Gedanken haben auch Acerbi geholfen, wie er 2015 im Goal-Interview verriet: "Wenn du krank bist, musst du unbedingt positiv bleiben. Eine andere Chance hast du nicht. Du musst eine positive Atmosphäre rund um dich und deine Familie kreieren. Das hilft dir, die Krankheit bestmöglich zu bekämpfen."
Als unermüdlicher Kämpfer gab sich Acerbi nie auf und kehrte damals schon zehn Tage nach seiner letzten Chemotherapie-Sitzung ins Training seines damaligen Klubs Sassuolo zurück. "Ich war aber nicht sicher, ob ich in den professionellen Fußball zurückkehren konnte. Erstmal wollte ich nur fit bleiben", berichtete er.
Gezeichnet von dem Schicksalsschlag entwickelte Acerbi damals eine unglaubliche Motivation, erneut im Profifußball durchzustarten. Und etwas mehr als ein Jahr nach der Diagnose schaffte der Innenverteidiger das, was rund 15 Monate vorher undenkbar gewesen war: Er debütierte für die italienische Nationalmannschaft.
"Nach dem Drama hat uns das Schicksal nun zusammengeführt"
"Ich bin auf seine Geschichte gestoßen und freue mich sehr, gegen Lazio zu spielen. Ein Klub mit großer Tradition. Doch noch mehr freue ich mich, ihn zu treffen", verriet Russ nun vor der Europa-League-Partie der SGE gegen Lazio am Donnerstagabend der Gazzetta dello Sport. "Nach dem Drama hat uns das Schicksal nun zusammengeführt. Wir werden nach dem Spiel unsere Trikots tauschen", kündige der Kapitän der Eintracht an.
Das Schicksal hat beide an diesem Oktoberabend in Frankfurt zusammengeführt - besser hätte man die Begegnung beider nicht beschreiben können. Beide wurden von einem schweren Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen, doch beide nahmen den Kampf gegen den Krebs an und gewannen.
Nach Abpfiff war es dann wirklich so weit. Nahezu unbeobachtet von den zahlreichen Fotografen und Kameras im Stadion war der klare 4:1-Erfolg der Eintracht in der tobenden Commerzbank-Arena für einen Moment nebensächlich. In der Spielfeldmitte trafen sich Acerbi und Russ und tauschten ihre Trikots. Eine der schönen Geschichte, die nur das Leben schreibt.