Eigentlich wusste Frankfurt ja Bescheid. Eigentlich hatte Adi Hütter den 62-Kilo-Jungen ja auf dem Zettel. Zu stoppen war Felix dennoch nicht. Als "Jahrhunderttalent" bezeichnete Hütter ihn auf der Pressekonferenz vor dem Spiel.
Was ihn zu solch einem Superlativ veranlasst hatte, deutete Felix einen Tag später schon in den Anfangssekunden der Partie gegen Frankfurt an. Leichtfüßig schwebte er über den Platz. Trotz seiner langen Stelzen, Felix misst 180 Zentimeter, bewegt er sich enorm agil und elegant.
Bis zur 20. Minute hatte Frankfurt den Youngster wie die gesamte Lissaboner Mannschaft aber weitgehend im Griff. Erstmals ging das hohe Pressing im Zentrum mit Sebastian Rode und Gelson Fernandes nach hinten los. Andreas Samaris und Lubomir Fejsa konnten sich aus der Drucksituation befreien und in die entstandene Lücke vor der Abwehr passen.
Das stand wie so häufig Felix, der zwar als nominelle Spitze gelistet war, sich jedoch immer wieder zwischen den Frankfurter Abwehrreihen anbot - egal ob im Zentrum, links oder rechts. Felix bekam also den Ball, trieb ihn vier, fünf Meter nach vorne, täuschte einen Schuss an und steckte dann perfekt auf Gedson Fernandes durch. Er ist Instinktfußballer. Solche Aktionen erklären, wieso er beinahe alle 100 Minuten an einem Treffer seiner Mannschaft beteiligt ist.
Joao Felix übernimmt mit 19 Jahren schon Verantwortung
Doch die Szene lief weiter. Fernandes wurde ungestüm von Evan N'Dicka mit beiden Händen umgestoßen - Elfmeter und Rot. Die Szene sollte einen Bruch im Spiel bedeuten, hatte Benfica bis dahin doch nicht wirklich kontrolliert nach vorne gespielt. Viel bemerkenswerter aber: Direkt nach dem Pfiff von Schiedsrichter Anthony Taylor drehte sich Felix zu seinen Mitspielern um und schlug sich zwei, drei Mal mit der flachen Hand auf die Brust, als wolle er sagen: Den schieße ich!
Und dann stand er da - mit seinen 19 Jahren. Er übernahm Verantwortung. Und lieferte. Nebenbei knackte er den nächsten Vereinsrekord. Längst nichts Neues mehr für Felix. Er schnappte sich schon so einige in seinem ersten Jahr als Profi: jüngster Torschütze im Derby gegen Sporting (18 Jahre), jüngster Torschütze im Estadio da Luz (18) und jüngster Spieler mit einem Doppelpack (19).
Nun ist er auch noch der jüngste Torschütze in der Europa League für Benfica. Und es sollte nicht der letzte Rekord an diesem Abend sein. Schließlich hat Benfica eine sehr homogene, gute, gefährliche Mannschaft, wie Hütter vor dem Spiel warnte, "wobei ich Joao Felix schon herausheben möchte - aufgrund seines Alters und seines Talentes".
Joao Felix' erste Saison als Profi
Wettbewerb | Einsätze | Tore | Vorlagen |
Europa League | 5 | 3 | 1 |
Liga NOS | 20 | 10 | 5 |
Taça de Portugal Placard | 6 | 1 | 1 |
Allianz Cup | 2 | 1 | - |
Champions League | 1 | - | - |
CL-Quali | 2 | - | - |
Joao Felix knackt weitere Rekorde bei Benfica
Zu diesem Talent zählt auch die Abschlussstärke des Offensiv-Allrounders. Ein strammer Schuss ins linke, untere Eck - 2:1. Auch wenn Kevin Trapp dabei überhaupt nicht gut aussah. Zu diesem Talent zählt auch sein gutes Kopfballspiel, dem Ruben Dias sein Tor zum 3:1 zu verdanken hat. Am Ende standen drei Tore und eine Vorlage auf dem Konto von Felix.
Mit 19 Jahren, fünf Monaten und einem Tag ist er jetzt der jüngste Dreierpacker in der Europa-League-Historie. Zudem ist er Benficas erster Spieler in der Europa League, dem vier Torbeteiligungen in einem Spiel gelangen. Rekorde.
Nicht ohne Grund ist eine Ausstiegsklausel in Höhe von 120 Millionen Euro im Vertrag des Youngsters verankert. Angeblich hatte Benfica schon versucht, diese auf 200 Millionen Euro anzuheben.
Vergleiche mit CR7 - Bruno Lage drückt auf die Bremse
Auch wenn die beiden spielerisch aus verschiedenen Hölzern geschnitzt sind, ist der Hype um Felix in Portugal mit dem des jungen CR7 vergleichbar. "Er ist eine der heißesten Aktien, die der portugiesische Fußball seit Cristiano Ronaldo hervorgebracht hat", sagte Benfica-Präsident Filipe Vieira.
Ganz Europa ist hinter Felix her. Das dürfte den Aktienwert nur noch mehr in die Höhe treiben. Dass Felix nicht auch mit abhebt, dafür will in erster Linie sein Trainer Bruno Lage sorgen. Der trat nach der Gala-Vorstellung seines Schützlings direkt auf die Euphoriebremse: "Macht ihn jetzt bloß nicht zum Superhelden oder zum Überflieger. Wenn er noch konstanter spielen würde, wäre das fantastisch."
Da hat der 42-Jährige einen Punkt. Die Leistung gegen Frankfurt war Felix' erster echter Ausreißer nach oben auf internationaler Bühne: "Felix stellt sich Europa mit einem Hattrick vor", titelte die spanische Sport passend. "Ein Star ist geboren", schrieb die AS.
Vielleicht erinnert sich Felix in einigen Jahren besonders gern an dieses Spiel gegen Frankfurt - als den Startschuss für seine Welt-Karriere.